laut.de-Kritik

Dieses Mixtape ist viel mehr als ein Epilog zu "Negro Swan".

Review von

Vier LPs hat Dev Hynes unter dem Pseudonym Blood Orange innerhalb der letzten acht Jahre veröffentlicht - mindestens zwei davon grenzten gefährlich nah an der Perfektion eines Pop-Albums. "Angel's Pulse" bricht in gewisser Weise mit dieser Veröffentlichungspolitik. Als Mixtape deklariert, versteht sich das Release als Epilog des knapp einjährigen Vorgängers "Negro Swan". Zwar entstanden laut eigener Aussage auch zu den übrigen Blood Orange-Veröffentlichungen solche Sequels - Hynes behielt sie allerdings Freunden und Familie vor oder verteilte sie als Kassetten auf den Straßen New Yorks.

Dass die breite Öffentlichkeit sich dieses Mal am "Zusatzmaterial" (diese Beschreibung wird dem Mixtape in keinster Weise gerecht) erfreuen darf, tut der irrwitzig konstanten Output-Qualität des gebürtigen Londoners keinerlei Abbruch. Angefangen beim wavigen Synthiepop auf "Cupid Deluxe" über "Freetown Sound[s]" politisch aufgeladenen Jazz- und Soul-Protest bis hin zum fragilen Minimalismus von "Negro Swan" manifestierte Dev Hynes seinen Status als eine der gewichtigsten und stilsichersten Stimmen der gegenwärtigen Popkultur.

Man hört "Angel's Pulse" an, dass sich Hynes in einer komfortablen Lage befindet. Frei von einem strengen Albumkonzept, dafür aber mit erneuter inhaltlicher Sprengkraft ("Birmingham"), machen die gut 30 Minuten vor allem viel Spaß. Zwar reißt fast keiner der 14 Songs die Zwei-Minuten-Marke - über die mixtapeübliche Skizzenhaftigkeit gehen sie trotzdem allesamt hinaus. Als zentrales Stilelement dient weiterhin der empfindlich-schwüle R'n'B, den Hynes mehr denn je mit anderen Genres durchtränkt. Produziert und arrangiert wurde das ganze Mixtape in Gänze von ihm selbst.

Insbesondere "Benzo" dürfte als einer der besten Blood Orange Solo-Songs in Erinnerung bleiben. Im Video ist Dev Hynes in französischer Barock-Kulisse als cellospielender Hofmusiker zu sehen - ein Szenario, so artistisch wie der Song selbst. Auf trockenem Drum-Gerüst croont Hynes in unnachahmlicher Tonlage, bevor das so Blood Orange-typische Hook-Duett einsetzt. Auch sonst stützt sich "Angel's Pulse" auf viele etablierte Stärken des 33-Jährigen, allen voran die schwindelerregend sinnlichen Hooklines.

Was "Angel's Pulse" mehr denn je von seinen Vorgängern unterscheid ist - neben gerappten Passagen von Hynes himself ("Berlin") - die Integration von Gastmusikern und Genres. Blood Orange versteht sich dabei nicht lediglich als Kurator. Stattdessen seziert, durchmischt und verdreht er Stimmen und Musikstile so passgenau, bis sie eindeutig und unverkennbar der Blood Orange-Ästhetik zuordenbar sind.

Da existiert ein gepitchter Rap-Part von Toro Y Moi neben dem Himmelgesang von Langzeit-Kollaborateur Ian Isiah. Kelsey Lu (Kelela-Liebhaber sollten hier besonders genau hinhören) rechtfertigt die Kritiken ihres ausgezeichnetes Debüts im Frühjahr eindrücklich, während Project Pat und Gangsta Boo einen unwiderstehlichen Memphis Rap-Flavor kreieren. Und "Take It Back" bringt mit Arca und Brockhamptons Joba zwei äußerst spannende Kunstpersonas zusammen. Das alles ist groß - in seinem Wesen jedoch zurückhaltend und fragil.

Dey Hynes fungiert als Bindeglied und Dirigent. Auf ihn können sich aus guten Gründe fast alle einigen - angefangen bei Memphis Rap-Enthusiasten bis hin zur LGBTQ-Szene. Als Künstler bringt Hynes das alles authentisch unter ein Dach. Dazu reicht ihm schon ein einfaches Mixtape.

Trackliste

  1. 1. I Wanna C U
  2. 2. Something To Do
  3. 3. Dark & Handsome
  4. 4. Benzo
  5. 5. Birmingham
  6. 6. Good For You
  7. 7. Baby Florence (Figure)
  8. 8. Gold Teeth
  9. 9. Berlin
  10. 10. Tuesday Feeling (Choose To Stay)
  11. 11. Seven Hours Part 1
  12. 12. Take It Back
  13. 13. Happiness
  14. 14. Today

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LAUT.DE-PORTRÄT Blood Orange

Dev Hynes ist ein Mann mit vielen Gesichtern. Der 1986 in Texas geborene und sogleich nach Essex in England übergesiedelte Musiker hat in wenigen Jahren …

1 Kommentar mit 2 Antworten

  • Vor 4 Jahren

    Glatt 5/5. Gibt absolut gar nichts dran auszusetzen. Klingt so, als wenn Frank Ocean und the Weekend in Bestform zusammen ein Kollaboalbum rausbringen. Alleine Gold Teeth ist für mich Anwärter auf den Song des Jahres.

    • Vor 4 Jahren

      Nein, Tool ist besser, siehe diverse Circlejerk Fäden hier!

      Ernsthaft: Höre das auch schon seit Wochen wirklich fast durchgehend und finde es richtig brutal. Hab nur irgendwie die Rezi dazu verpennt...

    • Vor 4 Jahren

      An mir ist das total vorbei gegangen und bin erst vor 2-3 Tagen durch die Rezi drauf gestoßen, die ich aber auch bis dahin komplett übersehen hatte...