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Platz 2: "Mensch", 2002

German Anteilnahme: Der Doppelverlust des Menschen Herbert Grönemeyer, der im November 1998 binnen weniger Tage Frau und Bruder verliert, schwebt 2002 als dunkle Wolke über der Nation. Nach Jahrzehnten des bitteren Kampfes um Privatsphäre (und vier Jahren ohne Album) stellt Grönemeyer die Melancholie ins Zentrum seines elften Studioalbums: "Mensch" bricht alle Rekorde und wird zum meistverkauften deutschsprachigen Album aller Zeiten.

"Mensch", "Demo (Letzter Tag)" und natürlich "Der Weg": Bei aller Schwermut scheinen die seit Lady Di auf Trauertourismus getrimmten Deutschen die Platte ausschließlich als Zeugnis großer Trauer und großen Schmerzes zu sehen – und überhören dabei, dass Grönemeyer in Wirklichkeit schon einen Schritt weiter ist. Denn "Mensch" ist ein Album des Verarbeitens, der Akzeptanz und des Nach-vorne-Schauens.

Erster Beweis ist das – gleich nach "Mensch" – verstörend rockige "Neuland", dessen simples Uptempo-Riffing auf dieser Tracklistposition schon verdammt Richtung Magengrube tritt. Wie schon in den Neunzigern verwischt Herbert gekonnt die Linie zwischen Politrock und persönlicher, nach innen gerichteter Trotzhymne: "Komm in die Gänge / Start' den Motor im Kopf / Kein Gleichschritt, keine Zwänge / Pack das Schicksal am Schopf / Hast du dich auch verwählt / Für Panik gibts kein Patent / Vergeude nicht dein Talent."

Zwischen den großen Singlehymnen und an "Chaos" erinnernden Mid-Tempo-Nummern ("Kein Pokal") bewahren sich Grönemeyer und Produzent Alex Silva auch einen Teil der elektronischen Soundexperimente des Vorgängers: Das textlich zerreißende, fragmentarisch-anekdotenhafte "Dort Und Hier" tränkt seine Traurigkeit in abwesend verfilterten Sprechgesang. Diese eher rezitierende Vortragsform findet sich auch im beatlastigen "Blick Zurück".

Und auch das ewig traurige "Der Weg" ist in seinem klagenden Zucken mehr gesprochen als wirklich gesungen – was sein Publikum leider bis heute nicht am Versuch hindert, genau das zu tun. Als Gegenentwurf (thematisch wie musikalisch) dient hier die vierte, meist vergessene Single "Zum Meer": In seiner Paarung von erfreulich unkitschigen Streicherflächen mit mäandernden E-Drum-Programmings greift der Track hier erneut das nordische Wassermotiv ("Am Strand des Lebens" / "Durch alle Gezeiten") auf – und qualifiziert sich so als großer cineastischer Moment des Albums.

Und hier steht dann auch endgültig die Hoffnung in großen Lettern geschrieben: "Dreh dich um / Dreh dich um / Dreh dein Kreuz in den Sturm / Wirst dich versöhnen, wirst gewähren / Selbst befreien für den Weg zum Meer." Noch nicht wieder himmelhoch jauchzend, doch zumindest nicht länger zu Tode betrübt.

Ruhig auch mal hören:

"Zum Meer", "Unbewohnt", "Lache, wenn es nicht zum Weinen reicht"

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"Mensch"*

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