laut.de-Kritik

Wie Wilson das Wettrüsten gegen die Beatles verlor.

Review von

Es sollte ein unüberbietbares Unikat werden, doch Sgt. Pepper lief ihm den Rang ab. Bevor es überhaupt erscheinen konnte, verlor Brian Wilson im Januar 1967 das kunstsinnige Wettrüsten mit den Beatles und die Nerven. "SMiLE" war als Gegengift angedacht, um die Berauschung aus dem Kopf zu stoßen und den Druck, der von Capitol Records kam, abzuschwächen. Aus der kultischen Reinigung erwuchs aber ein Dämon, der sich über Wilsons Wohl stülpte. Die geplante "Teenage Symphony To God" konnte nicht mehr entstehen, weil ihr Meister durch die Hölle ging.

Ein Vermächtnis blieb zurück, fortan begann die Selbstmystifizierung. Unvollendet, ja zerstückelt, verweilte "SMiLE" und überlebte als ewige Spekulation. Dabei hatte der Mythos sich doch schon längst eigenhändig entzaubert. "Smiley Smile" erschien indessen und erschlich sich die einzelnen Prachtstücke des eigentlichen Meisterwerks ("Good Vibrations", "Heroes And Villains", "Vegetables", "Wind Chimes" und "Wonderful"). Spätestens mit der Spätgeburt 2004 schien der Zauber endgültig verflogen.

Das anfängliche "SMiLE" war als bahnbrechend konzipiert und kalkuliert worden und hatte menschliche Fehler niemals vorgesehen. Allerdings machte gerade sein Untergang es zum bedeutendsten Diskursgegenstand der Populären Musik. Dadurch, dass es niemals zur Vollkommenheit gelangte, gebar es größte Verehrung.

"The SMiLE Sessions" suchen nun den Berührpunkt des Möglichen. Sie geben nie vor, sich als etwas Fertiggedachtes darzustellen. Die Fragmente auf der zweiten CD deuten an, was in dem Schrat Wilson vorging, als er versuchte, seine Konzeptkunst weiterzuvermitteln. Er gibt den 'Regulars' (so nannte er die "besten Studiomusiker der Stadt") und seinen Beach Boys wie gewohnt Anweisungen und unterbricht die Aufnahmen wie in "Our Prayer 'Dialog'". Diese Bruchstellen, die einhellig nachzuvollziehen sind, wirken um so schmerzhafter, je näher Wilson zum angesteuerten Ziel vorstößt.

Was aber macht die Eigenart, die "SMiLE" zu jenem Mysterium werden ließ, aus? "Our Prayer" ist nichts anderes als eine Wiederentdeckung der Mehrstimmigkeit Palestrinas als feierlicher A cappella-Gospel. Demgegenüber orchestrierte Wilson mit einem ausgesuchten Allerlei die Lautmalerei "The Elements: Fire (Mrs. O'Leary's Cow)". Zwischen Vokal- und Instrumentalmusik gab es schlicht kein Muskelspiel.

In der Beat-Literatur erwies sich zu jener Zeit die 'Cut-up'-Technik als interaktive Vernetzung von Textfetzen. Wilson wandte das zunehmend in seinem Kompositionsstil an. Er entwarf Songs vorrangig als Versatzstücke, die sich später in verschiedensten Kombinationen zusammenfügen lassen sollten, beispielsweise bei "Heroes And Villains". In "Good Vibrations" ist gar der Schnitt zu hören, mit dem die Bänder verhakt wurden.

Mit Van Dyke Parks traf Brian Wilson auf einen Textdichter, der zum Segelflug über den U.S.-amerikanischen Historismus ansetzte. Vom ersten Schritt der Pilgerväter in die neue Welt bis zur häuslichen Gegenwart entwarf Parks sehr ausschnitthafte Bilder und freigeistige Assoziationen. Um den Bezug zum Ursprung zu sichern, berief man sich auch auf die vier Grundelemente. Für das Artwork wurde der Pop-Art Künstler Frank Holmes rekrutiert.

"Do it twice!" war der imperative Ratschlag des Vaters an den Sohn Brian. Erst waren die Masterbänder archiviert. Dann, 37 Jahre später, präsentierte Wilson sie mit seiner Tourband. Jetzt, im zweiten Restaurationsanlauf, sind es Sessions und zum Teil vervollständigte ("Heroes And Villains", „Cabin Essence", "Wonderful", "Good Vibrations"), in Mono gehaltene Lieder (neben den zwei Stereomixen von "Heroes And Villains"). Die Legendenbildung ist in herkömmlicher Weise (als CD), ausgedehnt (Doppel-CD/Vinyl) und in fast vollständigem Ausmaß (5 CDs, Doppelvinyl, 2 Vinylsingles) zu verfolgen.

Trackliste

  1. 1. Our Prayer
  2. 2. Gee
  3. 3. Heroes And Villains
  4. 4. Do You Like Worms (Roll Plymouth Rock)
  5. 5. I'm In Great Shape
  6. 6. Barnyard
  7. 7. My Only Sunshine (The Old Master Painter / You Are My Sunshine)
  8. 8. Cabin Essence
  9. 9. Wonderful
  10. 10. Look (Song For Children)
  11. 11. Child Is Father Of The Man
  12. 12. Surf's Up
  13. 13. I Wanna Be Around / Workshop
  14. 14. Vega-Tables
  15. 15. Holidays
  16. 16. Wind Chimes
  17. 17. The Elements: Fire (Mrs. O'leary's Cow)
  18. 18. Love To Say Dada
  19. 19. Good Vibrations
  20. 20. You're Welcome
  21. 21. Heroes And Villains (Stereo Mix)
  22. 22. Heroes And Villains Sections (Stereo Mix)
  23. 23. Vega-Tables (Demo)
  24. 24. He Gives Speeches
  25. 25. Smile Backing Vocals Montage
  26. 26. Surf's Up 1967 (Solo Version)
  27. 27. Psycodelic Sounds: Brian Falls Into A Piano
  28. 28. Capitol Smile Promo
  29. 29. Our Prayer (Dialog)
  30. 30. Heroes And Villains: Part 1
  31. 31. Heroes And Villains: Part 2
  32. 32. Heroes And Villains: Children Were Raised
  33. 33. Heroes And Villains: Prelude To Fade
  34. 34. My Only Sunshine (Parts 1 & 2)
  35. 35. Cabin Essence (Session Highlights And Stereo Backing Track)
  36. 36. Surf's Up (1st Movement)
  37. 37. Surf's Up: Piano Demo (Master Take)
  38. 38. Vegetables: Fade
  39. 39. The Elements: Fire
  40. 40. Cool, Cool Water (Version 2)
  41. 41. Good Vibrations: Session Highlights
  42. 42. Psycodelic Sounds: Brian Falls Into A Microphone

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen The Beach Boys – The SMiLE Sessions €16,98 €3,00 €19,98

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT The Beach Boys

Wer mit dem Namen Strand, Sonne und gute Laune verbindet, liegt nicht ganz falsch. Verkennt aber, dass die Beach Boys weitaus mehr waren als nur eine …

2 Kommentare