laut.de-Kritik

Stumpfsinn, tritt herein!

Review von

Die amerikanische Popkultur treibt manchmal recht seltsame Blüten. Den bis zu seinem Tod stets umtriebigen Universalkünstler Andy Warhol und Talkshowhost Jerry Springer, die heimliche Ikone amerikanischer Trailerparkkultur, vereinte die seltene Gabe, aus Scheiße Gold zu machen. Beim guten Herrn Warhol nannte man das, was dabei rauskam, großspurig "Popart", bei Jerry Springer beweisen die Kritiker Kreativität und bezeichnen seinen kreativen Output gerne als "White Trash". Dabei erweist sich "White Trash" als flexibles und offenes Konzept, unter dem die verschiedensten Sachen subsumiert werden können, die sonst nirgends hinpassen. Puuh, da hab ich ja noch mal Glück gehabt. Schublade "White Trash" auf, Balloons neue CD "Bad & Sexy" hinein, und Schublade für immer zu. So einfach könnte das sein.

Doch es ist das Los eines Journalisten, die guten Releases wortreich in den Himmel zu loben und die schlechten Ausreißer ebenso redegewandt in den Abgrund zu stoßen. Letzteres scheint bei "Bad & Sexy" die einzig legitime Vorgehensweise zu sein. 15 Tracks, die die Welt nicht braucht, hat Grand-Prix-Ausscheidungs-Star Balloon hier versammelt. Diese hinsichtlich ihrer Qualität weiter zu differenzieren käme der Haarspalterei gleich. Von der ersten bis zur letzten Sekunde hämmert die reißerische Bassdrum die Message in den Gehörgang: hier handelt es sich um Techno! Yeeaah, Love & Peace und so, you know! Und als wäre das noch nicht genug, wird auf "Bad & Sexy" auch noch gerockt, dass sogar Kollege Edele seinen Drang zum "Moshpit" nicht länger unterdrücken könnte. Kein Wunder, wer kann sich billig drein sägenden Gitarrenriffs, die sogar bei Rammstein als zu billig und plakativ durchfallen würden, schon auf Dauer erfolgreich entziehen?

Und als wäre all das noch nicht genug, greift Balloon, ihr habt es schon geahnt, noch tiefer in die musikalische Trickkiste. Technobeat und Sägegitarre, ja das geht direkt in den Bauch. Aber wo bleibt da der Kopf, wo das intellektuelle Futter für die matschigen Gehirnwindungen? Balloon hält damit nicht lange hinter dem Berg und so ist nach dem zehnten Track bei mir alles zu spät. Erleuchtet hüpfe ich um den Schreibtisch und singe: "So bad and sexy, you gotta relax me, so bad and sexy, you gotta relax me", bis Kollege Schuh mich, von vorweihnachtlicher Barmherzigkeit getrieben schließlich mit einem Schokonikolaus erschlägt. Danke, Michel!

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Technorocker
  3. 3. Mexico ID
  4. 4. Pussylover 2001
  5. 5. Love Truck
  6. 6. Soundmonster
  7. 7. Don't Stop 2 Rock
  8. 8. Let's Party
  9. 9. Fuck U Up
  10. 10. Bad & Sexy
  11. 11. Hear The Drums
  12. 12. Big Bang Boom
  13. 13. Lovely Boy
  14. 14. Technorocker (Warp Brothers Remix)
  15. 15. Beautiful Feelings

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