Seite 6 von 24

Wann ist ein Haus ein Heim?

Was geht letztens eigentlich bei Casper? Der hat sich ja eigentlich recht vielversprechend für das neue Album "Alles War Schön Und Nichts Tat Weh" aufgestellt. Wenn man mir auf dem Papier nacherzählen würde, was da alles kam, würde ich sicher nicht meckern: grandios pathetischer Opener, Tua-Feature, Haiyti-Feature, jetzt ein deeper Storyteller, alles auf zumindest eigenbrötlerischer und atmosphärischer Produtkion. Ja, was will ich den mehr?

"Billie Jo" ist wohl die am schwersten schlechtzuredende Single des bisherigen Rollouts, und vermutlich mit dem Titeltrack auch die beste. Immerhin klingt das schon einmal nicht so egal wie "TNT" und nicht so komplett daneben wie "Wolken". Über drei Parts bringt uns Casper hier das Leben eines amerikanischen Kriegsveteranen nahe, der schließlich infolge zunehmend schlimmer werdender PTSD seine Familie und sich selbst tötet. Harter Tobak, aber wenn einer so etwas kohärent erzählen kann, dann ja wohl Casper, oder?

Nun ja, teilweise. Die Produktion macht auf jeden Fall schon einmal Stimmung, mir persönlich fühlt sie sich wie vieles an diesem Song aber zu plakativ an. Als wolle dir wirklich alles sagen: Achtung, jetzt passiert etwas Dramatisches und Schlimmes! Dem dramaturgischen Aufbau ins mordende Finale macht er dann auch brav nach Lehrbuch, das klingt natürlich gut, aber wer große Pläne schmiedet, muss auch an großen Plänen gemessen werden. Richtig nahe geht der Song mir irgendwie doch nicht. Ich finde, man merkt zu sehr, dass Casper keinen größeren Bezug zu dieser Geschichte hat. Gerade im zweiten Part reihen sich eine Menge Allgemeinplätze aneinander.

Wer schon einmal Kurzgeschichten geschrieben hat, kennt das: Manchmal verfasst man seitenweise Beschreibung von Zeug, das klingt, als gehöre es da hin, weil es die nächstbeste Fantasie visualisiert. Irgendwie passiert genau das hier auch. Casper geht keinen Schritt näher in die Charaktere rein, verleiht ihnen kein Eigenleben, nicht einmal die genauen inneren Gedanken des Täters oder seiner Familie hören wir. Im Grunde verläuft alles so, wie man es sich vorstellt, wenn man in den Abendnachrichten vom Fall gehört hat. Wo ist jetzt der Erkenntnisgewinn oder die künstlerische Vertiefung? Dass das schlimm war? Das hätte ich mir auch ohne Song gedacht.

Seite 6 von 24

Weiterlesen

5 Kommentare mit 2 Antworten