laut.de-Kritik

Digitaler Körper, analoge Sadness.

Review von

"Damn Right" gehört zu diesen Songs, die sehr unterschwellig viral gehen, weil sie still und heimlich in jedermanns YouTube-Empfehlungen aufgetaucht sind. Das passiert manchmal. Und warum trauen so viele Menschen so blind ihren YouTube-Empfehlungen? Weil sie Kram wie "Damn Right" von Audrey Nuna anspülen. Da steht dann diese Frau nämlich in abgefahrenen Klamotten und badet mit Puppenköpfen und rappt sich auf einem gummisohlensmoothen 808-Groove den Arsch ab. Kein Kontext, keine Erklärung, einfach nur ein guter Song. Nun kam endlich ein Tape hinterher, und der unterkühlte Neo-RnB-Sound mit digitalem Körper und analoger Sadness zeigt: Es hat sich gelohnt, dranzubleiben.

Es wäre ja so einfach, Audrey Nuna als Repräsentantin von irgendetwas zu beschreiben. Die Amerikanerin hat koreanische Wurzeln, einen abstrakten Modestil, eine eigenköpfige Wortwahl und steht immer mit recht demonstrativer Körpersprache in den Videos. Aber vielleicht führt diese Idee auf den Holzweg. "A Liquid Breakfast" muss nicht als Metapher für etwas herhalten, es steht sehr gut für sich. Es ist ein universelles, stimmungsvolles Projekt, das Spite und Melancholie in so vielen Facetten abbildet wie der dominante, liquide Synthie-Ton der Platte hergibt. Einen Teil stemmt sie mit ihren ätherischen, immersiven Gesangs-Passagen, den anderen mit Rapparts, die trotz aller Attitude ein ganzes Stück Agilität entfalten.

Audrey kann eben auch alles. Auf Representern wie "Cool Kids" oder "Typical" reiht sie Pattern an Pattern, da kommen Unmengen an Flows zusammen für einen Musiker, der Rappen nicht einmal als Hauptberuf angeben würde. Ihre Präsenz auf der Platte wird wahrlich keine Sekunde monoton, keine Sekunde sehnt man sich nach Gästen. Da steckt eben ein ganzes bisschen Pop-Architektonik in ihrer Songstruktur, jeder Flow klingt durchdacht, wirkt, als wäre da bewusst noch ein Motiv verwoben, nur um ihn vom Standard-Part abzuheben. Wer nun Konstruiertheit verdächtigt, hat nicht unrecht, "A Liquid Breakfast" hat etwas Synthetisches. Aber sie weiß, was sie damit tut. Bestes Beweisstück: Die Hooks, die auf jedem Song ins Schwarze treffen, ohne gegen das entspannte Low-Key-Chic der Platte zu arbeiten. Der ätherische Gesang, der in "Space" um mehr Freiraum bittet, die gedehnten Konsonanten auf "Cool Kids", bis zum letzten Detail strotzen diese Songs auch in den Vocals voller Ambition und Fantasie.

"Get Luv" tränkt die R'n'B-Ballade in Autotune, man denke irgendwo zwischen Don Toliver und Charli XCX, auch hier kommt das künstliche wieder klar als Stilmittel zum Zuge. Die gesamte Produktionspalette spielt eine einheitliche Klangfarbe, die meisten Töne bewegen sich im selben Synthie-Radius, die Farbpalette nimmt einen anorganischen Ton an. Aber der passt zu Audrey, zu ihrer distanzierten Energie, zur ehrlich gemeinten Kunstlicht-Wärme ihrer Ausstrahlung.

Gerade dann, wenn das Tape zunehmend Narrativ wird, entstehen diese realen Einblicke durch einen abstrakten Filter. "Baby Blues" führt mit kurzen erzählerischen Verses als Szenen-Aufbau in einen emotionalen Abbau in der Hook. "Different majors, brand new fragrance / We hit the matrix, Toyota spaceship / Posing for Palace, needed the money / Hated the hustle, they tried to make you famous", sagt sie dann, gut darin, mit wenigen Worten emotional komplexe Situationen aufzubauen. Die Dinge sind nicht schwarz-weiß und die Songs auch gar nicht in der Stimmung, sie aufzudröseln. Abgerundet wird das nur noch im kurzen BoomBap-Ausflug mit Chicago-Jazz-Pro Saba als Featuregast auf "Top Again".

Meistens dröseln die Songs die Widersprüche des modernen Lebens in kurzweilige und eingängig formulierte One-Liner und Audrey nutzt diese Basis, um eine beeindruckende Bank an Vocal-Deliveries aufzufahren. "A Liquid Breakfast" ist kein erzählendes Tape, aber ein bildstarkes, das vor allem durch Skill und Ästhetik glänzt. Fashionista-Rap, der starren Blickes Eindrücke aus der Welt festhält und sie relativ wertungsfrei in seinem eigenen Vibe verarbeitet. Ja, es ist anorganisch, aber das macht es nicht kalt. Es ist catchy, aber nicht kalkuliert. "A Liquid Breakfast" fühlt sich wie ein durchgängiges Statement von einer neuen Stimme an, die ihre vielschichten Stimmungen in ein einheitliches Understatement bettet. Und hört man diese dreißig Minuten runter, hat man das Gefühl, dass all die Aspekte systematisch und gekonnt ihren Platz finden.

Trackliste

  1. 1. Typical
  2. 2. Comic Sans (feat. Jack Harlow)
  3. 3. Damn Right
  4. 4. Cool Kids
  5. 5. Get Luv
  6. 6. Baby Blues
  7. 7. Blossom
  8. 8. Space
  9. 9. Top Again (feat. Saba)
  10. 10. Long Year

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