9. Juli 2004

Spider Murphy Gang? Na klar! Münchner Freiheit? No way!

Interview geführt von

Gitarrist Nick McCarthy, geboren in England, aufgewachsen in Deutschland und berühmt geworden in Schottland, trägt keine Sonnebrille, dafür sitzt sein Haar perfekt. Gel rein und zurück damit. Aus dem Backstage-Grünbereich inklusive Red Bull Chill Area verziehen wir uns mit ihm vor das ehemalige Hangar-Gebäude. Nick fragt: Wollt ihr das Interview auf deutsch oder auf englisch machen? Gute Vorzeichen. Kurzes Vorstellen, Online-Magazin Konstanz, schneller Warm Up-Small Talk, während die Technik aufbereitet wird: gestern waren Franz Ferdinand auf dem Glastonbury, größtes UK-Festival, Headliner Paul McCartney und Oasis.

Nick, wie war's?

Nick: Ja super. Aber mei, ich war schon ziemlich aufgeregt, muss ich sagen. Es war eben das erste Festival dieses Jahr und dann auch noch gleich Glastonbury. Prompt haben wir uns auch ziemlich verspielt, naja, so schlimm war's zwar nicht, aber schon ganz schön schräg.

In beinahe jedem Interview werdet ihr nach eurem Bandnamen gefragt. Geht einem das nicht irgendwann so auf den Sack, dass ihr euch manchmal wünscht, einen anderen gewählt zu haben?

Naja, die ständige Fragerei nervt schon ziemlich. Das kann keiner von uns mehr hören. Überlege also gut, was du gleich fragst. Aber deswegen bereuen wir es nicht, denn der Name ist gut. Den hat einfach jeder schon mal gehört, da kommt man in der Schule ja gar nicht daran vorbei. Deswegen sage ich dazu auch nix mehr.

Es gibt da eine amerikanische Electro-Punkband namens Atom & His Package, die kürzlich darüber nachdachte, sich den Namen des Franz Ferdinand-Attentäters zuzulegen, und dann in jeder Stadt aufzutreten, in der ihr spielt. Schon davon gehört?

Ja. (lacht) Auf die Idee kamen schon mehrere. Die erste und wie ich glaube einzige Franz Ferdinand-Coverband aus Glasgow nennt sich auch Gavre Princip, wie der bosnische Schüler damals. Eigentlich schon der Hammer, eine Franz Ferdinand-Coverband, dabei gibt's von uns ja nur ein Album.

Guter Punkt: Habt ihr während eurer nicht enden wollenden Erfolgstour rund um die Welt eigentlich noch Zeit für neue Songs?

Wir schreiben schon Songs auf Tour, aber über den Status von Songskizzen geht das dann nicht hinaus. Denn um die neuen Ideen richtig umzusetzen und über Arrangements nachzudenken, musst du eben doch in ein Studio und dafür fehlt momentan wirklich die Zeit. Wir haben ein paar Sachen mit Gitarre und Keyboard beisammen und im Januar und Februar gehen wir damit wieder ins Studio.

Amerika liebt euch auch schon, oder?

Ich weiß nicht, aber es war schon eine coole Erfahrung. Wir haben in ziemlich vielen Clubs gespielt, und teilweise haben sich da schon seltsame Szenen abgespielt. Viele Leute kennen uns dort schon, wir haben da echt eine Menge Fans, die teilweise auch recht verrückt sind. Mädchen am Hotel und so. Naja, aber die meisten sind wirklich nett (grinst ein wissendes Lächeln).

Stimmt es, dass euer Debütalbum mittlerweile eine Million Mal verkauft wurde?

Ja (lacht peinlich berührt). Das ist alles so verrückt. Wir waren gerade in L.A., als wir davon erfuhren. Plötzlich kam die Plattenfirma rein und karrte 20 Flaschen Champagner an. Aber wir waren alle total fertig von den ganzen Shows und allem und wollten eigentlich nur noch ins Bett (lacht). Und die Million Platten, mei, es war uns eigentlich scheißegal.

Eure Videos sind sehr stylish und erwecken den Eindruck, von ein und demselben Regisseur angefertigt zu sein.

Das stimmt aber nicht. Die Wahrheit ist, dass wir als Band einfach großen Einfluss auf unsere Videos nehmen. Es ist großartig, dass man heutzutage als Musiker die Möglichkeit hat, diese Form zu nutzen, um ein Bild von sich zu gestalten. Dazu gehört ja auch das Cover-Artwork, auf das wir viel Wert legen. Das Video zu "Matinee" hat zum Beispiel Marc gemacht. Das ist der Regisseur, der auch dieses eine Radiohead-Video gedreht hat, dieses Wahnsinnsteil im Wald ("There There", Anm. d. Red.). Ich weiß leider nicht, wie er weiter heißt. Naja, jedenfalls wurden wir dadurch auf Marc aufmerksam.

So läuft es meistens. Es gibt nämlich auch Regisseure, die wollen nur ihr eigenes Ding machen und hören sich den Song null an. Das verstehe ich überhaupt nicht. Ich meine, die Songs erzählen doch oft schon eine Geschichte, und viele Regisseure interessiert das überhaupt nicht, dabei kann das Video eigentlich gleich dort anknüpfen.

Und wer ist Michael? Artig bedanke ich mich bei der Gelegenheit für Franz Ferdinands schöne Hommage an meinen Vornamen, die schönste eigentlich seit Philipp Boas "This Is Michael".

Ach, das ist so ein Typ aus Glasgow. Ihr werdet ihn bald persönlich kennenzulernen, denn er spielt in unserem neuen Video "Michael" mit, das wir morgen in Berlin drehen. Ich weiß wieder nur, dass der Regisseur Uwe heißt und aus Köln kommt. Ich kann mir Nachnamen einfach nicht merken.

Wie kamt ihr auf Uwe?

Ich glaube jemand hat ihn vorgeschlagen, und dann haben wir miteinander telefoniert und uns seine Ideen angehört. Das passte ganz gut zu unseren Überlegungen, und so haben wir zugestimmt.

Ich habe euch in München vor 2.500 Zuschauern gesehen. Die Vorgeschichte zu diesem Auftritt steht irgendwie exemplarisch für euren kometenhaften Aufstieg: zuerst für's Atomic Café gebucht, wurde euer Auftritt schon nach ein paar Wochen ins Metropolis verlegt und schließlich in die große Elserhalle. Gurly hat euch drei Tage darauf in Zürich vor 400 Leuten gesehen ...

Woah, ihr ward in München und Zürich? Cool. Ja, München war natürlich der Hammer. Da waren so viele Freunde von mir, ich wusste anschließend gar nicht, mit wem ich zuerst reden sollte. Danach waren wir noch auf einer After Show-Party und dort hingen natürlich noch mehr Bekannte rum. Und Zürich war ja auch super, dieser kleine Club, das hat verdammt Spaß gemacht. Da freut man sich natürlich immer, wenn man die Gesichter unmittelbar vor sich hat.

Aber hey, es macht natürlich auch Spaß auf Festivals zu spielen, das ist ja logisch (lacht). Im Atomic haben wir vorher schon mal gespielt, das kenne ich natürlich noch aus meiner Zeit in München. Mit Embryo habe ich da auch schon mal gespielt. Kennt ihr die?

Ist das nicht diese alte Krautrock-Band?

Genau, die gab's schon in den 70ern. Da war ich früher Teilzeit-Musiker, bevor ich nach Glasgow gegangen bin. Super Band. Müsst ihr euch mal ansehen. Die spielen heute noch zusammen.

Wann bist du denn nach Schottland gegangen?

Vor ungefähr zweieinhalb Jahren.

Du sprichst also zwei Sprachen perfekt?

Naja, ich musste erst mal richtig Englisch sprechen lernen, weil ich ja nur so komisches Englisch konnte, wie eben meine Eltern gesprochen haben, also quasi 30 Jahre altes Englisch. (grinst) Da haben sich natürlich alle totgelacht, und ich musste erst mal lernen, wie man wirklich Englisch spricht.

Warum hast du in Zürich denn keine deutschen Ansagen gemacht, hattest du Angst vor dem Schwitzerdütsch?

Hab' ich nichts gesagt? Ach weißt du, mei, dann ist mir halt nichts eingefallen, mir fällt halt nicht immer was ein, und dann sage ich an lieber nix. Mit der Schweiz hatte das nichts zu tun.

Zwischen den Gigs in München und Zürich wart ihr noch kurz in Manchester und habt als Vorgruppe von Morrissey vor bestimmt 12.000 Zuschauern gerockt. Verliert man da nicht die Bodenhaftung?

Hmm, frag' doch mal meine Bekannten in München, mit denen ich neulich nach dem Konzert nicht gesprochen habe. Die sagen jetzt bestimmt "Ha, und jetzt ist er arrogant geworden" (lacht). Nein, ich denke, wir haben uns alle ganz gut im Griff, was irgendwelches Star-Gehabe betrifft. Das passt einfach nicht zu uns. Und wenn man öfter bekannte Stars trifft, merkt man schnell, dass die auch ganz normal sind. So geht euch das ja bestimmt auch, wenn ihr oft Interviews mit Musikern macht, oder? Na jedenfalls ist Morrissey ein völlig normaler Typ. Den haben wir schon beim NME Roundtable kennen gelernt. Das hat natürlich vor allem meine Kollegen beruhigt, die ihn noch von früher verehren. Es war sehr lustig zu sehen, wie aufgeregt die waren (lacht). Bei mir war das nicht so, denn die Smiths gab es in Rosenheim ja nicht (lacht).

Na und Noel Gallagher haben wir auch kürzlich getroffen und er hat uns auch sehr höflich zu unserem Album gratuliert. Schon verrückt. Aber solche Sachen passieren ständig. Ich fand es zum Beispiel eine große Ehre, als der Guardian uns angeboten hat, ein paar Seiten zu editieren. Wahnsinn!

Wer ist denn dein alter Star aus Rosenheimer Zeiten, den du noch nicht getroffen hast?

Hmm, das wäre dann wohl David Bowie. Das hat bislang noch nicht geklappt. Aber bald spielen wir zusammen mit ihm. Mal sehen. Vor einiger Zeit hat er uns eine E-Mail geschrieben, in der stand, dass er unsere Platte gut findet. Nett, oder?

Sehr nett. Aber kriegt man in dem Moment, wo man eine Mail von Bowie öffnet, nicht Schiss, mit dem zweiten Album zu floppen?

Nein, irgendwie beunruhigt uns das überhaupt nicht. Das erste Album ist zwar ziemlich schnell aufgenommen worden, aber die Sachen haben wir alle schon lange davor live gespielt. Und eingespielter als nach diesem Jahr sind wir wohl nie wieder, so dass das wir uns vielmehr schon auf den Studiotermin freuen.

Wenn du in München aufgewachsen bist, dann kennst du sicher auch die Spider Murphy Gang, die gerade 25-jähriges Bühnenjubiläum feierte. War das ein großer Einfluss für dich, ich meine, gerade die Art wie du die Gitarre spielst und dich bewegst?

Klar, Spider Murphy Gang, super Band. Selbstverständlich war das ein großer Einfluss für mich (lacht).

Darf ich das auch zitieren?

Sicher darfst du das, aber lass mich bitte noch sagen, dass die Münchner Freiheit definitiv keinen Einfluss auf mich ausgeübt hat! (lacht)

Letzte Frage: Daft Punk haben kürzlich "Take Me Out" geremixt. War das eure Idee?

Nein, das hat unser Label initiiert. Schöne Idee und auch wieder 'ne große Ehre.

Ich habe gelesen, der Song soll vorerst nur als DJ-12" in England und in Frankreich erscheinen. Wieso das?

Oh, so genau weiß ich das gar nicht. Aber wart' einfach mal ein bisschen ab, wenn er vielen Leuten gefällt, dann taucht er bestimmt irgendwann auch auf regulären Releases auf. Ich habe ihn neulich mal gehört. Is' halt typisch Daft Punk, die haben den Song quasi belassen wie er ist und 'nen fetten Wums druntergelegt. Hinten noch ein paar Loops dran, fertig. Aber trotzdem sehr schön.

Okay Nick, dann viel Spaß auf der Bühne nachher.

Danke. Grüßt mir Konstanz und München.

Das Interview führten Gurly Schmidt und Michael Schuh.

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