laut.de-Kritik

Es regnet Kartoffeln über El Segundo.

Review von

Vor fünfzehn Jahren hieß es noch, die Amis können seinen Namen nicht einmal buchstabieren, heute sollen die Angelsachsen als neue Zielgruppe akquiriert werden. Kollegah hat ein englischsprachiges Album aufgenommen. Von allen sehr angemessenen Fragen, die sich hierzu stellen, wie "Warum?" oder "Warum?!" oder "Heilige Scheiße, warum???" ist die sich im Laufe von "C.B.A." aber am meisten aufdrängende Frage: Für wen soll dieses exorbitant seltsame kulturelle Artefakt eigentlich sein? "Cross-Border Apocalypse", so der Titel ausgeschrieben, klingt wie eine fünfzigminütige Cut-Scene für ein extrem beschissenes Ballerspiel. Kolles Akzent ist so deutsch, verirrt sich dieses Tape aus Versehen in ein Lowrider-Autoradio an der Westküste, wird es an jenem Tag Kartoffeln über El Segundo regnen.

Man muss ja sagen, selbst im Pantheon seiner Alphamann-Psychose, seiner Antisemiten-Psychose und seiner generellen Psychose toppt er hier tatsächlich alles mit der Annahme, dass irgendwelche Amis auf diese Art Musik gewartet haben. Folgendes Problem: Wir hatten zwanzig Jahre Zeit, uns an das Konzept Kollegah zu gewöhnen. Aber die Tatsache, dass da dieses Wikinger-Weißbrot in John Gotti-Cosplay rumsteht und abwechselnd schlechte Wortspiele macht und größenwahnsinnige Lebensweisheiten von sich gibt, das ist als hohe Kunstform gar nicht so intuitiv, wie wir (oder vor allem: Kollegah) annehmen. 

Will heißen: Wenn er ankommt und erwartet, dass sich sein zwanzig Jahre lang in die leicht zu beeindruckenden Psychen von vierzehnjährigen Deutschen gehauener Mythos einfach so auf andere Breitengrade überträgt, ist er wahrscheinlich schief gewickelt. Vor allem, weil Gangster-Rap andernorts kein komischer Witz ist, dürfte sein Larping-Rap (der in zwei Dekaden Irrsinn Schritt für Schritt vergessen hat, dass seine Gangster-Persona auf einem Pen-and-Paper-Charakterbogen basiert) dort noch ungemein peinlicher ausfallen als hier. Aber selbst deutsche Rezipienten stößt diese seltsame Adressaten-Verschiebung mit Wucht auf alles, das je am Konzept Kollegah nicht funktioniert hat. Was meint er denn, was Leute zu ihm sagen werden, mit seinem komischen Clusterfuck an unerklärlichen Image-Rap-Mutationen? "Wow, but did you hear that he studied law?"

Natürlich gibt es auch international Fans von Punchline-Rap. Vielleicht gibt es hier und da ein paar Menschlein, die fragwürdig viel Sympathie für Deutsche in Anzügen haben, die einen deutschen Akzent sexy finden und die bereit sind, sich von Wie-Vergleichen unterhalten zu lassen. Vielleicht schafft er es ja zu King of the Dot oder so. Aber was hat er dann für Lines im Köcher? Sie schwanken. Es sind ein paar dabei, die wahrscheinlich auch für einen englischen Muttersprachler zünden. Aber dann kommen so komische, um die Ecke gedachte Rohrkrepierer wie "You get fucked when you're selfish like a seafood market." Ich sehe Anthony Fantano vor meinem inneren Auge, wie er das Video pausiert, zur Kamera schaut und sagt: "Get it? Sell fish? Like a sea food market?" und einen Lachtrack einblendet. It's not good! Auf jede okaye Line kommt ein Zehnerpack der cornisten Scheiße, die du je gehört haben wirst, garniert mit einer Delivery, so ernst und verbissen und auf beiden Seiten triefend vor deutschem Akzent. Dieses Album ist Kollegahs lustigstes bisher, leider unfreiwillig.

Bei der Frage nach der Sympathie hilft leider nicht, dass Kolle sich mal wieder in seiner besten Alt-Right-Tracht zeigt. Auf dem Song "Molotov" mokiert er sich über Woke-Kultur und gibt Shoutouts an Andrew Tate und Donald Trump. An einem anderem Punkt der Platte heult er darüber herum, dass die deutsche Presse ihn zu Unrecht unterdrückt habe. Es ist die ganze Tour, garniert mit komischen Namedrops an Babylon und Salomon im Intro und Schüssen gegen die Snowflakes. Man rollt die Augen so oft, ich habe nach einem Hördurchgang Muskelkater im Sehnerv. Zu allem Überfluss betont Kolle dann auch noch nonstop mit einem unerklärlichen Stolz, dass er weiß sei. Keine Sorge, Bruder. Man hört es klar und deutlich. 

In dem Fall würde ich aber nicht einmal argumentieren, dass das alles gefährlich sei. Es ist einfach nur auf ganzer Tour bemitleidenswert und cringe. Dieses Album fühlt sich an wie ein Jordan Peterson-YouTube-Kommentar. Das ist Gamer-Musik, das meine ich so abwertend, wie es physisch nur möglich ist. Darüber hinaus fällt es recht schwer, genau auf dieses Album einzugehen. Es ist so erztypisch Kollegah, das eine KI es unkreativ nennen würde. Wer auch nur ein Album von diesem Mann gehört hat, der kennt jeden Song und vermutlich auch jede Line.

Ich für meinen Teil bin ehrlicherweise nie über den Akzent hinausgekommen, aber auf jeder Ebene könnte dieses Album immer noch radikalisierten Kollegah-Jüngern einen guten Ausstiegspunkt bieten. Es ist dasselbe Kollegah-Album wie immer, aber die Tatsache, dass er meint, er könne diese Musik an ein internationales Publikum richten, lässt noch einmal in aller Frische und Deutlichkeit klar sehen, was für ein absurdes und lowkey lächerliches Phänomen dieser Kerl eigentlich ist. Es ist nicht die nächste Psychose, es ist die Summe seiner Psychosen, ein verzweifelter Anbiederungsversuch, der ihn im erfolgreichsten (?!) Falle ins Gruselkabinett des Tom McDonald-Windschattens führen wird.

Lasst euch von der Tatsache, dass das hier problematisch ist, aber nicht von seiner Wackness ablenken. Stellt euch vor allem die wichtigen Fragen. Nämlich: Warum???

Trackliste

  1. 1. Baguettes & Bugattis
  2. 2. Black Rain
  3. 3. C.B.A.
  4. 4. Death B4 Dishonor
  5. 5. Borderlands
  6. 6. Edelweiss
  7. 7. Cold Storm
  8. 8. Dobermann Fass
  9. 9. European Gangsta
  10. 10. Medieval
  11. 11. Molotov
  12. 12. Hailstones
  13. 13. Never Give Up
  14. 14. Rammbock
  15. 15. Battle Over My Soul
  16. 16. Dark Place
  17. 17. 3 AM

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Kollegah

"Kollegah macht Musik für alle, die sich cool fühlen wollen." "Geld machen und ausgeben, großartige andere Interessen hab' ich eigentlich nicht." "Vorbilder …

38 Kommentare mit 59 Antworten

  • Vor 5 Monaten

    Album schlecht.
    Rezenssion schlechter.
    80% Persönlicher Hass des Autoren auf den Interpreten.
    20% Musikbewertung

    Stark.

  • Vor 5 Monaten

    Bis dahin kann man gelegentlich einiges infrage stellen, was Kollegah als Person angeht und wie er mit manchen Künstlern umgegangen ist. Fakt ist, dass man nie zu 100 % weiß, wie es genau ablief.

    Doch kommen wir nun zum Album, das keiner voraussehen konnte. „C.B.A.“ Cross Border Armageddon ist ein Titel, soeben ja, der was aussagen mag, aber auch so belanglos ist wie ein Bildzeitungsartikel. Man lässt sich über den Albumtitel sprechen, ausschlaggebend ist die audiovisuelle Umsetzung.

    Indessen ja, von jemandem, der Kollegah seit Tag 1 verfolgt, der jeden Freetrack, jedes Album von ihm angehört hat, kann aus allerbester Erfahrung darüber sprechen, wie man dieses aktuelle Machwerk inzwischen näher beschreiben soll.

    Ich fange an, zu sagen: „Baguettes & Bugattis“ sind wie „Edelweiss“, „Edelweiss“, „Molotiv“ und „Rammbock“. Das klingt so, als ob Eminem für sein Album Titel wie „Der Blockgangster“, „Der schwarze Vogel“ oder auch „Dunkle Gedanken“ wählt. Es wäre genauso bescheuert, fragwürdig und peinlich, da man eigentlich konsequent bei der eigentlichen Sprache sich daran halten sollte, was man dem Hörer nun mal bieten möchte.

    Die Musik ist ausgezeichnet. Ich möchte Johnny Illstrument nichts vorwerfen. Aber was bringt es, wenn Kollegah mit seinem schlechten Deutsch spricht? Er hat sich schwergetan. Es war so, als hätte er die Texte in Windeseile heruntergeschrieben. So wie damals bei dem „Hoodtape 1“. Dann hat er die Texte in Windeseile geschrieben. Und dann hat er sie in einem Club namens Billionaires Club. Als er das gesagt hat? Er hat nicht gelogen. Er hat den Text in einer Art und Weisen Teils wirkt der Flow so holprig, als würde sprachliche Differenzen auf diversen Beats von sich preisgeben. Cool, lässig ist das auf keinen Fall. Ja, die Texte mögen, gewissen Anspruch mit sich bringen, was die Aussagen angeht, aber wenn die Performance einfach so grauenhaft, abstoßend, arrogant von Kollegah präsentiert wird, bekommt man als wahrer Fan das KOTZEN! Genau so und nicht anders. Ich weiß nicht, hat eine innerliche Stimme zu ihm gesagt, du hast das deutsche Rapgame komplett durchgespielt, wie Montana Black. Hat ihm einer gesagt, mach ein Album mit 18 Tracks, mit deiner Art? War es in etwa so? Geh ins Studio und rappe es ein, aber mach dazu keine Promophase, weil es nur eine Handvoll von Leuten feiern wird? Ich bin vielleicht nicht im Bilde darüber, wie es dazu kam, aber eines ist sicher. Vom „Zuhältertape 1“ bis zu „La Deutsche Vita“, hat er so viele Alben an Start gebracht, die sich wie ein roter Faden durchzogen haben, aber dann das HIER? Wie bitte soll ich als HARDCORE Fan, dieses Album ernsthaft respektieren können, wenn er ernsthaft meint, er könne damit international konkurrieren. Ein Anruf von Dr. Dre zu Eminem, würde genügen und Eminem würde in 2 Wochen im Studio „The Marshall Mathers LP 3“ machen, danach würde Kollegah mit seinem Machwerk „C.B.A.“ abgrundtief versinken. Danach würde er verstummen, denn auch wenn Größenwahn sein Leben übernahm, selbst ein Felix Blume wird merken, wo seine Grenzen sind.

    ZUM SCHLUSS. VERGESSEN WIR DIESES ÜBLE MACHWERK, das ausgekotzt wurde, als ein fragwürdiges Album, keine Ahnung, ich bleibe dabei. ES IST DAS MIT ABSTAND DAS schlechteste Werk von Kollegah. Ich gebe dem Album eine 1/10, weil Johnny Illstrument sich einen Punkt verdient für die top produzierten Beats. In diesem Sinne lasst uns weiter an einem Strang ziehen. Kollegah sollte „JBG 4“ veröffentlichen, dann sieht die Welt wieder ganz anders aus.

  • Vor 5 Monaten

    Dieser Kommentar wurde wegen eines Verstoßes gegen die Hausordnung durch einen laut.de-Moderator entfernt.