In der Alten Feuerwache Mannheims gab es für Band und Fans nur ein Motto: Tanzen, tanzen, tanzen!

Mannheim (hhu) - Von derlei Kleinigkeiten lässt sich eine Größe des deutschen Indie-Geschäfts wie Frank Spilker noch lange nicht aus der Ruhe bringen. Beim Auftritt seiner Sterne in der Alten Feuerwache Mannheims mangelt es der Gitarre erst mal an Lautstärke, immer wieder stören hässliche Rückkopplungen, die auch Spilker überraschen. Aber nach über 30 Jahren Showbusiness moderiert er das einfach weg: "Wir haben doch die Zeit?" fragt er sein Publikum. Dieses bleibt geduldig und schaut bereitwillig Spilker und seiner neu zusammengestellten Band beim Herumalbern zu.

Es ist bemerkenswert, mit welcher Freude die Band sich auf der Bühne bewegt. Obwohl Spilker, Dyan Valdés (Synths), Jan Philipp Janzen (Drums) und Phillip Tielsch (Bass) erst für das aktuelle Album "Hallo Euphoria" ins Boot geholt hat, verstehen sich die vier Musiker:innen auf der Bühne blind. Immer mittendrin ist aber natürlich Spilker, letztes verbliebendes Gründungsmitglied, der zu Beginn der Konzerts sein "Alienkostüm", einen übergroßen Fake-Pelzmantel trägt. Der wird ihm aber schnell zu warm, verständlich bei der Setlist.

Parole: Tanzbarkeit

Denn wo andere Bands sich auf die neuesten (und im Falle der Sterne äußerst gelungene) Werke konzentrieren würde, hat sich Spilker einmal quer durch die Bandgeschichte gegraben und maximale Tanzbarkeit als Parole ausgegeben. Er und seine Band sind immerhin "im Sternzeichen Disko geboren". Der Utopie "Inseln" nimmt er die Funk-Weirdness und lässt sie stattdessen, mit schlagkräftiger Hilfe von Janzen, als druckvolle Rocknummer neu strahlen. Dieser Behandlung unterziehen die Sterne beinahe alle ihrer Songs. Die Kampfansage an den Neoliberalismus, "Die Welt Wird Knusprig", hat live weniger Swing, dafür mehr Druck. Spilkers Vortrag ist noch mal ein Stück atemloser, während Tielsch den Song immer weiter schonungslos vorantreibt.

So groovt sich die Band durch den Abend. "Aber Andererseits" von 2006 kommt so trocken, wie Indie-Pop sein kann, "Depressionen Aus Der Hölle" vom "Diskoalbum, das kein Diskoalbum ist" vom Album "24/7" klingt in Mannheim weniger verwaschen, dafür noch tanzbarer. Das Publikum stimmt eifrig ein, in den ersten Reihen ist spätestens hier kein Halten mehr. Zu lange mussten sie alle warten, um endlich mal wieder zu Deutschlands tanzbarster Akademikerband zu tanzen. Die Pandemiejahre hinterließen natürlich auch bei den Sternen Spuren. Ein unvorhersehbarer Nebeneffekt war für Spilker die plötzliche Aktualität seines Songs "Du Musst Gar Nix", der gerade noch rechtzeitig, Anfang 2020 erschien. Dieser ist im Original eine Koop mit Pedro und Peter, die offenbar leider keine Zeit für einen Gastauftritt in Mannheim hatten.

Über die Bühne wie Chuck Berry

Macht dem Publikum aber natürlich nichts aus, schon bei der kleinsten Andeutung in Richtung "Du Musst Gar Nix" freut sich die Alte Feuerwache hörbar und wird belohnt: Die Sterne liefern wieder mal astrein tanzbaren Sommerpop, die Leichtigkeit der Lyrics beflügelt die Band, alles fließt locker ineinander über. Ein absolutes Highlight in der eh schon an Highlights reichen Sterne-Diskografie.

Den ganz großen Hit sparen sie sich dann aber doch bis kurz vor Schluss auf. Schon die ersten Akkorde von "Universal Tellerwäscher" sind genug, um das Publikum in Ekstase zu versetzen. Ein bisschen seltsam mutet es an, dass ein Song über die so ermüdende Eintönigkeit des Alltags so gottverdammt tanzbar sein kann. Aber naja, wer kann schon widerstehen, wenn Frank Spilker während des Gitarrensolos seine zwei Meter fünfzig wie Chuck Berry über die Bühne galoppiert?

Da kann nur noch ein Song kommen: "Was Hat Dich Bloß So Runiniert?" Valdés gibt am Synthesizer ihre beste Adaption dieser wunderbar schrägen Orgeln der Sterne in den 90ern, während das Publikum jede Zeile aus voller Inbrunst mitsingt. Im Refrain kann sich Spilker sogar eine kurze Atempause gönnen, während das Publikum voller Nostalgie singt: "Wo fing das an / Was ist passiert / Was hat dich bloß so ruiniert?"

Setlist in Mannheim:

  • Die Interessanten
  • Aber Andererseits
  • Die Welt Wird Knusprig
  • Hallo Euphoria
  • Alles Was Ich Will
  • Gleich Hinter Krefeld
  • Depressionen Aus Der Hölle
  • Du Musst Gar Nix
  • Inseln
  • Der Sommer In Die Stadt Wird Fahren
  • Spilker Immer Mittendrin
  • Big In Berlin
  • Wahr Ist Was Wahr Ist
  • Universal Tellerwäscher
  • Was Hat Dich Bloß So Ruiniert?
  • Wir Wissen Nichts
  • Wichtig

Fotos

Die Sterne

Die Sterne,  | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Sterne,  | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Sterne,  | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Sterne,  | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Sterne,  | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Sterne,  | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Sterne,  | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Sterne,  | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Sterne,  | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Die Sterne,  | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich)

Weiterlesen

laut.de-Porträt Die Sterne

Von wegen 'Hamburg rockt', es swingt und groovet - und zwar gewaltig! Die Sterne scheinen wi(e)der. Frank Spilker (Gesang, Gitarre), Frank Will (Tasteninstrumente), …

Noch keine Kommentare