laut.de-Kritik

Mit Entschleunigung gegen den Verfall der Welt.

Review von

Wenn man auf den Zustand der Welt im Jahr 2018 zurückblickt – das Jahr, in dem Kat Frankie ihr letztes Album "Bad Behaviour" veröffentlichte - hat sich doch viel verändert. Dass die wenigsten Ereignisse seither Positives hervorgebracht haben, überrascht wohl kaum. Dieser zunehmende Verfall der Welt, wie wir sie kannten, ging auch an Kat nicht spurlos vorüber. Denn nach vier Jahren weitestgehender musikalischer Abstinenz ist "Shiny Things" eine persönliche Abrechnung mit den herrschenden Missständen geworden.

Dabei lebt das bisher tiefgründigste und atmosphärischste Album der Wahlberlinerin von Entschleunigung und Dramaturgie. Kat nimmt sich meist Zeit, um langsam an die Klangwelt ihrer Tracks heranzuführen. So auch beim Opener und Titeltrack "Shiny Things", der sich Stück für Stück ausbreitet und all seine Instrumente sowie Kats Vocals mit himmlischem Hall einhüllt. Das Resultat ist Melancholie, der sich gleichzeitig eine gewisse Schwerelosigkeit entgegenstellt.

Generell profiliert sich Kat auf ihrem neuesten Projekt ohnehin als Meisterin des Mysteriösen. Selbst auf geradlinigeren Songs wie "Natural Resources", einer Kritik an der kapitalistischen Ausbeutung von Mensch und Natur, oder dem von Radiohead inspirierten "Wrong", gelingt es der Sängerin mit subtiler psychedelischer Stilisierung und dem in den Bann ziehenden Gesang ein Gefühlsgemenge aus Unbehagen, Magie und Geheimniskrämerei zu erzeugen.

An keiner Stelle funktioniert das Zusammenspiel der Stilmittel so gut wie bei "Riverside". Der Standout-Track beginnt lediglich mit einigen Synth-Akkorden und Kats abermals gefühlvollem Gesang. Mit eingängigen Drums, ruppigem Bass, Streichern, sphärischen Harmonien, vielen kleinen Sound-Schnipseln und einer stetig intensiver werdenden Vocal-Performance folgen nach und nach mehr Elemente, die durch die Kombination aus viel Anspannung und wenig Entspannung ein intensives Hörerlebnis besorgen.

Weniger gemächlich, dafür umso hypnotisierender und bedrohlicher, geht "The Sea" mit gelooptem E-Gitarren-Riff direkt unter die Haut. Kontinuierlich nimmt die Intensität des langsam voranschreitenden Songs zu, bis die Schwere kaum noch auszuhalten ist. Nicht zuletzt deshalb, weil das Riff immer erdrückender wird, und es selbst in Momenten zurückhaltender Instrumentierung zu keinem Spannungsabfall kommt. Einen ähnlichen Aufbau liefert "Spoiled Children". Während sich der Track ebenfalls auf die Kraft von zerrenden E-Gitarren stützt, prangert Kat nach der politischen Hetze auf "The Sea" nun das 'White Privilege' an.

Auf den letzten beiden Songs der Platte holt sich die Singer/Songwriterin und Produzentin noch etwas Unterstützung ab, nachdem sie sich bis dato allein durch die Fülle an zehrenden Themen gekämpft hat. Unverhofft und recht erfrischend entpuppt sich "Love" mit Fama M'Boup entgegen der bisherigen Betrübtheit als reduziertes Duett, das in seiner Intimität und Schönheit mit inniger Akustikgitarre und emotionalem Gesang sowie hoffnungsvoller Aussage zu Tränen rührt. Lediglich der Closer "Road Movie" mit Kenichi & The Sun befremdet: Es wirkt, als fehle Kat plötzlich die letzte Entschlossenheit, das Album abseits der dramatischen Inszenierung würdig abzurunden.

Dies ändert jedoch kaum etwas daran, dass die gebürtige Australierin ihr fünftes Album mit klarer Vorstellung und künstlerischer Präzision umsetzt. Auf "Shiny Things" kreiert Kat eine Klangwelt, in der man sich sofort verlieren kann. Aber auch abseits der Musik versteht sie es, zu fesseln: Sie regt zum Nachdenken an, spielt mit den Emotionen und ihre Texte fungieren als Ventil für Sorgen. Und trotzdem verliert sie am Ende die Hoffnung nie ganz.

Trackliste

  1. 1. Shiny Things
  2. 2. Spoiled Children
  3. 3. The Sea
  4. 4. Be Like Water
  5. 5. Riverside
  6. 6. Natural Resources
  7. 7. Wrong
  8. 8. Love
  9. 9. Road Movie

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1 Kommentar

  • Vor einem Jahr

    Ich erinnere mich ja immer wieder gerne an ihre "Kat Frankie & Friends play Revolution Songs of Planet Earth"-Revue auf dem Pop.Kultur in Berlin 2018 zurück. Da gab's schon die ein oder andere kleine Bühnensensation zu bezeugen, als sie sich bspw. mit Hendrik Otremba von Messer den "Turnschuh" der Goldenen Zitronen anzog und er zur Überraschung vieler (auch meiner) an beiden Füßen passte wie ein Silikonabdruck.

    Leider schafft sie solche Momente auch mit dem neuen Album zumindest für mich wieder nicht greifbar in eine hochentzündliche Albenatmosphäre zu überführen, wäre im Moment bei 2,5 (bzw. 3 mit Szene- und Underground-Bonus) von 5 Sternen und ja, das fühlt sich auch irgendwie nicht richtig an bei den Wohlfühl- und Lifestyle-Linken von OK Kid mit 2 Sternen nebenan, weswegen ich für die 4 von Herrn Franz aus der Red. schon auch a bisserl dankbar bin an dieser Stelle...