laut.de-Kritik

Deutschpop schafft sich ab.

Review von

Der Pressetext strotz vor haltlosen Versprechen. Mit ihrem Album "Kino" eröffne Alexa Feser "einen auditiven Filmpalast mit zwölf Sälen". Es ähnele einer "Dauerkarte, mit der man in jedes Genre eintauchen" könne. Doch nur weil sie in "Highscore" die "Men in Black" oder "Pretty Woman" erwähnt oder in "Checkbox" Schläge wie "Rocky" einsteckt, schöpft sie weder die erzählerischen Möglichkeiten der großen Leinwand noch der Filmmusik aus. Ganz zu schweigen von der angekündigten Genrevielfalt. Mit wenigen Ausnahmen regiert der Befindlichkeitspop mit eiserner Faust.

"So wie Millionen stehst du jeden Morgen auf und machst den Job nur für's Geld", führt sie in "Das Universum Vergisst Nicht" in die Welt der grauen Mäuse ein, die weit entfernt von artgerechter Haltung in ihren Amtsstuben hocken. Sie fühlen sich "klein und verloren", haben "das Träumen verlernt". Doch Alexa Feser gibt Entwarnung: "Du siehst jeden Abend zu den Sternen hinauf, weil du weißt, das Universum vergisst nicht, nichts und auch dich nicht." Das singt sie mit verzerrter, duplizierter Stimme, als blicke sie selbst aus extraterrestrischer Position gnädig auf die kleinen Probleme der Menschen herab.

Sie mag ausgefuchster zu Werke gehen als Mark Forster, doch im Grunde wiederholt Feser die plumpe Propaganda für Schicksalsergebenheit wie dessen "Sowieso". Die Hoffnung speist sich stets aus vagen Zukunftsversprechen. Früher forderten die Kirchen dazu auf, sich an das jenseitige Himmelreich zu klammern, heute verpackt Alexa Feser die Botschaft mit esoterischem Geschwurbel. "Das Leben macht Sinn, auch wenn du's gerade nicht glaubst. Gibt dir nicht das, was du willst, aber das, was du brauchst", appelliert sie in "Was Du Brauchst" dafür, sich seiner vorbestimmten Position zu fügen.

Nach solchen Ärgernissen wirkt ein kleines, aber feines Liebeslied wie "Anker" geradezu erholsam. Auch "Al Pacino" fällt für das, was es sein möchte, völlig in Ordnung aus. Wohldosierte Streicher begleiten ihre Erzählung über einen Verflossenen, dessen Reisepass-Foto sie an den Schauspieler in jungen Jahren erinnert habe. Dem Pathos gibt sie angemessen Raum, ohne ihn gänzlich von der Leine zu lassen. Und "Deine Freunde" singt ein Loblied auf die Bodenständigkeit, das Alexa Feser mit der unbekümmerten Attitüde der Neuen Deutschen Welle singt und instrumentiert.

Als zweiter stilistischer Ausreißer fällt "Highscore" ins Ohr. Gemeinsam mit ihren Produzenten Dirty Dasmo und Mania setzt Alexa Feser auf schwerelosen Electro-Pop. Alle Beteiligten leisten dabei so viel wie nötig und so wenig wie möglich. Das bereits durch Disarstars ordentliches Album "Klassenkampf & Kitsch" bekannte Produzenten-Duo steuert die übersichtliche Tanzunterlage bei, die gebürtige Wiesbadenerin singt mit unverfremdeter Stimme ihren unkomplizierten Text. Manchmal reicht eben schon ein einladender "Mh-mh, mh-mh-mh-mh-mh"-Refrain aus, um zu verführen.

Zum Herzstück erhebt ihr Label aber einen anderen Song. "Kaiserschnitt" warte nämlich mit einer "bisher nie dagewesenen Komponente" auf, lässt sich dem Pressetext entnehmen. Bei der Gastsängerin Ava Ion handelt es sich um eine KI-generierte Tonspur, die auf Stimmaufnahmen von Alexa Feser basiert. Nicht nur verschmelzen angeblich "organische und futuristische Welten" miteinander, es lasse sich auch "kein Unterschied zu einem fühlenden, menschlichen Wesen ausmachen, das Wärme und Gefühl in einen Song fließen" lasse. Den Erwartungen hält das Stück aber nicht stand.

Dem KI-Einsatz fehlt sowohl der inhaltliche Bezug als auch die überschaubare Verspieltheit der Sängerin. Und doch könnte der Song zukunftsweisend sein. Wer im vergangen Jahr den technisch verjüngten Harrison Ford in "Indiana Jones und das Rad des Schicksals" gesehen hat, kann sich ohne Weiteres vorstellen, dass er auch noch in 30 Jahren neue Abenteuer erleben wird, wenn der einst heroisch aufspielende Gesichtsverleiher längst das Zeitliche gesegnet hat. Ebenso könnte sich Alexa Feser selbst abschaffen, indem sie Lizenzgebühren dafür kassiert, dass die AI-Alexa zukünftig ihre neuen Songs kreiert.

Trackliste

  1. 1. Das Universum Vergisst Nicht
  2. 2. Highscore
  3. 3. Mein Name Ist
  4. 4. Fritten
  5. 5. Was Du Brauchst
  6. 6. Anker
  7. 7. Kaiserschnitt (mit Ava Ion)
  8. 8. Kino Interlude
  9. 9. Al Pacino
  10. 10. Deine Freunde
  11. 11. Lana Del Rey
  12. 12. Checkbox
  13. 13. Mein Name Ist (Piano Version)
  14. 14. Fritten (Piano Version)
  15. 15. Checkbox (Rhodes Version)

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1 Kommentar mit 2 Antworten

  • Vor einem Monat

    Naja, also bei Super Mario World braucht man wirklich keinen HighScore um weiter zu kommen. Und wenn man abwechselnd auf diese Raupen mit den Blumen auf dem Kopf springt hat man ziemlich schnell die Obergrenze erreicht.

    • Vor 30 Tagen

      Jau, der Text klingt auch so typisch "Hello fellow young people!"

      Als ich 16 war, hat mir mal mein Arzt eine Therapie empfohlen und meinte, es sei wie ein Upgrade bei World of Warcraft. Das er mich für einen WoW-Zocker hielt, hat mich damals legit in ein tieferes Loch gestürzt als es mein jugendlicher Alltag ohnehin schon tat. Wenn immer Nicht-Gamer versuchen, Gaming in ihre Metaphern einzbauen wie hier, muss ich an diesen Schmerz von damals denken. Danke Alexa.

    • Vor 22 Tagen

      Mit diesem Album wird zudem auch die Obergrenze des Ertragbaren erreicht.