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Kultur ausbeuten, leicht gemacht

Glücklicherweise noch ein bisschen mehr Zeit bekommen wir, um uns seelisch und moralisch auf ein anderes Pamphlet vorzubereiten. Die werd' ich auch brauchen, um bis zur Lektüre den Brechreiz unter Kontrolle zu bekommen, der mich schon angesichts von Titel und Untertitel überfällt:

Möchten wir uns das einmal auf der Zunge zergehen lassen, bitte? Eigentlich nicht, aber es hilft ja nix: "Erfolgsformel Hip-Hop – Ambition und Underdog-Mindset als Erfolgsfaktoren". Ja. Wer läse da nicht sofort: "Kultur ausbeuten, leicht gemacht"?

Manchmal erstaunt mich die Schmerzbefreitheit der Kollegen immer noch. Klar, jeder muss gucken, wo er bleibt. Dass mit (Rap-)Journalismus nahezu kein Geld zu verdienen ist, weiß jede*r, die/der es schon einmal versucht hat. Trotzdem find' ich echt hart, schamlos Ästhetik und Mechanismen einer Kultur zu verhökern und sich dabei noch als deren Vertreter und Botschafter in Szene zu setzen. Ich an deren Stelle müsste ja jeden Morgen den Spiegel einschlagen ... aber Menschen sind offenbar unterschiedlich gestrickt.

"Wir suchen Unternehmen, die unsere Ambition teilen und ein glaubwürdiges Interesse an der Kultur mitbringen", priesen jedenfalls Tobias 'Toxik' Kargoll und Phillip Böndel bei der Gründung ihrer Beratungs-Agentur The Ambition ihre Dienste an. Dass sie daraufhin einen Deal mit dem glaubwürdig interessierten Unternehmen Red Bull eingingen, hätte ich vielleicht noch irgendwie nachvollziehen können, wenn dieser heimlich vonstatten gegangen wäre, in der irren Hoffnung, dass das schon keiner merken wird. Aber nö: Genau diesen Deal mit genau diesem Unternehmen führten sie noch als Beispiel für ihr Geschäftsmodell an.

Ja, ich bin ganz sicher, dass mir dieses Buch noch Einblicke in ungeahnte Abgründe gestatten wird. Noch mehr als die monatlich bei W&V erscheinende Kolumne der Herren Kargoll und Böndel.

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