laut.de-Kritik

Weltschmerz mit toller Stimme, aber ohne Ecken und Kanten.

Review von

"Ich habe meine Demos an 30 Manager geschickt und keine einzige Mail zurückbekommen, das war's dann mit meinen Versuchen", erzählte Lockenschopf-Singer-Songwriter Dean Lewis in einem Billboard-Interview noch vor ein paar Jahren. Ich sehe hier zwei Möglichkeiten: entweder ist das eine reine Anekdote, um die eigene Underground-haftigkeit zu zelebrieren. Oder in der Zwischenzeit hat jemand an der Musik des Australiers geschraubt, der ganz genau weiß, was die Masse heute will. Denn massentauglicher als Dean Lewis geht eigentlich kaum noch.

"Hold Of Me" beginnt mit einer sacht gezupften Akustikgitarre, auf die erste Viertel eines jeden Takts gibt's einen Piano-Akkord und im Refrain dürfen dann noch ein paar Blechbläser mitschmettern. Mehr Pop geht eigentlich gar nicht mehr, mit dem schüchternen Underdog aus Down Under (haha!) hat das jedenfalls nichts zu tun. Die Art und Weise, wie Lewis die Akkorde mit seiner Stimme doppelt, erinnert übrigens ziemlich an Mumford & Sons, genau wie die Steigerung in den Refrains. Wo die Mumford-Brüder aber meistens noch die Kurve kriegen, kippt das ganze hier eher in ziemlich breiten Radio-Pop.

Ähnlich ist es auch bei "7 Minutes": zarter Gitarren-Aufbau bis zum Refrain, und dann wird wieder eine unverschämt eingängige Melodie abgefeuert. Textlich offenbaren sich hier einige Schwachstellen: "It's in all the little things, when you smile, now it stings / It's been seven minutes since I've lost the girl of my dreams." Hier werden Bilder heraufbeschworen, die so auch astrein in das Storytelling eines Disney-Films passen würden. Außerdem: Sieben Minuten? Klingt gar nicht mal so dramatisch.

Der Titeltrack "A Place We Knew" zeigt, dass Lewis aber durchaus in der Lage ist, eingängige Refrains zu schreiben, die nicht in ihrem eigenem Pop-Schmalz versinken. Ein Halftime-Beat trifft hier auf dezentes Fingerpicking, kurzum: Dean Lewis wird genug Platz gelassen, um seine Geschichte zu erzählen. Gut, die Geschichte ist relativ dünn: Junge trifft Mädchen, verliebt sich unsterblich (sie sich natürlich auch), dann kommt es zur tragischen Trennung. Ein andauernder Reifeprozess bringt ihn dann aber dazu, alles mit anderen Augen zu sehen, sodass er am Ende mit einem wehmütigen Lächeln in seinem Pickup davonbrausen kann.

Ähnlich platte Geschichten erzählen auch die anderen Songs, zur Auswahl stehen: Das missverstandene Mädchen ("Hold Of Me"), Selbstfindung ("Waves") und, ganz besonders oft, dieser ewige Trennungsschmerz ("7 Minutes" "A Place We Knew", "Stay Awake", "Be Alright", "Chemicals"). Immer wieder verwendet Lewis Metaphern, die in der Vergangenheit einfach schon allzu oft bemüht wurden: "But the scars, they still follow me around" ("Don't Hold Me").

Für "Stay Awake" wird Ed-Sheeran-like auf die Akustik-Gitarre geklopft, der gedoppelte Gesang im Chorus erinnert entfernt an Matt Healy von The 1975. Bei "Waves" hört man die Finger über die Saiten rutschen, ganz nah und intim. Dazu erklingen epische Trommelschläge, bis das Ganze in einem epischen Refrain endet. Nur ein weiteres Beispiel, dass man bei der Produktion wusste, was man tut.

Einen ganz kleinen Ausbrecher wagt Dean Lewis höchstens bei "Time To Go": hier trägt er den Text eher in spoken words vor und leistet sich sogar mal ein "fucking with my head." Ansonsten aber das gleiche Procedere mit gezupften Saiten, Piano und minimalistischen Drum Beats.

Die Arrangements auf "A Place We Knew" wirken einfach alle ziemlich austauschbar, was vor allem daran liegt, dass Lewis auf seinem Debüt einer Devise folgt: Keine Experimente, bloß nichts anbrennen lassen! Und auch wenn Dean Lewis ein starker Sänger mit einer sehr schönen Stimme ist, wünscht man sich mehr Ecken und Kanten auf diesem Debüt. Mehr Wagnisse im Bezug auf das Songwriting und vor allem Lyrics, die auch mal anecken oder ungemütlich sind.

Andererseits: funktioniert ja auch so! England hat Ed Sheeran und Australien bekommt mit Dean Lewis jetzt eben auch seinen Weltschmerz-Export.

Trackliste

  1. 1. Hold Of Me
  2. 2. 7 Minutes
  3. 3. A Place We Knew
  4. 4. Stay Awake
  5. 5. Waves
  6. 6. Be Alright
  7. 7. Chemicals
  8. 8. Straight Back Down
  9. 9. Time To Go
  10. 10. Don't Hold Me
  11. 11. For The Last Time
  12. 12. Half A Man

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