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Platz 1: Violator

Warum kann Anton Corbijn heute ein Depeche Mode-Fotobuch für 750 Euro verkaufen? Maßgeblich aufgrund seiner großartigen Visual-Arbeit für "Violator", angefangen beim Cover-Artwork des Albums und der Singles über das Stage-Design bis hin zu den ikonischen Videos. Und dann war da noch Martin L. Gore, der sich von der frisch entfachten Liebe amerikanischer Jugendlicher nicht beeindrucken ließ und für den "mit Abstand lächerlichsten Heavy Metal-Titel, der uns eingefallen ist" neun Songs komponiert, die mit einem überraschend entschlackten Sound zu neuen Ufern aufbrechen.

Dass sie hier kommerziell gesehen ihr "Dark Side Of The Moon" erreichen, ahnt zunächst keiner, zu rüde und ungewohnt erscheint die Single "Personal Jesus", die später sogar Johnny Cash adelt. "Enjoy The Silence" hebt "Violator" als bittersüßer Crowdpleaser dann aufs nächste Level. Es ist die Quintessenz der gesamten bisherigen Depeche-Karriere in vier Minuten: Dramatik, Grandezza, Dancebeats und eine Melodie, die in Wave-Discos, im Formatradio und an der Wurstbude funktioniert. Wo man sie bald auch überall antrifft.

Für das Vermitteln des Produzenten-/Mixer-Gespanns Flood und François Kevorkian klopft sich Labelchef Miller heute noch auf die Schulter - zurecht. Allein für den Opener "World In My Eyes" müsste man Kevorkian nachträglich eine Sänfte bauen: Jede einzelne 808-Snare ein Schlag in die Magengrube, die begleitenden Hi-Hats mit der technischen Präzision eines Space Shuttle-Starts (oder eben einer ganz normalen Kraftwerk-Platte). Aber auch bandhistorisch ist "Violator" ein Einschnitt: Zum letzten mal bilden die vier Basildon Boys hier eine verschworene Einheit.

Tagsüber tüfteln sie mit dem jungen Produzenten Flood an einem neuen Sound, abends wird ordentlich Party gemacht. Wie auch auf der gerne übersehenen Welttournee zum Erfolgsalbum, von der es sträflicherweise bis heute keinen offiziellen Livemitschnitt gibt, obwohl Mischpultaufnahmen existieren. Aus damaliger Sicht noch verständlich: Zwei Jahre nach "101" sah die Band keinerlei Sinn darin, erneut ein Livealbum zu veröffentlichen. 1994 erschien der Corbijn-Livefilm "Devotional", doch war es die weltweit ausverkaufte "World Violation"-Tour 1990, auf der Fans erstmals "Enjoy The Silence" und "Personal Jesus" live erleben konnten, bereits damals in nahezu perfekt arrangierten Bühnenversionen. Dazu noch die auf späteren Tourneen ignorierten Hits "Master & Servant" und "Shake The Disease", "Everything Counts" erstrahlte in einer Acid-House-Version und das Konzertfinale krönte ein Cover von "Route 66".

Natürlich könnte man bei der Frage nach dem besten Depeche-Mode-Album die ersten fünf Plätze auch einfach auswürfeln. Auf "Violator" fließen minimalistische Kühle und natürliches Instrumentarium allerdings so organisch zusammen, als wären die Genres Rock und Electro schon immer eins gewesen. Und wenn selbst Funkrocker John Frusciante dieses Album mit der Magie eines Jimi Hendrix vergleicht, kann eigentlich kein anderes ganz oben stehen, oder? Wer noch mehr über die Umstände, die zu diesem Epos führten, erfahren möchte, sollte sich die Lektüre "Halo" besorgen, die einige spannende Stories von Zeitzeugen beinhaltet.

Anspieltipps - von den Welthits abgesehen:

"Halo", "Waiting For The Night", "Clean".

"Violator"*

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