laut.de-Kritik

Britpop-Spaß auf dem amerikanischen Highway.

Review von

Weiter, immer weiter, der Sonne entgegen. Kula Shaker interessiert es nicht, ob ihre großen Tage hinter ihnen liegen und veröffentlichen unbeeindruckt Alben auf hohem Niveau. Wer ihre wirklich hervorragenden Live-Auftritte schon erlebt hat, weiß um die verlässliche Qualität der ehemaligen Britpop-Darlings.

Sie kamen Ende der Neunziger vor dem großen Absturz des Genres und sorgten noch einmal für ein letztes Aufbäumen, bis sie mit dem überbordenden Wall-Of-Sound-Album Peasants, Pigs and Astronauts Schiffbruch erlitten: Parallel zur Hochzeit des Nu Metals und zwei Jahre nach "Ok Computer" ließ die Band ihr Album sauteuer von Phil Spector produzieren.

Diese Naivität und Bockigkeit gegenüber Trends führten Kula Shaker, von Pausen unterbrochen, konsequent weiter. Die Fans, die auch nach Welthits wie "Tattva" (1996) dabei blieben, bekamen alle paar Jahre eine Mischung aus schönen Sixties-Pop-Melodien, satten Rock-Riffs und immer wieder Crispian Mills Faible für indischen Sound vor die Tür gelegt.

Auch auf dem sechsten Album "Natural Magick" gibt es natürlich wieder virtuosen Orgel-Sound, wahnwitzige Soli und den einen Chrispian Mills, der seine Songs mit inbrünstiger Leidenschaft agiert und euphorische "Yeahs" und "Heys" raushaut, als würde er nicht ein Publikum in kleineren Locations wie dem Bürgerhaus Stollwerk unterhalten, sondern einen Headliner-Gig auf dem Glastonbury Festival spielen. Genau dieser Spaß an der Sache hält die Band am Leben.

Kula Shaker sind längst frei von Erwartungen und auch den Schlingen der Musikindustrie. Übergroße Innovation darf man von einer Band, die schon vor 30 Jahren vom Classic Rock beeinflusst war und nun selbst zum alten Eisen der britischen Rockgeschichte zählt, nicht erwarten. "Indian Record Player" enthält viel "Bababa", "Lalala" und alles was Menschen an den Sechzigern gut fanden. Im catchy "Something Dangerous" gibt es die obligatorischen Tabla-Sounds und alles, was man so zwischen Bangladesh, London und Sacramento aufgeschnappt hat. In "Happy Birthday" ertönt wie erwartet noch indischer Frauengesang. Alles nicht neu, aber funktioniert trotz der bekannten Soundmuster erstaunlich gut.

Im Gegensatz zu den vorherigen Alben schielen die sehr britischen Kula Shaker wieder vermehrt nach Amerika, gerade die Country-Nummer "Give Me Tomorrow" ist dermaßen von Dusty Springfield beeinflusst, dass man die ur-britische Wurzeln schon fast nicht mehr wahrnimmt.

Auch "Kalifornia Blues" huldigt dem sonnigen Sehnsuchtsland. Eine Flugzeug-Durchsage zu Beginn des Songs heißt die bleichen Gäste aus England in dem sonnigen Bundesstaat willkommen, die sich mit einem Happy Feeling-Hard Rock-Trip über den Highway bedanken. Gut möglich, dass der Hippie Crispian Mills vor Augen hatte, wie er mit einem bunt bemalten VW-Bully über den Highway #1 cruist, vorbei an Zypressen-Feldner, am Pazifik mit seinen weißen Strand und durch ur-amerikanische Touristädte wie Santa Barbara. Ein totgerittenes Ami-Klischee zwar, aber eben doch mit genügend Verve vorgetragen: Genau genommen verkörpern Kula Shaker selbst einen Neverending Summer-Of-69-Traum.

"F-Bombs" ist ein unfreiwillig komischer, aber wahrscheinlich doch ernst gemeinter funky Rap-Versuch. "Fuck war, fuck the United Nations / Central fucking banks and their hyper inflation / MI6 up to their tricks / All you mother fuckers you can all suck a dick / Fuck war!". Und schon platzt der Peace-Dream und man sieht sich mittendrin in 2024 und dem Boomer-Truther-Gemurmel. Es kommen auch ungute Erinnerungen nach oben, als Mills vor Jahrzehnten - ohne Absicht, aber eben auch komplett naiv - das indische Swastika auf die Bühne bringen wollte.

Auch sonst gibt es in den Lyrics immer was Puppenspielern und stumpfen Ansagen an die Mächtigen. Wäre doch schade, wenn Mills' loses Mundwerk Kula Shaker wieder in die Bredouille brächte. So bleibt die Band, endlich wieder im Original-Line-Up, einfach ein grundsolider Britpop-Act, der konsequent sein Ding durchzieht und vor allem live auftrumpft.

Trackliste

  1. 1. Gaslighting
  2. 2. Waves
  3. 3. Natural Magick
  4. 4. Indian Record Player
  5. 5. Chura Liya (You Stole My Heart)
  6. 6. Something Dangerous
  7. 7. Stay With Me Tonight
  8. 8. Happy Birthday
  9. 9. Idontwannapaymytaxes
  10. 10. F-Bombs
  11. 11. Whistle And I Will Come
  12. 12. Kalifornia Blues
  13. 13. Give Me Tomorrow

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1 Kommentar

  • Vor 2 Monaten

    Die Zitate aus F-Bombs sind debil. Noch mal: Debil sind sie.

    UND: Finde es grundsätzlich ganz gut, wenn das heute spärliche Feld der politischen Musik nicht vollkommen den angstgetriebenden rechten Verschwörungstrotteln überlassen wird. Nach meinem Empfinden haben diese das leider ziemlich für sich gepachtet. Solange der alte Hippie nicht gegen die falschen stänkert oder Mumpitz verzapft, bekommt das grundsätzlich ein paar Pluspunkte. Trotz Debilität und grundsätzlicher Egalheit der Musik.