laut.de-Kritik
Lieb- und lebloser Mix aus Rock, Pop und Dorfzelt-Blues.
Review von Kai ButterweckFünf Jahre nach ihrem letzten Studioalbum "La Differenza" meldet sich nun auch Italiens Rock-Pop-Ikone Gianna Nannini aus dem Corona-Tiefschlaf zurück. Eigentlich wollte die einstige Skandalnudel mit der markanten Röhre mit einem souligen Coveralbum um die Ecke kommen. Aber es gab am Ende wohl zu viele "Rechte"-Hürden zu überwinden, sodass man im Hause Nannini von der Idee abkam und stattdessen eigene Ideen ausarbeitete. Diese fördern allerdings nicht viel Aufregendes zu Tage.
Der kantige Opener "1983" überrascht zunächst noch mit punkigen Strukturen und der einen oder anderen grummelnden E-Gitarre. Danach flacht "Sei Nel l'Anima" aber schnell ab. Statt sich weiter eher unangepassten Sounds zu widmen, verliert sich Gianna Nannini in einem leblosen Mix aus Schlager, Pop und krampfhaft in Richtung große Leinwand schielendem 80s-Rock.
Während das Schlagzeug trostlos und trocken wie ein Staubwedel den Takt vorgibt, plustern sich im Hintergrund gruselige Filmorchesterspielereien auf ("Lo Voglio Te", Filo Spinato"). Der Beginn von "Il Buio Nei Miei Occhi" weckt gar staubige Winnetou-Erinnerungen. Gianna Nannini zieht schläfrigen Blues durch den Reißwolf. Alles schnarcht und schläft. Vier Minuten später ziehen die Verantwortlichen das Tempo wieder an. Aber das ändert nichts an der Stimmung. Völlig leb- und lieblos spielt sich die Background-Kapelle in einen Gruselrausch ("Bang").
Man fühlt sich wie auf einem Dorffest, auf dem zum Feierabend hin eine in die Jahre gekommene Coverband noch ältere "ZDF Hitparade"-Hits vor sich hin dudelt. "Maledetta Confusione" bringt dann endlich ein bisschen Schwung in die Bude. Mit boogielastigem Celentano-Rock geht doch was. Leider erlischt die kleine Flamme der Hoffnung sofort wieder. Eine schmalzige Ballade mit viel Kitsch, aber ohne Leidenschaft ("Ciao E Meglio Di Goodbye"), ein schunkelnder Gruß an alle Schlagerfans ("Stupida Emozione") und ein gezupftes Italo-Folklore-Chaos ("Mi Mancava Una Canzone Che Parlasse Di Te") machen den Deckel drauf und sorgen schließlich für Ernüchterung vor den Boxen.
Gianna Nanninis Stimme ist und bleibt ein einzigartiges Kulturgut. Ihre Musik hingegen torkelt nun schon seit vielen Jahren unaufhaltsam in Richtung Belanglosigkeit, und daran ändert leider auch "Sei Nel l'Anima" nichts.
2 Kommentare
„Statt sich weiter eher unangepassten Sounds zu widmen, verliert sich Gianna Nannini in einem leblosen Mix aus Schlager, Pop und krampfhaft in Richtung große Leinwand schielendem 80s-Rock.“
Seh ich völlig anders. Für unangepasste Sounds war Nannini noch nie bekannt.
Ihre größten Erfolge waren schon immer Pop (I maschi, Fotoromanza, …) oder „80-Rock“ (Latin lover, America, …) sowie Balladen (Profumo, Sorridi,…) und wenn man das so nennen will Schlager wie Un'Estate Italiana.
Wenn ich unangepasste Sounds hören will, dann sicher nicht Gianna. Die ist für andere Lebenslagen zuständig.
Kann es weg, ist es Butterweck!