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Retrospective

Eines der besten Deep Soul-Alben aller Zeiten kennt fast keine Sau. Lange Zeit konnte man Doris Dukes "I'm A Loser" nicht einmal kaufen. Dieser Millie Jackson-Blueprint, dessen Sound sich dank Sharon Jones & The Dap Kings und so auf Umwege mit Amy Winehouse in die 2000er fraß. Der Longplayer, den Dave Godin, der Mann, der Mick Jagger den R'n'B beibrachte, einst als "das beste Album, das ich jemals gehört habe", bezeichnete.

Ein gallenbitteres Drama voll Schmerz und Pein. Ein Konzeptalbum über die tiefsten Schläge und Narben, die ein Leben im Namen der Liebe bereit halten kann. Storys wie die einer schwangeren Frau und ihres Freundes, die jemand anderen heiratet. Einen Kerl, den sie eigentlich hasst. Weil sie sich bei ihm eine finanziell bessere Zukunft für ihr Kind ausmalt. Oder der mittellosen Frau, deren erster Mann sie wie Vieh behandelt. Als sie denkt, sie hätte einen besserem gefunden, stellt sich der als Zuhälter heraus, der sie auf die Straße schickt und jeden letzten Hoffnungsschimmer in ihr tötet. Bis sie nichts mehr fühlt. Bis sie nur noch sterben will. "I'm A Loser" ist unerbittlich und gemein, erzählt die Geschichtchen der verlorensten Seelen und Underdogs. All dies unterlegt mit Duane Allmans dezenter Gitarre und Robert Popwells perfekt wummernden Bass.

Aber egal, wer die Instrumente spielt oder wer das Album produziert hat (Swamp Dogg), es gehört ganz der in Georgia geborenen Doris Duke und ihrer Stimme. Diese ist zwar weit von der Range einer Aretha Franklin entfernt, aber wohl kaum eine zweite Sängerin hätte diese düsteren Geschichten dermaßen mit Leben füllen können. Ihre aus dem Gospel kommende Stimme lässt jedes Wort ehrlich, persönlich und intim klingen. Voll Empathie spürt sie den Schicksalen nach, gibt die Emotionen weiter. So entsteht ein rauer Meilenstein der Musikgeschichte. In einer gerechten Welt fiele der Name Doris Duke in einem Atemzug mit Otis Redding und Al Green.

Die Rubrik "Retrospective" ist die kleine Schwester des laut.de-Meilensteins. Quasi ein Meilenkiesel. Ein kurzer Rückblick auf vergangene Alben, die es verdient haben, einmal wieder ausgegraben, vorgestellt und gehört zu werden.

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