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Pt. 3

Ich hab' ein bisschen hin- und herüberlegt, wie ich das angehe, aber ich denke, ich sollte euch erstmal ein bisschen heranführen, wie das eigentlich klingt, dann, wer die wichtigen Protagonisten sind. Ich glaube, dieser Song zeigt wie ein guter Mikrokosmos, was in diesem Genre so musikalisch passiert:

Um es einmal so richtig unkultiviert zu formulieren: Mexikanische Fuckboys machen den Bad Bunny auf einer Mariachi-Band. Oder zu etwas, das unsere unkultivierten Ohren für Mariachi halten würden. Aber es gibt für mich zunächst zwei wichtige Sachen, die den Stil innovativ und fresh machen: Erstens hatten wir lange keine so richtig organischen Blechbläser, und die drei Jungs im Video zu "AMG" mit den Posaunen rumspringen zu sehen, macht mich irgendwie happy. Zweitens: Viele regional-mexikanische Songs spielen mit einem Gefühl von Session und Live-Auftritt. Das führt dazu, dass viele hier das Mixing nicht so geil finden, aber gerade für etwas, das sehr an modernen Hip Hop andockt, freu' ich mich, mal wieder so richtig Raum für das Organische, Warme zu haben. Natanael Cano habe ich euch ja schon gezeigt, also gebe ich euch noch zwei andere wichtige Namen an die Hand:

Peso Pluma

Dieser Kerl ist sowas wie das aktuelle Gesicht der Corridos Tumbados-Bewegung. Grob übersetzt heißt sein Name "Fliegengewicht", wie im Boxsport, und der ist kein alter OG, sondern ein komplett neues Phänomen. 2020 im Lockdown von einem Label in LA aufgegabelt, hatte Peso Pluma seine ersten erfolgreichen Songs in Mexiko 2021 und 2022, der internationale Blow-Up kam quasi über Nacht hinterher. Mit fünf Songs in den Billboard-Charts ist er inzwischen der Mexikaner mit den meisten gecharteten Songs in den Staaten. Natanael Cano hat ihn erst mit hochgezogen, inzwischen ist Pluma das Zugpferd. Vielleicht weil er den Sound noch einmal radikaler durchzieht, einer der heißesten Feature-Artists der Szene ist und auch schon von Größen wie Karol G oder Nicki Nicole aufgegriffen wurde.

Grupa Frontera

Diese Typen stammen eigentlich aus Texas, haben sich erst letztes Jahr gegründet, sind aber mit ihrem Cumbia- und anders mexikanisch gearteten Covern von populären Latin-Songs so schnell so massiv viral gegangen, dass sie bereits jetzt zu den größten Artists der Welt in reinen Zahlen gehören könnten. Klar, die Lateinamerikaner haben immer etwas YouTube-Vorteil, aber ihre Songs von vier Monaten haben bereits 150 und 250 Millionen Views: Damit liegen Grupa Frontera über dem Level von Bad Bunny, Taylor Swift, Peso Pluma oder sogar BTS und Blackpink. Das will was heißen! Ihr Stil ist dabei denkbar bodenständig, traditionell, aber offen für die Kollaboration, gerade in Richtung Rapmusik. Erst gestern haben sie einen Song mit Bad Bunny persönlich veröffentlicht, der gerade der Nummer-eins-Song auf dem amerikanischen Spotify ist. Das ist mächtig!

Eslabon Armado

Die einzige Gruppe, die es vor dem Lockdown überhaupt schon gab, heißt Eslabon Armado. Dieses Gitarren-Trio aus Kalifornien ist wahrscheinlich die Formation, die am wenigsten mit dem Hip Hop interagiert, aber ich fand sie trotzdem erwähnenswert, auch, weil sie 2021 einen der ersten regionalen mexikanischen Songs in die amerikanischen Charts gebracht haben. Die drei sind zudem wahrscheinlich am ehesten, was man sich unter "regionale mexikanische Musik" vorstellt, aber das ist vielleicht genau der Punkt.

Meine Recherche hat vor allem ergeben, dass der große Turning Point für diese jungen Artists war, dass sie ihre mexikanische musikalische Herkunft viel mehr in den Vordergrund gerückt haben. Diese Band war zu der Zeit, als das passiert ist, heißer Scheiß, und ihr Live-Sound lieferte einen Grund für ihre Viralität. Wenn man es ganz einfach skizzieren will, kann man behaupten, dass auf der einen Seite hispanischer und amerikanischer Rap steht, auf der anderen Seite die akustischen und organischen Live-Sounds von Gruppen wie Eslabon Armado. Und das Ergebnis? Ziemlich fresh, eigentlich.

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