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Mark Lanegan - "Alles Dunkel dieser Welt"

Worum gehts?

Alles, das wir im vergangenen Jahr über "Sing Backwards And Weep" geschrieben haben, gilt natürlich auch für die deutschsprachige Übersetzung, die erst 2021 erschienen ist: Heißt jetzt "Alles Dunkel dieser Welt", dreht sich aber immer noch um the rise and fall of Mark Lanegan. Eine FSK18-Geschichte über Kontrollverlust und Selbsthass im Windschatten der Nirvana-Explosion: finster, ergreifend und brutal ehrlich. Lanegan, heute Solokünstler, will früh raus aus seinem Redneck-Dorf im Staat Washington und weg von der misshandelnden Mutter. Er kann sein Glück nicht fassen, als er mit Gary Lee Conner einen ungemein begabten Gitarristen kennenlernt, der nicht nur eigene Songs schreibt, sondern auch noch richtig gute. Der Fluchtweg ist in Sichtweite, man gründet eine Band mit Garys Bruder, und das Schicksal meint es gut: Das angesagte Underground-Label SST bietet den Screaming Trees 1986 einen Vertrag an. Hier endet der Spaß für Lanegan allerdings. Die folgenden 13 Jahre mit der Band beschreibt er als tragikomische Irrfahrt mit verhassten Bandkollegen und schlimmen Auftritten. Einziger Bonus: endlose Abstürze mit Groupies, Alkohol und Drogen.

Wer hats geschrieben?

Mark Lanegan, der dunkle Lord des Grunge. Zu 15-Minuten-Ruhm gekommen als Teil des Soundtracks zum auch hierzulande enormen Kino-Erfolg "Singles" mit Matt Dillon und Bridget Fonda im Jahr 1992. Für Lanegans Band interessierten sich schon damals maximal Musiker, einer hieß Kurt Cobain, doch die Industrie zeigte den Trees lieber die kalte Schulter. Der unbändige Hass, den der Blackout-Trinker auf sich selbst richtet und der in eine beinahe tödliche Cracksucht mündet, trifft neben seinen Bandkollegen und Liam Gallagher auch zahlreiche Speichellecker der Musikindustrie, was dank Lanegans beißendem Sarkasmus und deftigem Working-Class-Vokabular unglaublich amüsant zu lesen ist.

Wer solls lesen?

Die Story richtet sich an ein riesiges Publikum, sofern es davon erfährt. Kurz: Ein ideales Weihnachtsgeschenk. Denn versprüht auch der Name Mark Lanegan ähnlich der seiner alten Band Screaming Trees wenig Rock-Tabloid-Glanz, verhält es sich mit Pearl Jam, Soundgarden, Nirvana, Alice In Chains und Queens Of The Stone Age ganz anders, die größtenteils erst nach den Screaming Trees in Seattle loslegten und enge Kontakte zu Lanegan pflegten. "Alles Dunkel dieser Welt" bedient damit einerseits die Sehnsucht der Öffentlichkeit nach Details aus der Dunkelkammer des Grunge. Andererseits kommen all jene auf ihre Kosten, die mit Begriffen wie SST, Sub Pop, Wipers oder Galaxie 500 etwas anfangen können. Und jene, denen Dave Grohls "Der Storyteller" viel zu lebensfroh geraten ist.

Das beste Zitat:

"Ich war fast an der Ecke, als mir plötzlich ein kleiner junger Cop in Jeans und Muscleshirt vor die Füße sprang, mir seine Marke vor die Nase hielt und meinte: 'Moment mal, Freundchen! Wo willst du denn so schnell hin?' Ich hob automatisch die Hände und machte ein möglichst dämliches, ahnungsloses Gesicht. 'Nach Hause, wieso?' Ich zeigte auf das Haus, in dem ich wohnte. (...) 'Okay, Mann, ich will deinen Ausweis sehen.' Ich sah meinen Pass oben auf dem Couchtisch liegen, neben Crackpfeifen und gebrauchten Spritzen. Keine Option. 'Den hab ich nicht dabei. Mein Name ist Mark Lanegan.' Der Cop kniff die Augen zusammen, musterte mich und sagte: 'Warst du nicht mal Sänger?' Nachdem er mich zu seinem Überwachungswagen begleitet hatte, holte er ein kleines Schwarz-Weiß-Foto vom Armaturenbrett: ein Typ, der wegen Autodiebstahl gesucht wurde und mir ähnlich sah. Ich musste es mit seinem Kugelschreiber signieren, dann ließ er uns gehen."

Wertung: 5/5
Text von Michael Schuh

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