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Wichtige Recherche

Deswegen habe ich mir vorgenommen, mal das letzte bisschen Ehrenrettung zu betreiben und zu das Match noch einmal auf Musik-Ebene auszutragen. Nehmen wir die beiden relevantesten Alben der beiden: für Manuellsen behaupte ich, dass das "M. Bilal 2010" sein dürfte (wenn auch nicht so eindeutig klar) - bei Bözemann gibt es auf Spotify nur "Das Böze In Dir". Das ist laut Discogs auch sein einziges Album. Fangen wir doch damit an - nachdem ich dieses wunderbare Kampfbanner zusammengeschnitten habe:

Manuellsen - "M. Bilal 2010"

2010 war ein Wendepunkt in seiner Karriere: Er hat schon Signings bei Eko und Samy hinter sich, aber trotzdem noch nicht so ganz eingespielt, was seine Richtung eigentlich sein wird. Das Intro beginnt mit "es zählt bloß, wie viele Schläge er einstecken kann und ob er trotzdem weiter macht, nur so gewinnt man", das ist ein bisschen witzig. Vor allem merkt man auf dem Tape, dass Manuellsen theoretisch ein ziemlicher Allrounder ist, der in viele Genres neben dem Rap, vor allem auch in den R'n'B und den Soul, überzeugend dippen kann.

Das Problem ist eher, dass er nicht zu 100% eine eigene Vision zu haben scheint (das ist vielleicht immer das Problem seiner Musik gewesen, ganz bestimmt nicht das Können). Aber klammert man das aus, hat das Album durchaus gute Dinge zu bieten: "Nachtschicht II" ist ein unerwartet schön getexteter Storyteller, die Azad-Hommage ist rührend verfasst, das Ende drastisch, aber stimmig. Der Titeltrack klingt ein bisschen nach Bushido, aber "50 Cent ist in meiner Hood nicht sicher" ist eine Ansage. Das R'n'B-Duett "Eine Chance" mit Kitty Kat rippt schamlos Chris Brown, und die Vorstellung, wie Manuellsen stundenlang Kitty Kat im Club nach Sex anbettelt, ist so belastend, wie es lustig ist.

Im letzten Drittel geht dem über 70 Minuten langen Album dann irgendwann die Luft aus und zwischendurch sind die Thementracks doch sehr Kinder ihrer Zeit, aber ganz ehrlich? Vor allem bin ich beeindruckt davon, wie vielseitig und unterhaltsam dieses Album dann doch ist. Nicht nur musikalisch, auch darin, wie der Kerl sich gibt: Er kann hier nicht nur Gangster, er kann auch clever, romantisch, kitschig, humorvoll - und er wirkt so viel mehr wie ein echter Mensch, als er heute wirkt. Am Talent hat es diesem Kerl eigentlich nie gefehlt. Mir kommt es vor, als sei er insgesamt daran gescheitert, dass die tatsächliche Musik gerade in der Zeit seitdem ein so massiver Nebenfaktor neben allem anderen Blödsinn geworden ist.

Bözemann - Das Böze In Dir

Jetzt aber zu dem wesentlich faszinierenderen Fall: Ich weiß nicht, was ich von einem Bözemann-Album erwartet habe. Ich wusste nicht viel darüber, außer, dass es sein einziges Tape nach zwei viralen Webvideos ist. Und ich sage das mit vollster Überzeugung: "Das Böze In Dir" ist das wahrscheinlich psychotischste Album, das ich jemals gehört habe. Keine Ahnung, ob ich es gut oder schlecht nennen würde. Der Inhalt ist grauenerregend, aber wie er rappt und wie das alles zusammengestellt ist, ich konnte absolut nicht aufhören, mir das anzuhören.

Bözemann rappt auf diesem Tape so komplett ohne Filter jeden irren Gedanken runter, der ihm einfällt. Rappen meint hier nicht technisch komprimiertes, verdichtetes Storytelling, sondern schwäbelndes Geschrei. Aber trotzdem kommt so etwas wie Storytelling dabei heraus! Ich würde sogar soweit gehen, ihm ein Stück Konzeptalbum zu unterstellen, denn das Narrativ der Songs geht fast nahtlos ineinander über. Das Problem ist eher, worüber er rappt: Die ganze Zeit will er Leute töten, die ganze Zeit will er der Härteste sein, ab und zu kommt eine Frau vor, ich bin mir ziemlich sicher, dass er sie am Ende des Tapes zweimal umgebracht hat.

Es ist lange her, dass Gangster-Rap mir in diesem Ausmaß gruselig vorgekommen ist. Das Ding ist, dass Bözemann hier nicht den Eindruck macht, als würde er eine überspitzte Persona oder gar Horrorcore darbieten. Das ist keine Kunstfigur. Es fühlt sich wirklich wie der ungefilterte innere Monolog dieses sehr instabilen Schwabens an. Ich würde fast soweit gehen, es als eine crazy Form von Outsider-Kunst zu bezeichnen, so bizarr und wild kommt es beizeiten. Manchmal ist er auch ganz witzig, zum Beispiel auf "Im Knast", wo er rappt wie ein gemeiner Ausbilder, der einen Azubi fertig machen will. Nur eben im Knast. Aber auf jede witzige Stelle kommt eine Stelle, in der man hofft, dass dieser Mann keiner Frau näher als hundert Schritte kommen darf.

Fazit

Dieses Album-Battle, das ich aus morbider Neugierde angezettelt habe, war am Ende doch eher ein seltsamer Rückblick in den Rap am Ende der 2000er. Ich hatte meinen Spaß! Abschließend würde ich sagen, dass Manuell offensichtlich der deutlich vielversprechendere Artist ist - er ist in Sachen reinem Handwerkszeug ein beeindruckend guter Allrounder mit einer Menge Talent, dem aber nie so recht der Knoten geplatzt ist. Das Album hat Highlights, kommt aber nie so richtig aus den Genre-Konventionen der Zeit heraus.

Bözemann dagegen ist einfach komplett irre. Der Mann kam wie ein albanischer Chuck Norris, der sich regelmäßig in Bad Canstatt prügelt, in die Szene, hat alle ein Album lang zusammengeschrien - und eigentlich ist es nur absurd, dass er immer noch da ist und nicht längt auf seinen Heimatplaneten zurückgekehrt. "Das Böze In Dir" ist in jeder technischen Metrik das deutlich schlechtere Album, es ist billig, eindimensional und musikalisch relativ primitiv. Aber Jesus, es ist eins der schrägsten und faszinierendsten Alben, die ich in einer Weile gehört hat, einfach nur, weil der Kerl so komplett ohne jeden Filter rappt und entsprechend schonungslos tief Blicken lässt.

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