laut.de-Kritik

Matt leuchtende Glühwürmchen in einem düsteren Einheitsbrei.

Review von

The Amity Affliction lassen sich getrost zu einer handvoll Metalcore-Bands from Down Under zählen, die den internationalen Durchbruch geschafft haben. Egal wo die Aussie-Kombo aufschlägt, die Hallen sind bis unter die Decke gefüllt. Das praktizierte Wechselspiel aus geballter Aggression und hinreißenden Melodien hat einen Wiedererkennungswert in der Post-Hardcore-Szene.

Insbesondere auf ihrem dritten Studioalbum "Chasing Ghosts" vereinen die Australier facettentreich Melancholie und Härte. Wie so oft verschwindet jedoch die Unbekümmertheit mit der wachsenden Resonanz.

Beim Versuch, den gestiegenen Ansprüchen gerecht zu werden, schleicht sich schnell Kalkül ins Songwriting und der Flow geht verloren. Nach dem schwächelnden "Let The Ocean Take Me" spielt "This Could Be Heartbreak" nun leider endgültig all denjenigen in die Karten, die den Metalcore per se zum Scheitern verurteilt sehen.

Trotz der sensiblen Hintergrundgeschichte rund um die Depression von Shouter Joel Birch, ist das neuste Werk sowohl musikalisch als auch inhaltlich erschreckend flach geraten. Als hätte man alles Pulver verschossen, enden die Songs in immer gleichen Strukturen.

Am Einstieg gibt es eigentlich wenig zu mosern. "I Bring The Weather With Me" funktioniert wie viele andere Amity Affliction-Songs ziemlich gut. Im Video zur Single visualisiert, entspringt das Konzept des Albums, Birchs erlebter Nähe zum Tod: "It`s time to lay my head down, I can hear the weeping song".

Um dem stetigen Kampf gegen Selbstmordgedanken und die Alkoholsucht Ausdruck zu verleihen, röhren seine Shouts prägnant und voller Verzweiflung durch die finstere Atmosphäre. Die marginale Stiländerung erinnert zuweilen an die Konvention des Melodic-Hardcore. Stringers Pop-Punk Stimme strahlt dagegen wie gewohnt mehr Zuversicht aus.

Sofern man den konstruierten Pathos mit Kirchenglocken, Chorgesängen und eingeschobenem Poser-Gitarrensolo ausblendet, geht die Nummer noch in Ordnung. Gleiches gilt für den Titeltrack. Nach fluffigem Intro verdunkelt sich der Himmel erneut solange, bis die gesungenen Clean-Passagen die Wolken wieder zur Seite schieben. Ein maßgeschneiderter Schunkelsong ganz nach dem Geschmack des weiblichen Zielpublikums.

Damit hat die Platte ihren überschaubaren Höhepunkt viel zu früh erreicht. Was darauffolgt ist eine hochglanzproduzierte Endlosschleife von Depri-Zeilen, wie sie Staind zu besten Zeiten ungefragt aus dem Hemdzipfel geschüttelt hätten.

Als nerviger Daueraufhänger zeichnet sich die wechselseitige Fan-Identifikation ab: "So you're living in a nightmare, well I'm living in one too" ("Nightmare") oder "we're all fucked up like you, yeah we're all fucked up it's true" ("All Fucked Up"), um nur einige Auszüge zu zitieren.

Abgesehen davon, dass die Brüllattacken des Frontmanns kaum variieren, wirken auch die Chorus-Harmonien seines bassspielenden Kollegen wie austauschbare Versatzstücke eines uninspirierten Gesamtkonstrukts. Damit ist die ganz große Stärke der Band futsch

Ehrlich gesagt hätte "Oh my god I`m missing you" (O.M.G.I.M.Y.) kein Kürzel gebraucht, um dämlich zu klingen oder? Heavy getrimmte Songs wie etwa "Fight My Regrets" oder "Note To Self" können ihren Breakdown-Trumpf kaum ausspielen, weil der gefühlt in jedem anderen Stück bereits an der selben Stelle saß. Damit lockt man keinen Mosh-Veteranen mehr ins Circle-Pit.

"Tearing Me Apart" oder "Some Friends" lassen sich wohl als matt leuchtende Glühwürmchen in einem düsteren Einheitsbrei ausmachen. Letzterer weiß immerhin dank eingängigem Headbang-Refrain zu überzeugen.

Selbst wenn einige Melodien dann doch den Weg ins Ohr finden, im Rahmen eines gesamten Albumdurchlaufs gehen sie in Redundanzen unter. So schmerzt, gemäß des Schlussakkords "Blood In My Mouth", im Abgang die Erkenntnis, dass eine talentierte Band im Erfolg dermaßen den Faden verloren hat.

Trackliste

  1. 1. I Bring The Weather With Me
  2. 2. This Could Be Heartbreak
  3. 3. Nightmare
  4. 4. Tearing Me Apart
  5. 5. O.M.G.I.M.Y.
  6. 6. All Fucked Up
  7. 7. Fight My Regrets
  8. 8. Some Friends
  9. 9. Wishbone
  10. 10. Note To Self
  11. 11. Blood In My Mouth

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