Tango ist fordernde Leidenschaft, Sehnsucht, Melancholie und natürlich das Spiel zwischen Mann und Frau. Er erzählt von der gescheiterten Liebe, von gesellschaftlichen Missständen, von erotischer Leidenschaft, vom Kampf des Lebens, von schmerzlichen Gefühlen, dem der Prostituierten verfallenen Jungen und dem der Prostitution verfallenen Mädchen.

Heute ist insbesondere der Standardtanz Tango mit seinem geraden, von der europäischen Polka beeinflussten 2/4 oder 4/8-Takt auf der ganzen Welt verbreitet. Die synkopierten Rhythmusmotive sorgen ebenso für das erotisch-strenge Erkennungsmerkmal des Tango wie das allgegenwärtige Bandoneon, ohne das sich kein Tango Tango schimpfen darf.

Über die Herkunft des Wortes Tango gibt es nach 1800 erste schriftliche Belege, die Tango als südamerikanisches Synonym für Feste der versklavten Afrikaner beschreiben. Der Tango, wie wir ihn heute kennen, beginnt sein irdisches Dasein Ende des 19. Jahrhunderts. Einwanderer aus Europa und die in Argentinien zunehmende Urbanisierung der Bevölkerung sorgen in der Metropole Buenos Aires für ein buntes kulturelles Neben- und Miteinander.

Das bleibt musikalisch natürlich nicht ohne Folgen. Europäische Lieder, Rhythmen und Tänze treffen auf argentinische Musiktraditionen. In diesem Kontext formt der Tango sein heutiges Erscheinungsbild aus. Die Tangoensembles seiner Zeit bestehen aus Violine, Gitarre und Flöte. Erst als das aus Deutschland importierte Bandoneon den Bandklang komplettiert, ist das klassische Tangoorchester geboren.

Eine der ersten international erfolgreichen Tangonummern ist das von Angel Gregorio Villoldo (1868-1919) komponierte "El Chóclo", das 1905 um die Welt geht. Als außerargentinische Tangometropole entpuppt sich das französische Paris. Von hier aus beginnt der Tango seinen Siegeszug durch Europa. Und hier mutiert der argentinische Volkstanz Tango zum Gesellschaftstanz. Das ist vor allem dem in Paris arbeitenden Tanzlehrer Camille de Rhynal zu verdanken, der 1907 in Nizza ein erstes erfolgreiches Tangoturnier veranstaltet.

Die mit dem Tango verbundene tänzerische Erotik und Exotik ruft jedoch alsbald die Sittenwächter auf den Plan, die in den "unschicklichen Negertänzen" eine Verwilderung der Sitten sehen. Dazu trägt u.a. die Herkunft des Tango bei, der in den Rotlichtbezirken von Buenos Aires seinen Ursprung nimmt. Aber auch an den erotischen tänzerischen Bewegungen nimmt die Sittenpolizei Anstoß.

Dennoch gelingt es nicht den Vormarsch des Tango aufzuhalten. Bis etwa 1912 hat er sämtliche europäischen Metropolen erobert und bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges spiegelt sich die Popularität des Tango in zahlreichen Tango-"Moden" wieder. Während in London der Tango-Tea (Five O'Clock Tea) erfunden wird, frönt man anderenorts den Tango-Frisuren, -Schuhen oder -Parfüms. In Paris erfindet man das bis heute typische Tangokleid, das durch einen langen seitlichen Schlitz das Bein der Dame freilegt. Dies nicht nur aus erotischen Gründen, sondern auch wegen der Ausführbarkeit der Tanzschritte.

In seiner südamerikanischen Heimat nimmt der Tango ebenfalls ein bestimmende Rolle im Musikgeschehen ein. Um etwa 1920 haben sich die ersten Tango-Stile herauskristallisiert: der Tango Milonga (instrumental), der Tango Romanza (instrumental oder vokal) und der Tango Canción (vokal). In der Folgezeit etabliert sich der Tango zunehmend als Sprachrohr für die Probleme gesellschaftlicher Minderheiten. Etliche Tango-Sänger und -Autoren müssen ihr Land verlassen und protestieren mit ihren Liedern aus der Emigration.

Aus der inhaltlich gemäßigten und politisch erlaubten Variante des Tango kristallisiert sich Carlos Gardél (1887 - 1935) als populärster Vertreter heraus. Auf sein musikalisches und filmisches Vermächtnis greift u.a. die exzellente Neotango-Formation Otros Aires, die sich ab 2005 in Szene setzt, zurück und arbeitet auditive und visuelle Gardél-Samples in ihre Stücke ein.

Im Tango-Kontext nicht unerwähnt bleiben darf Astor Piazzolla (1921 - 1992), der aus der künstlerischen Entwicklung des orchestralen Tango nicht wegzudenken ist. Seiner Schaffenskraft sind einige Tango-Klassiker zu verdanken, ohne die die Welt bedeutend ärmer wäre. Er ist es auch, der in den 70er Jahren die E-Gitarre im Tango etabliert. Die wohl bekanntesten "Volks"-Tangos sind jedoch "La Cumparsita" (Gerárdo Mattos Rodriguez, 1917) und "Adiós Muchachos" von Julio César Sanders (1928).

Nach dem ersten Weltkrieg taucht der Tango in Europa in veränderter Gestalt wieder auf. Er ist sanfter, weicher, verhaltener und langsamer geworden und man spricht jetzt statt vom Tango Argentino vom Tango Milonga. Die deutsche Variante gipfelt in den bis heute gültigen Schlagern "Ich Küsse Ihre Hand Madame" (1928), "In Einer Kleinen Konditorei" (1928) und "Capri-Fischer" (1946).

Auch auf tänzerischer Seite tut sich einiges. In England finden ab 1920 mehrere Konferenzen statt, die sich der Standardisierung der Schritte widmen. 1929 ist es endlich soweit und die zum Teil bis heute gültigen Kombinationen erobern die Tanzcafés. Der Tango zählt nun zu den Standardtänzen.

Während der 30er Jahre erobern einige Tango-Filme die Lichtspielhäuser und weitere Tango-Kompositionen die Herzen der Menschen. Trotz seiner Herkunft darf der Tango auch während der Nazizeit getanzt werden, doch nach dem zweiten Weltkrieg verliert er an Popularität. Erst in den 60er Jahren kehrt er mit dem "Badewannen Tango" und dem "Kriminaltango" wieder in die Charts zurück.

In den 70er und 80er Jahren öffnet sich der Tango moderner Popularmusik und integriert Rock- und Jazzmusikelemente ebenso wie E-Gitarren, Synthesizer und Schlagzeug. Die 90er sind, wie in vielen anderen Genres, auch im Tango geprägt von der Wiederentdeckung durch Elektronikkünstler, die etliche Original-Samples in ihre Dancefloor-Attacken einarbeiten und die Entwicklung des Neo-Tango vorantreiben.

In den 2000er Jahren findet diese Entwicklung ihren ersten Höhepunkt in den äußerst erfolgreichen Tango-Projekten Otros Aires, Bajofondo Tango Club, Narcotango, Bassa und Gotan Project, die von der hohen Qualität des inzwischen ausgereiften Neotango berichten.