Seit 15 Wochen auf Platz eins der Billboard Hot 100 und meistgestreamter Track 2019: Wir erklären das "Old Town Road"-Phänomen.
Atlanta (jvö) - Seit 15 Wochen besetzt Lil Nas X die Spitze der US-Hitparade. Nur drei Titel waren in der über 50-jährigen Geschichte der Billboard-Charts erfolgreicher, zwei davon, "One Sweet Day" von Mariah Carey und Boyz II Men und "Despacito" von Luis Fonsi und Daddy Yankee könnte "Old Town Road" demnächst überholen. Superstars wie Eminem, Rihanna oder Ed Sheeran hat Lil Nas X bereits weit hinter sich gelassen. Wie konnte das nur passieren?
Ende 2018: Ein junger amerikanischer Schulabbrecher haust im Wohnzimmer seiner Schwester und twittert. Nebenbei schreibt er Songs. Mittels eines Händchens für Memes, Videos und Posts, angelehnt an sensible, virale und viel diskutierte Themen, generiert er eine große Followergemeinde.
Die Musik für seine Texte holt er sich aus dem Internet. Auch "Ninety" vom niederländischen Hobbyproducer Youngkiro dient als Vorlage. Ein Trapbeat mit eingpflegtem Nine Inch Nails Banjosample.
Lil Nas X schreibt einen Text zum Beat. Das Kind des Internets benutzt bewusst Lines, die sich als Memeüberschrift anbieten. Die erste Zeile lautet: "I got the horses in the back". Immer wieder teilt er Ausschnitte des Songs, unterlegt mit witziges Tanzvideos oder Bildunterschriften. Als Soundtrack seines nicht zu bändigenden Online-Contents pusht der Internetstar "Old Town Road" ins Unermessliche.
country music is evolving pic.twitter.com/BEZIw3TE8l
— nope (@LilNasX) December 3, 2018
Dabei macht er sich viel diskutierte Themen zu eigen. Pünktlich zum Avengers Kino-Release schreibt er einen Song über Bösewicht Thanos und auch der gehypte Wildwest Klassiker "Red Dead Redemption" dient als Videovorlage für "Old Town Road".
Besonders viral geht ein 15-Sekunden-Video des Influencers "Nicemichael". Für seine 123.000 Follower tanzt der Internetstar im Cowboy-Style zum Countryhit. Durch zahlreiche NacheiferInnen verbreitet sich "Old Town Road" nun selbstständig:
Mitte März steigt der Song die amerikanischen Countrycharts ein und erobert bald Platz eins. Dass Billboard daraufhin "Old Town Road" aus denCharts schmeißt, weil es angeblich gar kein Counry sei, wirkt wie eine Verschwörung weißer alter Männer. Es entsteht eine Rassismusdebatte, beruhend auf dem Vorwurf, dass der junge schwarze Rapper dem alten, weißen Südstaatenbild des Country nicht entspricht. Die öffentliche Diskussion ist jedoch Promosegen für den Song.
Columbia Records wird aufmerksam. Schnell nehmen sie Nas X unter Vertrag und den Song als Feature mit Billy Ray Cyrus neu auf. Das dazu gehörige Musikvideo besetzen sie mit Stars wie Chris Rock und Vince Staples.
Der Remix wird zum Welthit und bricht Rekorde: am häufigsten gestreamter Song, 15 Wochen auf Platz 1 der amerikanischen Billboard Hot 100. Sein Fantum explodiert. Auswirkungen auf den Online-Content des Sängers hat es jedoch nicht. Er bleibt sich treu, postet und tweetet fleißig weiter.
Um den "Old Town Road"-Hype aufrecht zu erhalten präsentiert er nun den nächsten Remix. Mit "Area 51" bedient sich der Rapper wieder einer viel diskutierten Thematik. Lil Nas X weiß, wem er seinen Erfolg zu verdanken hat: dem Internet, das er spielt, wie andere ein Instrument.
7 Kommentare
Musikalisch sicherlich nichts weltbewegendes, aber gerade im Vergleich mit Vollwertmüll wie Despacito, der sich sonst so an der Chartspitze festbeißt, geht Old Town Road mMn tatsächlich ganz gut rein.
"Memes are the Future of Music Promotion" - Melon man
finde tatsächlich, dass das mit allem recht der welt ein superhit ist. unfassbarer ohrwurm.
Novelty Rap triffts ziemlich gut und ist ähnlich Kontextsensibel wie Kirmes-Techno
Dieser Kommentar wurde wegen eines Verstoßes gegen die Hausordnung durch einen laut.de-Moderator entfernt.
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