Details

Mit:
Datum: 24. April 2009
Location: Admiralspalast
Friedrichstraße 101
10117 Berlin
Website: Offizielle Homepage des Veranstaltungsorts
Alle Termine ohne Gewähr

Review

laut.de-Kritik

Von der Rückkehr des weiblichen Jesus.

Review von Philipp Schiedel

200 Euro waren die verzweifelten Ebay-Nutzer bereit, für das seit Monaten ausverkaufte Berliner Gastspiel von Antony & The Johnsons auszugeben. Ein kurzer Blick auf das Publikum im historischen Admiralspalast erklärt wie dieser Preis zustande kam.

Der New Yorker Everybodys Darling hat die Indie-Crowd hinter sich gelassen und ist in einer gehobenen Klasse angekommen, die so vielseitig wie zahlungskräftig ist. Die Wilmersdorfer-Witwen, die schwulen Berghainis, die Steglitzer Geschichtslehrerinnen und der Mitte-Agentur-Chic treffen sich zum gepflegten Sitzkonzert und nehmen Antony nur zu gerne in ihren Kreis auf. Stilecht trinkt niemand Bier, sondern lässt lieber die Sekt-Gläser zwischen den Händen klirren. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Mit einer Tänzerin als Support gibt Antony seinem Publikum was es will: das Gefühl einer Hochkultur beizuwohnen. 15 Minuten lang dreht die Dame in einem extravagantem Kostüm nun ihre Arme. Für die kurze Zeitspanne schaut man ihr gerne zu. Danach denkt man: Abgehakt, hat man das auch mal gesehen.

Dann der große Auftritt von Anthony und der vorzüglichen Band, die mit Bass, Schlagzeug und allerlei klassischen Instrumenten unterstützt. Die ersten Songs werden im Halbdunkeln absolviert, und der Star des Abends ist kaum zu erkennen. Er versteckt sich regelrecht vor der Masse, sagt kein Wort zum Publikum und ist quasi nur durch seine allumfassende Stimme im Saal präsent.

Als ein Zuschauer "Talk to us, Antony!" fordert, erwidert er nicht mehr als ein kurzes Lächeln. Der Zuruf scheint ihn etwas anzuspornen, langsam aber sicher taut Hegarty auf, was im Stück "Hope Mountain" (zu finden auf der "Another World"-EP) gipfelt, das von der Rückkehr Jesu im weiblichen Körper handelt - eine Story, die er ausschweifend schildert. Und als er mit einem Augenzwinkern von der Unsicherheit des weiblichen Jesus beim ersten Gang über das Wasser erzählt ("She is afraid, but she has a feeling...") blitzen auch endlich die Entertainer-Qualitäten auf.

Wie gut Antony eigentlich mit dem Publikum umgehen kann, wird besonders deutlich, als er sich nach Standing-Ovations geschickt um eine zweite Zugabe drückt. In einem weißen Pullover mit gemütlichem Ulla Popken-Schnitt und wehenden Tentakeln steht er ganz allein auf der Bühne und animiert den Saal zum Singen einer kleinen gehauchten Melodie. Hier weiß jemand, wie er seinen unglaublichen Charme pointiert und perfekt einsetzt.

Weshalb ein Kauz wie Antony ("I'm not a christian, I'm a witch") mit seiner liebenswert-verwirrten Art und seiner Musik so viele unterschiedliche Menschen glücklich macht, ist nach diesem Abend leicht nachvollziehbar.

In der Live-Umsetzung variiert er seine Songs ständig, sprengt dank seiner unverwechselbaren Stimme aber nie den gewohnten Rahmen: Antony steht für Antony. In Zeiten der Austauschbarkeit 2.0 gewinnt derjenige, der ratlos über einem leeren "Sounds Like"-Eingabefeld sitzt. Konsequenterweise hat Hegarty auf seiner MySpace-Seite in dieses Feld seine eigenen Videos eingefügt.

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