laut.de-Kritik

Die Hauptstadt hat ihre Stimme wieder.

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Für die Schwerfälligen: Ja, Juju ist eine Frau. Und ja, sie rappt. Nachdem das abgehakt ist, können wir uns ja jetzt dem Album widmen. Wie "Bling Bling" beweist, ist ihr das nämlich ziemlich gut gelungen.

Das Solo-Debüt der einstigen SXTN-Hälfte zeigt endlich wieder, was die Berliner Schule so reizvoll macht: Texte aus den Nebenstraßen und Randbezirken des Hauptstadtkessels, in dem Hipster, Armut, Drogen, der Schmerz und die Schönheit des Lebens so nah beieinanderliegen wie nirgendwo sonst in der Republik. Gepaart mit einem ähnlichen In-die-Fresse-Humor, wie ihn einst die Aggros in die Welt trugen. Nur eben mit besserer Rap-Technik und zeitgeistigeren Beats.

Die stellen sich übrigens nicht wirklich als krasse Bretter heraus. Hier und da tut sich eine etwas stärkere Produktion hervor, wie beispielsweise bei "Vermissen" oder "Winter In Berlin". Ansonsten gehen die Beats, alle ausnahmslos aus der Hand von Krutsch, Berliner Ur-Gestein und zuvor auch schon für SXTN verantwortlich, als hörbar, aber unauffällig durch.

Was aber gar nichts ausmacht. Für mehr Beat-Aktionen hätte Juju deutlich vom Gas gehen müssen, und das kann niemand wirklich wollen. Die flext nämlich, was das Zeug hält. Wer auf technischen Rap mit Hang zum Melodiösen steht, findet bei Juju alles, was er oder sie braucht. Schon lange fehlte eine Stimme im deutschen Straßenrap, die so sauber mit einem derart tighten Flow auch noch inhaltlich konsistente Texte liefert. Keine Nonsens-Zeilen, keine komischen getakteten Pausen, keine Nuscheleien. Einfach Rap.

Schon im "Intro" haut Juju so viele Ansagen raus, dass man kaum hinterher kommt. "Und während du wieder monatelang auf mich wichst, hab ich 20 neue Songs und deinen Traum gefickt." Deutsche Rapper watscht sie ab als "so gelangweilt von sich selbst / richtige Spastis, tun auf Held / hätten gar kein Antrieb ohne Geld / genauso krank wie diese Welt". Nebenbei teilt sie auch gegen vermeintliche Feministen aus: "Ihr nennt es Feminismus, ich nenn' es einfach Menschlichkeit / denn im Gegensatz zu euch Heuchlern sind für mich alle Menschen gleich."

Die Berlinerin wechselt fließend zwischen Punches, seichtem Zeitgeist und Liebesliedern. Während sie in "Hardcore High" zu einem clubbig brummenden Bass noch im Rausch festhängt, provoziert sie in hauptstädtischer, zugegeben etwas abgenutzter und durchsichtiger Manier in "Coco Chanel" mit Zeilen wie "Beat droppt so hart wie 'ne Abtreibung". Nur, um danach mit einem ihrer zwei Featuregäste in "Vermissen" ihren Herzschmerz zu verarbeiten. Der AnnenMayKantereit-Frontmann passt gut in den Song und unterstreicht noch einmal die Schlagrichtung Chartplatzierung.

Wohingegen der zweite Featuregast eher irritiert. Juju holt sich - ja, wirklich! - mit Xavier Naidoo jemanden ins Boot, den die meisten wohl schon für musikalisch tot gehalten haben. Auch wenn sich Naidoos Part auch ganz stimmig in "Freisein" einfügt, verwirrt seine Präsenz doch mehr, als dass sie zur Abrundung von "Bling Bling" beiträgt.

Juju aber kriegt die Kurve. Sie fertigt mit beiläufigen Onelinern wie "Dein letzter Text war ein Fehlkauf" Konkurrenten ab, droppt luftig leichten, in Anführungszeichen, Afrotrap-Zeitgeist mit "Sommer In Berlin", reißt mit "Live Bitch" jede Konzerthalle ab und unterhält auf Albumlänge. Besonders "Winter In Berlin", der letzte Song der Platte, sticht mit seiner kühlen Erzählperspektive in dezenter Tretti-Manier ins Auge: "Winter in Berlin ist wie ein anderes Jahrtausend / neben der Moschee am Görli kannst du Gras kaufen, bis die Flüchtlinge vor den Bullen weglaufen / in der U7 kannst du Crack kaufen, in der U8 Heroin / Probleme einfach wegsaufen / in der Oranienburger Straße dein Geld gegen Sex tauschen."

Ein Meilenstein des Deutschraps wird "Bling Bling" wohl nicht. Dafür sind Produktionen und Themensetzung des Albums etwas zu stark am Zeitgeist und vorderer Chartplatzierung orientiert. Trotzdem liefert Juju mit ihrem Solodebüt ein unterhaltsames Album, das es so schon seit längerem nicht mehr gegeben hat: leidenschaftlicher Straßenrap, direkt aus der Hauptstadt. Während sich Hängengebliebene noch darüber aufregen, dass die tighten Raps jetzt von Miniröcken kommen, hat Juju übrigens schon den Wodka geext und sich ans nächstes Album gesetzt.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Hardcore High
  3. 3. Coco Chanel
  4. 4. Vermissen feat. Henning May
  5. 5. Sommer In Berlin
  6. 6. Hi Babe
  7. 7. Live Bitch
  8. 8. Ich Müsste Lügen
  9. 9. Freisein feat. Xavier Naidoo
  10. 10. Bye Bye
  11. 11. Bling Bling
  12. 12. Winter In Berlin

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