laut.de-Kritik

Feuer fürs Herz, Akrobatik fürs Hirn.

Review von

Die Erosion im Bandgefüge von Dream Theater war nach dem Ausstieg von Mike Portnoy auf der letzten Platte deutlich zu hören. Entsprechend groß fiel das Ringen um die eigene Identität aus. Positiven Entwicklungen wie dem deutlich wärmeren Sound und der selbstverordneten Extrem Metal-Bremse standen negative Aspekte wie das allzu deutliche Sich-Bedienen im eigenen Song-Fundus gegenüber. Allzu oft verloren sich Petrucci und Co. zudem in endlosen Soli, ohne auf den Punkt zu kommen.

Auf dem neuen, selbstbetitelten Opus vollzieht die Band nun endgültig den Schulterschluss mit der eigenen Vergangenheit, im Speziellen mit den Jahren, in denen man noch unter dem Banner Majesty firmierte, ohne jedoch das grandiose Debüt zu kopieren.

Rockige Rush-Riffs dominieren. Verquere Metren in Verbindung mit Monster-Metal-Klischees in epischer Länge kommen überhaupt nicht mehr vor. Schnürte einem beim Hören eines Dream Theater-Songs der Nuller-Jahre die immense Dichte förmlich die Luft ab, fallen die Themen nun deutlich fasslicher und einfacher strukturiert aus.

Man ertappt sich bei den ersten Durchläufen der neuen Platte dabei, wie man sich fragt, ob wirklich die Band musiziert, die in den vergangenen Jahren vor allem mit überlangen und überladenen Songs Erstaunen hervor rief. Nun entwickeln sie tatsächlich ihre Nummern und verteilen Brüche wohl dosiert.

James LaBrie bringt seine Stimme perfekt zur Entfaltung und zementiert seinen Stellenwert in der Band. Ohrenscheinlich erweitert insbesondere die Saitenfraktion um John Petrucci und John Myung ihr Soundspektrum in Richtung analog und authentisch: Sie klingen wesentlich erdiger.

Mangini trommelt furios in dynamischem und klassischem Drumgewand und verbindet gekonnt Portnoy-Trademarks mit eigenen spektakulären Fills. Jordan Rudess komponiert diesmal wesentlich symphonischer und legt seinen Fokus mehr auf Filmmusik.

So liegt der Vergleich mit einem Score nahe: Vom Intro ausgehend, nimmt die Band den Hörer mit auf eine Reise durch die eigene Vergangenheit, ohne auf die Highlights seit dem Einstieg von Jordan Rudess zu verzichten.

Mit dem AOR-Prog-Wunderwerk "Trough The Looking Glass", der emotionalen Achterbahnfahrt in "The Bigger Picturce" und dem opulent inszenierten "Illumination Theory" bricht die Band sogar die inkorporierten Heiligtümer des Debüts und des Zweitwerks "Images And Words" auf und setzt neue Maßstäbe.

Tatsächlich entflammen die New Yorker Prog-Kings wieder zuerst das Herz des Hörers, um bei genauem Zuhören dann noch genügend Akrobatik für das Hirn zu offenbaren.

Trackliste

  1. 1. False Awakening Suite
  2. 2. The Enemy Inside
  3. 3. The Looking Glass
  4. 4. Enigma Machine
  5. 5. The Bigger Picture
  6. 6. Behind The Veil
  7. 7. Surrender To Reason
  8. 8. Along For The Ride
  9. 9. Illumination Theory

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8 Kommentare mit 4 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Abgesehen, dass ich bei meiner Meinung bleibe und das Album zum schwächsten von DT überhaupt sehe, ist dieser Satz ja mal absolut lachhaft:

    "Mit dem AOR-Prog-Wunderwerk "Trough The Looking Glass", der emotionalen Achterbahnfahrt in "The Bigger Picturce" und dem opulent inszenierten "Illumination Theory" bricht die Band sogar die inkorporierten Heiligtümer des Debüts und des Zweitwerks "Images And Words" auf und setzt neue Maßstäbe."

    Definitiv: NEIN! Und zwar egal wie man das Album auch finden mag.

  • Vor 10 Jahren

    Finde das dies auch die schwächste DT Platte ist. DT ist eine Firma geworden, und keine band mehr, genau wie bei Metallica. Und vor allem ist es traurig was mit Myungs "Bass" gemacht wird, denn Bass ist da nicht mehr wirklich drin

  • Vor 10 Jahren

    Wenn man dem Album etwas nicht abbsprechen kann, dann ist es der vermeintlich fehlende Bass von Myung. Vielleicht nochmal auf CD anhören, anstatt sich beim Hören des eher bescheidenden Streams sich über etwas aufregen, was nicht der Wahrheit entspricht. Der Review stimme ich zu, außer, dass ich mich wunder, dass The Bigger Picture erwähnt wird. Aber daran sieht man wieder Mal, Meinungen sind unterschiedlich. Stärkste Songs für mich sind The Looking Glas, Behind The Veil,Surrender to Reason und Illumination Theory.

  • Vor 10 Jahren

    Also ich stimme dem Bericht völlig zu. Das Album hat mir sofort gefallen, ohne ihn 10 Mal anzuhören, wie es bei den letzten Alben der Fall war. Der Gitarrensound ist deutlich besser, authentischer.. Illumination Theory ist zu meinem Lieblingssong geworden. Die Soli werden viel intensiver gespielt zum Bsp. ab 13:06. Das bin ich von Petrucci nicht gewohnt. Wünsche mir nur, dass Porntnoy beim nänchsten Mal dabei ist.
    Ist nur meine Meinung gewesen, deswegen, bitte nicht böse sein..

  • Vor 10 Jahren

    Hm.. ich besitze außer diesem neuen Werk nur Octavarium und Train of Thought, die beide sehr komplex und opulent sind. Allerdings hat mir auch dieses hier sehr gut gefallen, besonders "Enigma Machine", "Behind the Veil" (auch wegen dem Thema des Songs) und vor allem "Illumination Theory", was sehr schöne Gesangspassagen hat.

  • Vor 10 Jahren

    Nein, es ist nicht das komplexe Art-Rock-Wunderwerk geworden, denn davon haben sie schon so viele eingespielt. Wohlaber machen DT hier vieles besser als in der Vergangenheit. LaBrie unterlässt das Eunuchieren und Petrucci/Rudess das ewige minutenlange Solorivalisieren. Myung spielt gut wie eh und jeh. Lediglich Mangini ist mir zu unakzentuiert und leise. Trotzdem wirkt alles viel songdienlicher, harmonischer und wärmer, sodass in vielen Stücken Emotionen vermittelt werden, die man in den technischen DT-Alben schmerzlichst vermisst.