laut.de-Kritik

Im großen Moment geschludert.

Review von

Versteh mal einer Straßenrap in Amerika. Zwanzig neue große Dinger jedes halbe Jahr, zehn brodelnde Regionen, alle arbeiten zusammen, alle haben Talent, aber keiner scheint Bock zu haben, mal die Arschbacken für ein gescheites Album zusammenzukneifen. Der hier zum Beispiel: 42 Dugg hatte eine Parade-Story zum Aufstieg. Auf Lil Babys Mega-Erfolgsalbum "My Turn" hatte er zwei Features, eins auf dem Song des Jahres "We Paid", der ihn direkt mit hunderten Millionen Streams in die Top Ten trug. Jetzt hat er die Connections, die Skills, die Ressourcen, mit seinem Debüt-Album voll abzureißen, aber abseits von ein paar Standouts macht er Mixtape-Modus teilweise mit Kreisliga-Produzenten.

Dabei gibt es Momente, in denen "Free Dem Boyz" glänzt. Im ersten Drittel gibt es nämlich einen brutalen Lauf: "We Know" rekrutiert den MVP-Produzenten seiner Heimatstadt Detroit Helluva für einen regionalen Banger, auf dem er eine seiner besten Hooks der Platte abliefert. "Maybach" mit Future spannt luxuriöse Sample-Texturen auf einen entspannten Trap-Groove, auf dem die beiden Crooner die besten Aspekte ihrer Stimmfarbe ausfläzen. Und "4 Da Gang"? Ein kompletter Banger mit Roddy Ricch, auf dem die beiden über ein überraschend geil geflipptes Sample von den Scorpions spitten? Fuck, macht das Spaß.

Jeder dieser Songs zeigt nicht nur eine gewisse Bereitschaft, sich in Songstimmungen und Vibes einzuarbeiten, sondern auch ein Talent für Refrains, um die viele Kollegen gerade betteln würden. Aber das größte Plus bleibt eindeutig seine schweinegute Stimme. Hoch, nölend, sägend, es ist ein unverwechselbares Organ, wie geschaffen dafür, wie eine Machete durch sumpfigen Bassbeat zu schneiden. Ein bisschen wie Kodak Black oder G Herbo, die auch allein durch Stimmfarbe immer ein bisschen geil klingen.

Was soll denn dann noch schief gehen auf einem Debütalbum? Nun ja, 19 Tracks, die teilweise so anonym produziert sind, dass man glauben würde, man höre da sein Mixtape-Demo von vor vier Jahren. Auch inhaltlich springt Dugg völlig wahllos zwischen Stereotypen und Stimmungen, das es irgendwann egal wird, dass er von diesen stereotypen Themen eigentlich sehr kredibil erzählen kann. Einfach die Tatsache, dass die Songtitel irgendwann so an einem vorbeiziehen: "Free Woo", "Free Skeet", "Free Merey", "Quez Free", "Please", "Judge Please", nein, diese Songs verbindet kein konzeptuelles Element. Monothematik, die aber in den Songs nicht mal das eine Thema halten kann.

Ein bisschen greift hier das Lil Durk-Phänomen. Der ist auch ein charismatischer Rapper mit eigenwilliger Stimme, der aber am Ende die monotonste Produktion ever auffährt. Bei "Free Dem Boyz" ist es nicht so schlimm, weil immer noch ein paar solide Songs dazwischenfahren, aber wer sagt, dass die zweite Hälfte dieser Platte nicht sehr in offensichtliche Produktionsideen und tausend mal gehörte Motive verfallen würde, macht sich etwas vor. Lokale Produzenten, unoriginelle Melodieläufe, immer weniger und schwächer werdende Hooks, es gibt schon etwas zu viele Passagen, in denen Dugg augenscheinlich schlafwandelt.

Zwei Highlights schleichen sich aber auch noch einmal auf die Rückbank: "Rose Gold" mit EST Gee klingt hungrig und zeigt die beiden Newcomer an der Spitze ihrer Synergie, "And I Gangbang" holt sich Murda Beatz für genau die Sorte druckvollen Bass-Geballer, das Dugg braucht, um so richtig aufzuleben. Diese Nummern heben sich von der Mittelmäßigkeit der anderen so deutlich ab, dass man spürt, wie viel mehr der Junge aus Detroit eigentlich gekonnt hätte.

Ja, "Free Dem Boyz" ist solide. Einzeln betrachtet gibt es keinen furchtbaren Song, aber es gibt so viele, bei denen es sich schwer nachvollziehen lässt, wie man für das so wichtige Debüt so unambitionierte Nummern durch die Qualitätskontrolle gelassen hat. "Free Woo", "Quez Free", "Intro" und der völlig deplatzierte NY-Driller "Still Catching Cases" verschlacken eine Tracklist, die dichter und eindrucksvoller hätte ausfallen können. Vor allem dann, wenn die Highlights so potent klingen. Warum nicht weniger Songs? Warum nicht nur mit richtig guten Produzenten arbeiten? Für einen offensichtlich irre talentierten Rapper fühlt sich "Free Dem Boyz" wie ein geschludertes, schlampiges Release an, das gerade genug leistet, um nicht zu enttäuschen, aber doch ein bisschen verwundert zurücklässt, warum sich niemand für das so viel bessere Album eingesetzt hat, das in diesem Tape gesteckt hätte.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Turnest N*gga In The City
  3. 3. We Know
  4. 4. 4 Da Gang (feat. Roddy Ricch)
  5. 5. Maybach (feat. Future)
  6. 6. Bestfriends
  7. 7. Alone (feat. Lil Durk)
  8. 8. Still Miss My N*ggas (feat. Rylo Rodriguez)
  9. 9. Free Merey
  10. 10. Quez Free
  11. 11. Please
  12. 12. Rose Gold (feat. EST Gee)
  13. 13. Judge Please
  14. 14. Still Catching Cases (feat. Fivio Foreign & Rowdy Rebel)
  15. 15. It Get Deeper Pt. 2
  16. 16. And I Gangbang
  17. 17. Free Woo
  18. 18. Free Skeet
  19. 19. Free Me

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1 Kommentar

  • Vor einem Jahr

    Review geht klar. Nichts besonderes, anfangs gut, kommt dann aber nach und nach aus dem Trott… auch viele Filler dabei.
    Maybach mit Future ist der Banger auf dem Album. Für ein Debütalbum nicht schlecht, aber auch nicht gut…