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Die Causa Bausa

Eine weniger willkommene Überraschung gab es beim Reeperbahn Festival allerdings auch: Weil ihr Headliner Foals kurzfristig absagen musste (einer der Herrschafften hatte in ein Messer gegriffen, autschn), improvisierten die Checker von Warner flugs einen Ersatz für ihre Labelnacht aus dem Boden. Die adäquate Zweitbesetzung für eine britische Indie-Rockband ... kann ja wohl nur ein deutscher Rapper sein.

So weit, so bescheuert. Dass sie bei Warner dann ausgerechnet auf Bausa verfielen, der sich gerade erst mit ekelhaft sexistischen und homophoben Zeilen (im Remix von Stormzys "Vossi Bop") ins Abseits katapultierte: schlimm genug.

Dass sie einen solchen Act ohne jede Rücksprache ausgerechnet den Veranstaltern des Reeperbahn Festivals unterjubeln, einem Festival, das sich in riesigen Lettern KEYCHANGE auf die Fahnen geschrieben hat, offensiv für Gleichberechtigung wirbt und diesem hehren Anspruch (Ziel: ausgewogene Geschlechterverhältnisse im Line-Up bis 2022) schon jetzt ziemlich gut gerecht wird, wohl wissend, dass ein solches Booking zu diesem Zeitpunkt das ganze Engagement in ein seltsames Licht rückt: Es ist eine veritable Frechheit.

Die Krone setzt diesem miesen Move (von dem man sich fragen muss, ob er am Ende nicht auch noch kalkuliert war, um Wirbel zu machen, weil: so blöd und unsensibel kann versehentlich eigentlich niemand sein) nur noch das aus drei, vier Phrasen hastig zusammengezimmerte, an Dürre nicht mehr zu überbietende Statement zur "Causa Bausa" seitens des Labels auf:

"Wir bedauern, wenn sich Menschen durch einzelne Zeilen eines Songs unseres Künstlers diskriminiert fühlen, und stellen unmissverständlich klar, dass bei Warner Music jegliche Form der Diskriminierung keine Chance hat."

Stimmt schon nicht - wir erinnern uns an diese Herren?

"Bei uns gibt es keinen Platz für extremes Gedankengut, sehr wohl aber für die künstlerische Freiheit, solange sie sich innerhalb juristisch legaler Grenzen bewegt und nicht als Hassrede zu bewerten ist."

Naja. Der Straftatbestand "Hassrede" scheint in diesem Land ja ohnehin abgeschafft worden zu sein, wie jüngste Gerichtsurteile vermuten lassen. Also weiter im Text, Drecksfotzen!

"Unsere Künstler müssen sich für ihre Werke der öffentlichen Kritik stellen - keine Frage. Dass aber das gesamte Schaffen eines unserer Künstler aufgrund einer einzelnen, ironisch überspitzten Battle Rap Feature Zeile derartig in Verruf gebracht wird, akzeptieren wir nicht."

Mit völlig unklar, wo da der Battlerap-Kontext gewesen sein soll, der im Übrigen auch nicht jede Entgleisung entschuldigt.

"Warner Music steht für Weltoffenheit, Vielfalt und vor allem Toleranz."

WOW. Nicht wenigstens ein kleines bisschen auch für skrupellose Geschäftemacherei?

"Und wenn einzelne Interessengruppen für sich beanspruchen, entscheiden zu dürfen, welche Musik gespielt werden darf und welche nicht, dann ist das das Gegenteil der Weltoffenheit und Freiheit, für die wir eintreten."

Da geh' ich versehentlich voll mit. Die einzige Interessengruppe, die für sich beanspruchen sollte, zu entscheiden, wer irgendwo auftritt oder nicht, sind meiner Meinung nach die Veranstalter*innen, und die habt ihr, Warner, egal, was ihr hier zusammenschwadroniert, halt einfach mal nicht gefragt.

Aus guten Gründen, nehme ich an. Sie hätten einen Auftritt von Bausa nämlich wahrscheinlich abgelehnt, wie diese Einlassung vom Reeperbahn Festival-Team gegenüber dem Kaput-Mag vermuten lässt:

"Das Reeperbahn Festival ist bunt und bleibt offen für alle. Bei uns gibt es keinen Platz für sexistisches, diskriminierendes, rassistisches, oder anderes extremes Gedankengut, sehr wohl aber für die künstlerische Freiheit, solange sie sich innerhalb juristisch legaler Grenzen bewegt. Das international verbindende Element von Musik ist für uns ein hohes Gut."

"Für das Programm des Reeperbahn Festivals in all seinen Facetten spielt gleichzeitig die kuratorische Freiheit grundsätzlich eine bedeutende Rolle. Vor diesem Hintergrund halten wir es für einen Fehler, dass der Künstler Bausa in der Warner Music Night auftreten wird."

"Bausa wurde von Warner Music nach der kurzfristigen Absage der Indie-Band Foals ohne Rücksprache mit uns oder dem Team des Docks als Spielstätte nachträglich in das Line-Up der Warner Music Night genommen. In der vergangenen 14-jährigen engen Zusammenarbeit mit Warner Music wurden wir bislang in die Auswahl aller Künstler*innen einbezogen. Eine Vorgehensweise wie diese hätten wir uns trotz der Kurzfristigkeit auch für diesen Künstler gewünscht."

An der Gelungenheit der Veranstaltung rüttelte Bausas Auftritt zum Glück nicht. Offenbar war er eh eher vernachlässigbar. Abgesehen von dem Unmut, den er erregte, hab' ich jedenfalls nirgends irgendetwas darüber gehört oder gelesen.

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5 Kommentare mit 4 Antworten

  • Vor 4 Jahren

    Wo genau man im StGB den Straftatbestand der Hassrede jemals hätte finden sollen, könnte der/die Autor/in auch noch einmal klarstellen. Was es nie gab, kann man auch nicht abschaffen. Wie leichtfertig mit vermeintlichen Fachbegriffen ohne jeglichen inhaltlichen Sachverstand herumgeworfen ist echt nicht zu fassen.
    Und auch wenn die Bausa Line inhaltlich berechtigte Kritik erfährt, zeugt das gleichzeitige feiern von Künstlern wie asap rocky, der in gefühlt jeder zweiten Zeile erzählt, wie irgendwelche "dykes" fickt, von echter Doppelmoral.

  • Vor 4 Jahren

    mag bausa auch nicht, aber allein um die totenkopf tragenden gentrifizierenden zausel aus der marktstr. zu provozieren, hat er schon seine daseinsberechtigung. well done warner :D

  • Vor 4 Jahren

    Ist mit homphob ernsthaft diese "sogar Lesben werden umgedreht" - Line gemeint?
    Denn sollte es so sein, hat Warner hiermit leider vollkommen Recht:

    "Unsere Künstler müssen sich für ihre Werke der öffentlichen Kritik stellen - keine Frage. Dass aber das gesamte Schaffen eines unserer Künstler aufgrund einer einzelnen, ironisch überspitzten Battle Rap Feature Zeile derartig in Verruf gebracht wird, akzeptieren wir nicht."

    • Vor 4 Jahren

      Finde die Political Correctness hier allmählich auch mehr als übertrieben/ermüdend. Somit wären ja 80% der Mucke unhörbar.

    • Vor 4 Jahren

      Ich kannte den Part nicht und habe schlimmes vermutet und war dann etwas überrascht.
      Das traurige daran ist, dass man ungewollt in so eine Ecke rutscht in der man sich absolut nicht sieht. Ich habe keine Lust irgendwelchen Sexismus zu relativieren oder echte Homophobie zu verteidigen, aber diese "hysterische" Empörungskultur ist eher kontraproduktiv.

  • Vor 4 Jahren

    Ich wusste gar nicht, dass es den Remix gibt. Und habe mich sogleich gefragt, was Stormzy dazu bringt, zwei so talentfreie Ottos auf diesen Überbeat zu jagen. Aber wird wohl das Lebel entschieden haben.

    Wo das nun homophob sein soll, abseits der erwähnten Line oben, weiß ich auch nicht. Und finde es etwas sehr sensibel. Also wenn wir so Rap rezipieren, dann müssen wir wohl den gesamten Rap der 30 Jahre neu rezipieren. Da ist Eminem angeblich deutlich homophober.