10. Juni 2004

Keinen Bock mehr auf intergalaktische Zwischenfälle

Interview geführt von

Auch wenn in Hamburg die Bedeutung der meisten katholischen Feiertage unbekannt ist, hat Iron Savior-Frontmann Piet Sielck Grund zur guten Laune. Immerhin ist ihm mit "Battering Ram" ein weiteres, sehr gutes Album gelungen.

Hey Piet, seh ich das richtig, dass ihr in Hamburg heute arbeiten müsst?

Quatsch, in Hamburg wird doch nicht gearbeitet. Nein, natürlich müssen wir arbeiten, Feiertage gibts in Hamburg eh keine. Da Hamburg nicht unbedingt sehr katholisch ist, haben wir es hier mit den Feiertagen nicht so dicke und Fasching gibts hier auch nicht.

Darum beneide ich euch aber. Ich wohne hier in Mainz mitten in der Altstadt, und dass die Fanfarenzüge nicht noch durch meine Küche latschen, ist grad alles.

Ich bin auch nicht unbedingt der Fan davon, und das ist aus norddeutscher Sicht auch immer wieder etwas befremdlich, wenn man so was im Fernsehen sieht. Man denkt sich immer nur: "Och jo, wenns schön macht."

Es hilft nicht, glaub mir. Aber kommen wir doch zu Iron Savior. Mit "Battering Ram" legt ihr zum ersten Mal KEIN Konzeptalbum vor. Warum das? Ist das Konzept des Iron Saviors abgeschlossen?

Nein, das nicht, und es gibt auch drei Songs auf der Scheibe, die die Geschichte weiterführen. Das ließ sich auch gar nicht vermeiden, denn es hätte doch den einen oder anderen gegeben, der ganz bitter enttäuscht gewesen wäre, wenn sich die Story irgendwo im All verloren hätte. Ich hatte aber auch absolut keinen Bock, jetzt zum fünften Mal über Raumschiffe und intergalaktische Zwischenfälle zu singen. Das musste dann doch nicht sein. Auf der "Condition Red" hat mich das schon irgendwie eingeengt. Auf den ersten Scheiben war das noch anders, da haben mich diese Themen eher beflügelt, da ich einfach einer bestimmten Storyline gefolgt bin. Inzwischen ist das aber etwas langweilig, da es sich in letzter Konsequenz doch immer um die selbe Thematik dreht. Vor allem wiederholt sich auch das Vokabular, und ich wollte mal ein paar neue Worte benutzen. Ich wollte klassische Metal-Texte und -Worte benutzen, hahaha.

Lass mich raten, dir ist ein englisches Wörterbuch in die Hände gefallen, und du hast gemerkt, dass es da noch viele unbenutzte Formulierungen gibt.

So in der Art, hahaha, aber auch das Songmaterial hat nach anderen Texten verlangt. Das Material ist alles in allem etwas strukturierter geworden und noch mehr geradeaus. Ein Song wie "Break The Curse" hätte einfach nicht mit Science Fiction-Lyrics funktioniert, und das ist bei weitem nicht der Einzige. Eines kam zum anderen, und irgendwann dachte ich mir, dass es Zeit ist, von den Konzeptalben wegzukommen. Ganz zu Anfang war noch geplant, das Album "Machine World" zu nennen, das habe ich aber relativ schnell wieder über Bord geworfen.

Du hast "Break The Curse" selber schon erwähnt. Vergleiche mit Judas Priest werden da sicher nicht ausbleiben. Wenn man sich die letzte Gamma Ray beispielsweise anhört, die schon beinahe wie ein Tribute Scheibe für die Priester klang. Was denkst du lässt sich aus dem traditionellen Power Metal überhaupt noch rausholen?

Wenn man sich wie wir wirklich in diesem klassischen Metal-Bereich aufhält, dann wurde da in den letzten 30 Jahren musikalisch so ziemlich alles gesagt, was es zu sagen gab. Das würde aber im Umkehrschluss bedeuten, dass bis auf die alten Helden alle sofort aufhören müssten, diese Musik zu spielen. Das kann es aber auch nicht sein, denn das würde ja das aus für unzählige Bands und auch Musikrichtungen bedeuten. Nimm doch nur den Blues. Nur weil B.B. King eigentlich jedes Blueslick mal gespielt hat, soll man da als Bluesgitarrist seine Klampfe verbrennen? Wohl kaum.

Sagen wirs doch lieber anders rum: Die alten Säcke sollen endlich mal aufhören.

Auch das könnte man sagen, aber warum? B.B. King ist nach wie vor ein brillanter Gittarist, und auch Judas Priest sind nach wie vor ... jetzt wieder ... hoffentlich ... eine Klasse-Band. Von daher kann man einfach keine allgemeine Aussagen treffen. Es ist einfach so, dass diese klassische Form von Metal für mich die Basis, sozusagen die Ursuppe von allem ist. Daraus entstehen hier und da irgendwelche Trends, die sich eine Zeit lang halten und irgendwann wieder verschwinden. Die Basis bleibt aber nach wie vor erhalten und ist einfach die Grundlage für alle Trends, die in den letzten Jahren aufkamen und in den nächsten Jahren kommen werden. Deswegen bin ich davon überzeugt, dass diese Musik, auch wenn sie momentan nicht der Bringer auf dem Markt ist, trotzdem langfristig existieren wird. Was wir hier mit Iron Savior machen ist vielleicht ein wenig retro und somit gegen den Trend, aber scheiß drauf.

Die guten Bands sind ja auch nach wie vor da und haben sich etabliert, und Iron Savior muss man wohl definitiv dazu zählen.

Danke, ich hoffe du hast recht. Ich denke, mit dem letzten Album haben wir klar gemacht, wo die Reise hingeht, und es scheint, dass diese Richtung von den Fans akzeptiert wird.

Mal abgesehen von den Judas Priest-Einflüssen erinnert mich dein Gesang, gerade bei "Time Will Tell" stark an Hansi Kürsch von Blind Guardian. Auch den Sologitarrensound bei "Riding Free" hab ich in der Art schon von André Olbrich gehört.

Pffrrrzz, da kann ich nicht so viel zu sagen. Dass es zwischen Hansi und mir eine gewisse Ähnlichkeit im Gesang gibt, ist nicht so überraschend, da wir beide nicht die üblichen Power Metal-Heldentenöre sind, sondern wir beide eher etwas Raues in der Stimme haben. Wenn man dann in höhere Lagen geht, klingt das vom Zerrfaktor her irgendwann einfach ähnlich. In letzter Konsequenz hat Hansi aber doch einen anderen Stil, vor allem von der Aussprache, der Melodieführung und der Wahl der Wörter her unterscheiden wir uns aber doch maßgeblich. Blind Guardian waren aber definitiv kein Orientierungspunkt für "Battering Ram", denn ich konnte mit den letzten beiden Scheiben nicht viel anfangen. Was den Gitarrensound angeht, kann schon sein. Mit dem arbeite ich seit der "Condition Red" und fühle mich damit eigentlich ganz wohl.

Benutzen Piesel und du einen ähnlichen Gitarrensound?

Nö überhaupt nicht, die sind eigentlich grundverschieden. Piesel hat einen ziemlich anderen Sound, und ich finde, man kann auch deutlich heraushören, wann wer gerade ein Solo spielt. Wir sogar schon überlegt, auf die entsprechenden Kennzeichnungen im Booklet zu verzichten, da es doch sehr deutlich ist, wer gerade am Solo spielen ist. Vor allem hat Piesel auch einen vollkommen anderen Gitarrenstil als ich.

Worin siehst du persönlich die größten Unterschiede zum Vorgänger? Dass das neue Album wesentlich straighter ist, darin stimmen wir ja schon überein.

Die Texte haben wir ja auch schon erwähnt und ich finde, die machen es für jemanden, der sich mit nicht auskennt, deutlich einfacher, sich mit uns zu identifizieren. Wenn du einen Song mit einem klassischen Metal-Text hast, findest du dich damit viel einfacher zurecht, als mit irgendeinen Science Fiction-Kram, von dem du erst mal nichts verstehst. Bei den jetzigen Texten hat man viel schneller eine grobe Vorstellung, worum es geht. Das größte Merkmal dürfte aber tatsächlich die direktere Ausrichtung der Songs sein. Frickeleien haben zwar ihren Reiz, aber live braucht das doch keine Sau. Wenn man auf ein Konzert geht, will man Power, Dampf und Energie haben. Da knallen die simpleren Sachen einfach deutlich mehr. Eine deutliche Veränderung ist auch, dass die Songs nur noch zu etwa 65% von mir sind. Piesel hat jeweils zwei alleine und zwei mit mir zusammen geschrieben, Yenz, unser neuer Basser, hat auch einen Song beigesteuert, was mir persönlich sehr recht ist, da ich somit nicht mehr das ganze Songwriting übernehmen muss.

War das bisher eher so, dass du einfach genügend Ideen hattest, dass die anderen nichts machen mussten, hatten die keinen Bock, oder woran lags?

Da Piesel nun inzwischen drei Jahre bei Iron Savior ist, hat er einfach den Spirit der Musik so weit geatmet, dass die Songs von ihm stilistisch 100%ig zu unserem Sound passen. Er hat früher auch schon Songs geschrieben, doch passten die bisher nicht so eindeutig ins Konzept. Bei Yenz ist das wirklich ein Glücksgriff gewesen, denn so blöd das auch war, dass Jan sich für Masterplan entschieden hat, haben wir mit Yenz den perfekten Mann gefunden. Diese ganzen LineUp-Schwierigkeiten gingen mir doch ziemlich auf den Sack, vor allem als Jan dann ankam und meinte: "Hey, ich spiel jetzt bei Masterplan", sagt ich nur: "Ja spitze, ganz tolle Idee". Wir haben das dann ein halbes Jahr ausprobiert, ob es klappt mit beiden Bands, aber dann hab ich die Notbremse gezogen, weil das einfach nicht funktioniert hat. Das fing dann schon wieder so an wie mit Kai Hansen, mit den ganzen Überschneidungen, und darauf hatte ich einfach keinen Bock mehr. Jan ist dann eben zu Masterplan, und wir haben jetzt Yenz. Der Kerl kommt aus Dänemark und hat da schon bei den Vorläufern von Mercyful Fate gespielt. Er hat auch ein paar eigene Bands als Frontmann gehabt und war da nicht ohne Erfolge. Auch als Boss eines kleinen Labels konnte er sich einen Namen machen und ist als Produzent ebenfalls nicht unerfahren, was mir bei der Produktion sehr entgegen kam. Der Kerl war wirklich ein Glücksgriff.

Deine Vorliebe für Science Fiction ist ja bekannt. Welche Literatur bevorzugst du in dieser Richtung? Gehört Perry Rhodan auch zu deinen Faves?

Klar, was denkst du denn? Früher hab ich das Zeug quasi eingeatmet, heute fehlt mir aber etwas die Zeit dafür. Was andere Serien angeht, fand ich die Terranauten ganz interessant, aber so ganz bin ich nicht warm damit geworden.

Was hat dich den an Science Fiction-Movie in den letzten Jahren am meisten beeindruckt?

Beeindruckend fand ich die Matrix-Trilogie, besonders den ersten Teil fand ich den Hammer. Der zweite war ganz ok, wenngleich die Überraschung über die Matrix-Welt nicht mehr so groß war, und den dritten Teil fand ich etwas verwirrend. Das mit dem Architekten hab ich irgendwie nicht so geschnallt. Star Wars Episode I ging in Ordnung, es haben aber die wirklichen Helden gefehlt, und Jabba Binx ging einfach nur auf die Eier. Episode II fand ich deutlich besser, da die Charaktere interessanter waren und auch diese Klontypen mit ihrem Wasserplaneten. Ich dachte nur: "Ey geil, das spielt in Hamburg", hahaha.

Du hast ja die Scheibe von Beyond Surface produziert und warst in diesen Young Metal Gods-Wettbewerb integriert. Inwiefern fandest du das sinnvoll? Was wirklich Neues hat ja keiner der drei Finalisten (Dyecrest und Persuader) zu bieten gehabt.

Grundsätzlich fand ich die Aktion schon sinnvoll. Was Beyond Surface spielen, ist zwar nicht so sehr meine Baustelle, aber eine gute Band ist das allemal. Das gleich gilt für die anderen beiden auch. Ohne den Wettbewerb wären die vielleicht noch auf Jahre hinaus im Underground geblieben. Es ging ja darum, dem Nachwuchs eine Chance zu geben, ohne dass die dann direkt mehrere tausend Scheiben absetzen.

Ich fand es nur lächerlich, den Wettbewerb so hinzustellen, als ob dort die nächste Revolution im Metal ausgelöst wird. Dabei wärmen alle drei nur Altbekanntes neu auf.

Was willst du denn noch neues Musikalisches erreichen? Hauptaugenmerk war doch, frisches Blut in die Szene zu bringen, damit nicht immer nur alte Säcke auf den Konzerten spielen. Das Rad kannste einfach nicht neu erfinden. Du kannst nur versuchen, dem Ganzen deinen Stempel aufzudrücken und die Musik lebendig zu gestalten. Meiner Meinung nach ging es hauptsächlich darum, neue Bands zu etablieren, und ich hoffe, dass wir das geschafft haben.

Das Interview führte Michael Edele

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