Der Höhepunkt der Calypso-Welle schwappt Mitte der 1950er Jahre über Trinidad und Tobago. Die Einwohner der nördlich von Venezuela gelegenen Karibik-Inseln tanzen ausgiebig zu den Weisen der Calypsonians, wie die Calypso-Musiker genannt werden. In dieser Zeit entsteht das wohl berühmteste aller Calypso-Lieder: "Banana Boat Song"! In der Interpretation von Harry Belafonte gelangt der Karibik-Schlager Anfang der 60er zu Weltruhm.

Entwickelt hat sich der Calypso gut 100 Jahre früher. Aus der Synthese afrikanischer und westindischer Folklore entwickelt er sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ausschlaggebend: Die Abschaffung der Sklaverei in Mittelamerika 1838.

Im Angesicht dieser schrecklichen Historie und der nach wie vor währenden Kolonialherrschaft beherrschen sozialkritische Inhalte die Texte. Politische Statements sind nicht nur in den Reimen der "Chantwells", wie die singenden Geschichtenerzähler auf Trinidad genannt werden, hörbar, sondern auch in der Wahl der Künstlerpseudonyme: Lord Executer, Attila de Hun, Roaring Lion, Growling Tiger und Mighty Terror geben dem Aufbegehren einen Namen.

Doch die Karibik wäre nicht die Karibik, würde sie trotz widriger Umstände das Feiern vernachlässigen. Und so bestimmt Heiterkeit, Lebensfreude, Humor und die gute, alte Liebe die andere Hälfte der Inhalte.

Die Musik spiegelt mit ihrer Leichtfüßigkeit diese Lust am Leben deutlich wider. Der karibische Karneval etabliert sich deshalb vermehrt zur Spielstätte des Calypso. In seinem bunten Treiben entsteht und setzt sich um 1900 auch die Bezeichnung Calypso durch.

Die Popularität des Genres steigert sich in den folgenden Jahrzehnten ununterbrochen, während die Erfindung und massenhafte Verbreitung von Radio und Schallplatte dem Boom so richtig einheizt. Mitte der 50er erreicht er nicht nur in der Karibik seinen Höhepunkt, er schwappt auch nach Europa und Amerika über.

Erlaubt ist, was Spaß macht. Wirklich ernst zu nehmende Erkennungsmerkmale existieren für den Calypso nur Wenige. Die musikalischen Parameter folgen keinen deutlich markierten Gesetzen. Einzig die Improvisation und einige landestypische Instrumente sind als Stilmittel beliebt. Erstere gewährleistet, den neuesten Tratsch und Klatsch oder aktuelle Nachrichten in die Shows einzutexten. Letztere sorgen für den nötigen Karibik-Flair.

Nach dem zweiten Weltkrieg begleiten immer häufiger Steeldrum-Bands die Calypsonians. Aufgrund der Abschaffung des bis dato herrschenden Trommelverbots (das die britische Kolonialmacht 1883 einführte), schwingt sich die Ölfasstrommel schnell zum Wahrzeichen und Nationalinstrument Trinidads und Tobagos empor.

Nachdem die Inseljugend den Calypso in den 70ern zunehmend verschmäht, nehmen seine Väter die Herausforderung der Runderneuerung an. Soca, die Verschmelzung von Soul und Calypso beginnt in den 80ern die Stilpalette farbiger und vor allem moderner zu gestalten. Inzwischen gibt es viele Spielarten. Rapso (Rap und Soca), Ragga-Soca, Disco-Soca und Chutney-Soca (der den indischen Anteil in den Vordergrund stellt) sind nur einige davon.

Am besten verschafft man sich einen persönlichen Hör-Eindruck. Hervorragend gelingt das mit "Calypso - Vintage Songs from the Caribbean", einer Compilation des renommierten Worldmusic-Labels Putomayo (2002), oder mit "Calypso@Dirty Jim's" (Emi, 2005), auf der sich die noch lebenden Legenden des Genres ein Stelldichein geben. Lord Superior, Calpyso Rose (eine der wenigen Sängerinnen), Mighty Sparrow, Bomber, Relator und Mighty Terror reichen sich auf "Calypso@Dirty Jim's" die Studioklinke noch einmal in die Hand, um ihre Botschaft für die Nachwelt zu konservieren, was ausgezeichnet gelingt!