laut.de-Kritik
Kein Licht ohne Finsternis!
Review von Connor EndtKein Licht ohne Finsternis! Jazz klingt endlich wieder finster, wenn Christoph Clöser und seine Band nach fünf Jahren Pause aus ihren Höhlen gekrochen kommen. Vollkommen passend, ein neues Bohren-Album muss einfach im Winter kommen! Gleichzeitig präsentiert sich die Formation wesentlich experimentierfreudiger als zuletzt.
Das Klavier schleppt sich auf dem Opener "Total Falsch" düster dahin, einzelne Paukenschläge scheinen das Ende einzuläuten. Doch siehe da, plötzlich schneidet ein Saxophon durch den Sound, wunderschön und tragisch. Schlussendlich bleibt aber alle Hoffnung umsonst und der Hörer in einer Wüste aus Ambient-Sounds zurück.
Die tieftragischen Elemente ziehen sich weiter durch, ebenso wie die absolute Entschleunigung, die langjährige Fans zu schätzen gelernt haben. Immer dann, wenn die Rhodes unschuldig plätschern und die Besen ihre laaaangsamen Runden drehen, kommt Clösers Saxophon besonders zur Geltung, wenn es sich durch die Letharigie kreischt und schneidet ("Verwirrung am Strand").
Klangen die ersten Stücke noch ziemlich nach dem gewohnten Bohren-Kosmos, folgen jetzt die wesentlich experimentelleren Nummern. "Patchouli Blue" läutet sozusagen den Wendepunkt des Albums ein: Die E-Gitarre intoniert den Soundtrack eines Spaghetti-Westerns, im Hintergrund wabern Space-Synths herum, die irgendwann ihre Tonart verlieren und sich dann gänzlich aufhängen. Den Moment der Irritierung nutzt Clöser, um einige der schönsten Melodieläufe des Albums zu schmettern.
"Deine Kusine" und "Sollen Es Doch Alle Wissen" gehen hingegen als herkömmliche Jazz-Nummern durch, fort ist alle Schwere, das Saxophon klingt für Bohren-Verhältnisse seltsam leicht und unbeschwert. Hinter dieser Idylle verbirgt sich aber auch kein doppelter Boden, wie man vielleicht annehmen könnte. Damit wirken beide Songs fast wie die Parodie des eigenen Bandsounds.
Weitere Überraschungen folgen: "Vergessen & Vorbei" tauscht die omnipräsenten Besen gegen eine Drummachine und analoge Synthesizer, die schön unheilvoll knattern wie die Untermalung eines Achtziger-Slashers. Genau so hat man bei "Tief gesunken" das Gefühl, dass Michael Myers zu diesen Klängen durch die Straßen von Mülheim schleichen könnte.
Mit Echos und einer endlos nachhallenden Orgel geht "Patchouli Blue" zu Ende, bis nur noch weißes Rauschen durch die Boxen zischelt. Klar, ein Bohren-Album bleibt ein Bohren-Album. Trotzdem kann man der Band zu Gute halten, dass sie beim mittlerweile achten Studioalbum doch etwas freudiger in die Trickkiste greift als auf den Vorgängern.
8 Kommentare
die Stadt heißt Mülheim (an der Ruhr)
Von jeglicher Enttäuschungswahrscheinlichkeit befreiter Blindkauf, sollte klar sein.
Trve kvlt fahrstvhlmvsick of doom
Ein wirklich fantastisches Album, da muss man einfach zugreifen!
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Fantastisches Album (wie erwartet)! Vergessen & Vorbei ist sogar was für den Dancefloor, für Bohren-Verhältnisse natürlich.