laut.de-Kritik

Willkommen im Martyrium.

Review von

In "Engine Of Hell" thematisiert Emma Ruth Rundle auf schmerzliche Weise ihre Kindheitstraumata und dunkle Zeiten. Anders als ihre vorherigen Kollabos wie die Sludge-Metal-Band Thou und Solo-Projekte, die auf atmosphärisch-halligen Full-Band-Arrangements basierten, ist ihr sechstes Studioalbum eine Stripped-Down-Version, das sich auf ihre intime Stimme, ihr erst-gelerntes Instrument Klavier, Akustikgitarre und wenige weitere Extras verlässt. Damit trifft Emma direkt in die Bauchhöhle und hinterlässt das Gefühl, reglos auf eine weiße Wand starren zu müssen und nichts zu spüren.

Emma hat sich dazu entschieden, für "Engine Of Hell" die Takes zu nehmen, bei denen die Emotionen, die sie vermitteln will, am intensivsten herauskommen. Auch wenn dafür kleinere musikalische Fehler oder Unebenheiten mit drauf sind. Bisher spielte sie auf keinem Album Klavier – hier dafür umso mehr. Ihre Oma, bei der sie aufgewachsen ist, brachte ihr das Klavierspiel nah. Durch das Verarbeiten von Kindheit- und Jugenderfahrungen habe ihr die Konzentration auf das Klavier das Portal zu dieser Zeit geöffnet.

Mit dem von Disharmonien durchzogenem "Return" eröffnet Rundle ihr düsteres Werk. "A rich belief that no one sees you / Your ribbon cut from all the fates and / Some hound of hell looking for handouts / The breath between things no one says". Willkommen im Martyrium. Top-Kommentar unter dem Video: "This album is going to hurt like hell, isn't it?". Jap.

In "Body" thematisiert Emma Ruth den Tod einer geliebten Person, vermutlich den ihrer Oma. Zu beißenden Intervallen und männlichen Backing-Vocals singt sie mit sanfter Bruststimme "You said your arms were always around me", bevor sie später in zerbrechlichem Falsett feststellt: "I can’t feel your arms around me anymore".

Mit den Gefühlen, die sie als kleines Mädchen hatte, setzt Emma sich in "Blooms Of Oblivion" auseinander. Das unter Eigenregie geführte Video visualisiert den Akustik-Gitarren-basierten Song: sie und eine jüngere Version ihrer selbst schweben in einem schwarzen Nichts umher. Das Mädchen bekommt einen viel zu großen Mantel angezogen, als Symbol für die schweren Lasten, die es in seinem jungen Alter tragen muss. Am Ende des Videos sieht man die jetzige Emma in Farbe mit grellem Hintergrund genau den Mantel ausziehen, den das kleine Mädchen angezogen bekommen hat.

Auch "The Company" wird von der Akustikgitarre geführt. Rundle spricht von jemand oder etwas Schrecklichem, vor dem sie zu fliehen scheint: "So quiet, the melody I sing that's just mine / Is the center of my troubles". Letztendlich gelingt die Flucht: "My whole life, some dark night, is so much brighter now, without you".

"Citadel" beschreibt wunder- und greifbar den Ort, an den sie sich in finsteren Momenten zurückzieht. Eine Zitadelle ist das Kernstück einer Festung, der sicherste Rückzugsort. Emma schildert, wie sie den Großteil ihres Lebens in verschiedenen Hinsichten unterdrückt wurde. "Most of my life, I've been trained how / Just to lay down / And never ask why I stay down / Most of my life, I've been trained how / Just to lay down / And never ask why I stay down".

An einigen Stellen wird die Abgespecktheit der Songs und die trübe Stimmung ein wenig ermüdend, wenngleich auch einzelne Überraschungsmomente da sind, wie die scheinbare Auflösung in "Dancing Man". Insgesamt fühlt sich "Engine Of Hell" an wie die Akustik-Live-Session eines 00er Rock-Album von Evanescence. Ausgefuchstes Songwriting, das in einigen Momenten an Adrianne Lenker (z.B. "Razor's Edge") erinnert, trifft auf eine rauchig-schmerzerfüllte Stimme und kreiert auf unheimlich-friedliche Weise das Bild eines emotionalen Tagebucheintrags, das persönlich und nahbar ist.

Trackliste

  1. 1. Return
  2. 2. Blooms Of Oblivion
  3. 3. Body
  4. 4. The Company
  5. 5. Dancing Man
  6. 6. Razor's Edge
  7. 7. Citadel
  8. 8. In My Afterlife

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