laut.de-Kritik

Abwechslungsreich, überlegt und gar nicht prollig.

Review von

"Aus'm Weg, wenn ich rap'!" Jonesmann schätzt offenbar klare Ansagen. Wer nach der üblichen Einführung im Stil von "es hat lange gedauert, aber jetzt bin ich hier" ein vor Battlestyles berstendes Album erwartet, bekommt ein nasses Handtuch um die Ohren - ganz so einfach macht es der Frankfurter sich und uns nämlich nicht.

Klar, wie jeder andere MC, der auf sich hält, stilisiert sich auch Jonesmann zum Storyteller Nummer Eins, zum größten Womanizer und (insbesondere im Verbund mit Azad) zum derbsten Viech aller Zeiten hoch. Solches gehört dazu, das möchte man auch gar nicht missen. Um so erfreulicher trotzdem, dass sich hier einer nicht scheut, auch leise Töne zuzulassen. Während viele andere ebenso krampfhaft wie vergebens die dünnen Strähnen vermeintlicher Coolness über die Glatze der Verletzlichkeit kämmen, gestattet Jonesmann lässig einen Blick in sein Seelenleben: Warum aufregen? Aus Wunden werden Narben, und die liefern immer noch den besten Beweis für Überlebensfähigkeit.

So erfahren wir über Männerfreundschaften ("Homie"), den Bruder ("Bruderliebe Pt. 3") und die Liebste ("Mehr Für Mich"). "Nachts" ist die richtige Zeit für ausgiebige Selbstreflektionen, und "Verlorene Kraft" tritt den Beweis an, dass Gedichte noch lange nicht ausgedient haben: Mit Ausnahme einiger weniger Geräusche, entferntem Donner oder etwas Wind, basiert der Track ausschließlich auf dem Spiel mit der Sprache, mit Rhythmus und Reimen, und erinnert, wenn auch weitaus persönlicher gehalten, an Torchs "Flammenden Ring".

Jonesmann geht gefühlvoll zur Sache und bleibt dabei erstaunlich unpeinlich. Zur Abwechslung zieht es einem hier auch mal nicht die Socken aus, wenn für die Hooklines von den Reimen zum Gesang gewechselt wird: An Samson Jones ist bekanntermaßen ein Sänger verloren gegangen. Wenn er verkündet "Nach diesem Album geh' ich R'n'B und sing dann für Mädchen" ("Kein Platz"), halte ich das für nicht ansatzweise so abwegig wie die offensichtlich weit verbreitete Ansicht, die Ladies der Welt stünden ohne Ausnahme auf süßlichen Schlafzimmersound.

Dabei mögen wir's ab und an doch ganz gerne dreckig. Es ist ja nicht so, dass wir keinen Spaß daran hätten, wenn die Giganten einmarschieren oder "Der Soldat James Rhyme" durch einen Sumpf aus Filmzitaten robbt. Schade nur, dass Jonesmann den eigenen Stil für die finsteren Seiten noch nicht gefunden hat: Viel zu stark ahmt er in den harten Passagen in Flow und Betonung Kollegen Azad nach - und der ist ihm in der Disziplin "grollende Wut" einfach noch immer eine Nasenlänge voraus ("Wir Klärn Des Hier").

Sti, P. und Phrequincy an den Reglern: Die durchgehend hohe Qualität der Beats verwundert nicht wirklich - wohl aber zuweilen die Zuordnung. Der soulige Touch in "Homie" passt wunderbar, ebenso Phrequincys Kombination aus sattem Bass und verhaltenem Piano in "Bruderliebe". Schön und gut, einen Lovesong des Kalibers "Mehr Für Mich" mit satten, ins Genick gehenden Handclaps zu unterlegen, wer sagt denn, dass solcherlei immer leise und verspielt klingen muss? Aber warum zur Hölle verleiht man dem "Bär" nicht eine Spur mehr akustische Gewalt? "Ich bin böse, ziele und schieß ... ich fick eure Perlen und bewerf sie mit Mist" funktioniert über einem (an anderer Stelle nicht uninteressanten) feingliedrigen Synthiefundament eher schlecht.

Dennoch sehe ich mich zum ersten Mal seit langem von meiner eigenen Review überrascht. Ich stelle fest: "S.J." gefällt mir weit besser, als ich ursprünglich dachte. Abwechslungsreich, überlegt und gar nicht prollig, mit einer ausgewogenen Mischung aus Introvertiertheit und gesunder Hau-Drauf-Mentalität. Wenn Jonesmann es künftig noch schafft, an den wütenden Stellen wie ein erboster Samson und nicht wie ein Nachwuchs-Azad zu klingen, hätte ich, glaube ich, lieber doch erst noch ein weiteres Rap-Album, bevor der R'n'B "für Mädchen" an der Reihe ist.

Trackliste

  1. 1. S.J.
  2. 2. Bis Der Letzte Fällt
  3. 3. Nachts
  4. 4. Kein Platz
  5. 5. Nenn Mich Jones
  6. 6. Der Bär
  7. 7. Homies
  8. 8. Skit
  9. 9. Wir Klärn Des Hier feat. Azad
  10. 10. Mehr Für Mich
  11. 11. Der Neue Shit
  12. 12. Bruderliebe Pt. 3
  13. 13. Verlorene Kraft
  14. 14. Brücken
  15. 15. Long Iceland Ice Tea
  16. 16. Der Soldat James Rhyme feat. Azad

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Jonesmann – S.J. Limited Edition €4,18 €3,00 €7,18

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Jonesmann

Nach den erfolgreichen Features auf Azads "Der Bozz" und Olli Banjos "Sparring" stand der Deutschrap-Newcomer des Jahres 2004 eigentlich recht schnell …

Noch keine Kommentare