Ich bin ein Platten-Boss, holt mich hier raus!? Am Donnerstag verließ "Wunderkind" Tim Renner seinen Chefsessel bei Universal Music Deutschland, bereits am Freitag tat es ihm "Onkel" Thomas Stein bei der BMG nach.

Berlin/München (vbu) - Groß-Exodus in der Musikindustrie: Seinen Posten wolle er wegen "unterschiedlicher Auffassungen" zwischen ihm und dem Mutterkonzern Universal Music International aufgeben, hatte Tim Renner am Donnerstag verlauten lassen. Die Führung in London plant, vermehrt in internationale Künstler zu investieren und nationale Acts eher zu vernachlässigen. Laut Universal-Pressemitteilung will Renner diesen Schritt nicht mitgehen. Der Markt brauche seiner Auffassung nach "Repertoire aus Szenen und Nischen". Schon zum Ende des Monats räumt Renner seine Stelle, übergangsweise übernimmt Jorgen Larsen, weltweiter Chef von Universal Music, die Position.

Am Freitag Mittag gab Bertelsmann bekannt, dass auch Thomas Stein, Chef des Labels BMG - besser bekannt als der gute "Onkel" bei Deutschland Sucht Den Superstar - seinen Chefsessel aufgibt. Gründe nennt der Medienkonzern keine. Schon Ende dieser Woche soll sein Nachfolger Maarten Steinkamp, Chef der BMG International, die Geschäfte übernehmen. Steins Rolle in der Jury von DSDS sei von seiner Entscheidung aber nicht betroffen, hieß es.

Stein hat eine stetig steigende Karriere hinter sich. Von der Lehre als Kaufmann über Redakteurstätigkeiten beim ZDF landete er schließlich bei der BMG, wo er 1988 die Geschäftsführung übernahm und 2003 zum Präsidenten der BMG Germany/Switzerland/Austria aufstieg. Obwohl sein Führungsstil als autokratisch bis selbstherrlich galt, war er wegen seines Erfolges lange unangreifbar. Sein plötzliches Ausscheiden gilt als Indiz dafür, dass die Pläne für eine Verschmelzung der BMG mit Sonymusic kurz vor ihrer Verwirklichung stehen. Das Branchenblatt Musikmarkt meldet, Stein werde zukünftig neue TV-Konzepte für RTL entwickeln.

Renner legte einen noch steileren Werdegang hin. Vom Musiker in der Punkband Quälende Geräusche über das Schreiben für ein Fanzine kam er während seines Germanistikstudiums für ein Praktikum zur Polydor. Renner blieb und schuf als Visionär das Label Motor Music, das unter anderem deutsche Acts wie Rammstein oder die Sportfreunde Stiller ans große Publikum brachte. Die Bosse waren begeistert, mit 36 Jahren stand er an der Spitze des größten deutschen Musikkonzerns Universal.

Ob man da Visionär bleiben kann? Zunächst galt er mit seinen Plänen für eine deutschlandweite und eine labeleigene Downloadplattform (Phonoline bzw. Popfile) weiter als Antrieb für innovative Neuerungen. Doch beide Projekte zogen sich wie Kaugummi, sind nach etlichen Ankündigen immer noch nicht bzw. nicht in überzeugender Form im Netz. Auch der von ihm initiierte Umzug von Universal Music nach Berlin und ein heftiges Rationalisierungskonzept bescherten Renner nicht nur Freunde.

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