laut.de-Kritik

Wenn Frust zu Lust und Unglauben zu Kopfnicken werden.

Review von

D-A-D sind eine wundersame Band. Selbst billigstes Promogeschwätz zu "A Prayer For The Loud" entpuppt sich als alternativlose Wahrheit. "Vor allem sind wir stolz darauf, dass wir elf phantastische Tracks abgeliefert haben, die auf unserem Status Quo basieren. Das war kein Schuss ins Dunkle, das kommt direkt aus dem Herzen", so Frontmann Jesper Binzer.

Liest man nur diese Aussage, bräuchten Jesper und Co. ein paar aufs Fressbrettchen ob des lächerlichen Klischees. Hört man sich jedoch parallel durch die elf neuen Tracks, wechselt Frust zu Lust, Unglauben zu Kopfnicken, Skepsis zu Freude. Wahrer Freude. Freude, über die Sicherheit, dass für Kids der Wohlstandsjahre der 80er im Leben eines immer gilt, selbst wenn 2019 einst sicher geglaubte Pfeiler im Leben einknicken wie Michael Stichs Knöchel in Moskau: Other Bands play, D.A.D. kill - (en) die Scheiße fett.

Der Opener "Burning Star" fegt mit dem countryesken Gitarrensound, der bereits "Call Of The Wild" 1986 zum Geheimtipp nördlich von Hamburg machte, über die Landstraßen - Tempolimit 120 am Arsch. Dazu gesellen sich eine brutale Produktion und "Riskin' It All"-Hardrock-Power. 1991 war "Riskin' It All" der seriöse Nachfolger des durchgeknallten Hit-Feuerwerks "No Fuel Left For The Pilgrims", dessen Comic-Videos sich auf MTV Brandblasen liefen. Ähnlich wie bei den US-Kollegen von Bon Jovi, deren bestes Album eben nicht der Monsterseller "Slippery When Wet" war, sondern das ernsthaftere Springsteen-geprägte "New Jersey", gilt "Riskin It All" als das unerreichte Trademark-Werk im Disneyland After Dark. Das dicht produzierte "A Prayer For The Loud" nimmt sich jenes Album zur Brust und sägt mit jedem Durchgang ein bisschen mehr am Thron.

Im Titeltrack predigt das Quartett in der "Church of the Blues": "See it's never growing old / Bless your ears and soul / We’re living rocknroll" – und schenken allen kaputten Seelen einen Moment des Vergessens: "A place to dream away in / After all that you've been through". Die einsamen, ja oft tragisch-komischen Lyrics verleihen den Songs die bekannte melancholische Note. Doch wo fast alle Shouter der Hartwurst-Fraktion über die Jahrzehnte spürbar an Grip verlieren, klingt Jesper mit seiner gepressten Brian Johnson-Gedächtnisstimme kraftvoller denn je und hält als Prediger des Rock'n'Rolls seine HörerInnen bei der Stange wie Kardinäle.

Die an Metallicas "Seek And Destroy" erinnernden Gitarrensirenen auf dem brutalen Boogie-Woogie-Groover "Nothing Ever Changes" pariert Jesper genauso locker wie den Highway-Rocker "Real Me" oder das schnelle AC/DC-Gedächtnisriff seines kongenialen Bruders in "Musical Chairs" – "Rock'n'Roll Radar" anyone? Der australische Busch, die amerikanische Prärie oder das dänische Jütland - wer schon mal durch den Nordwesten des skandinavischen Landes gefahren ist, versteht, warum D-A-D diesen Sound auf den zerfransten Ärmeln schütteln. Die Finger trommeln auf dem Lenkrad, der Fuß wippt neben dem Gaspedal, der Wind weht steif über die endlosen Kornfelder, der Salzgeruch der Nordsee dringt durch das offene Autofenster, und die Playlist spielt Hits wie "Grow Or Pay", "Point Of View" und ab heute auch "The Sky Is Made Of Blues".

Die heimlichen Höhepunkte auf jeder D-A-D-Platte drosseln jedoch das Tempo, und Jesper droppt originelle, auf der feinen Linie zwischen Naivität und Poesie wandelnde Zeilen: "Love is a drug for the heart / We try it once and we're caught / You said love was a flame / And you won't get burned again / But maybe love is like the wind / It won't care where you’ve been / All you need is to try / And you'll fly". Der Song "A Drug For The Heat" ist der inoffizielle zweite Teil von "A Laugh And A Half" von "Riskin' It All" und holt mit Akustiksound noch alle vom Lagerfeuer. Auf der wunderschönen, fast introvertierten Hymne "If The World Just" legt Jesper zum Schluss jene Verletzlichkeit offen, die D-A-D schon immer von eindimensionalen Dicke-Hose-Rockern unterschied.

D-A-D gelingt 33 Jahre nach dem Debüt und 28 Jahre nach "Riskin' It All" ein zeitloses, frisches Meisterwerk, das in unsicheren Zeiten Kraft und Vertrauen gibt. Oder wie es die Band selbst simpel und mit Augenzwinkern analysiert: "In der Vergangenheit sind wir manchmal neue Wege gegangen, um Dinge auszuprobieren, die ziemlich weit vom Kern dessen entfernt waren. Diesmal sind wir einfach nur das, was wir wirklich sind".

Trackliste

  1. 1. Burning Star
  2. 2. A Prayer For The Loud
  3. 3. Nothing Ever Changes
  4. 4. The Sky Is Made Of Blues
  5. 5. The Real Me
  6. 6. No Doubt About It
  7. 7. A Drug For The Heart
  8. 8. Musical Chairs
  9. 9. Time Is A Train
  10. 10. Happy Days In Hell
  11. 11. If The World Just

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