Details

Mit:
Datum: 4. April 2010
Location: X-tra
Limmatstraße 118
8005 Zürich
Website: Offizielle Homepage des Veranstaltungsorts
Alle Termine ohne Gewähr

Review

laut.de-Kritik

Dicke Ostereier Live At Easter: Method Man, Diam's und Curse.

Review von Dani Fromm

Dicke, dicke Eier haben die Osterhasen vom Zürcher X-Tra ihrer kopfnickenden Gemeinde ins Nest gelegt. Unter dem Banner "Live At Easter" lud man - Karfreitags-Tanzverbote scheinen in der Eidgenossenschaft nicht zu greifen - zunächst Dendemann, die Beatnuts und I AM, am Samstagabend dann Hocus Pocus, De La Soul und Blumentopf ins Haus.

Das Ostersonntagsprogramm setzt dem edlen Line-Up die Krone auf: Curse, Diam's und Method Man feiern in bester Stimmung mit einer ebenso blendend aufgelegten Zuschauergemeinde ein Rap-Fest, das auch dem letzten Zweifler den Glauben an ein gebeuteltes Genre zurückgibt. Wer es nicht wusste: Hip Hop ist gar nicht so garstig, wie einige wenige seiner Vertreter glauben machen möchten. Hip Hop ist eine völkerverständigende Angelegenheit - it's a celebration, motherfucker!

Curse entfesselt die "Sinnflut"

Um Viertel nach acht - "kurz nach der Tagesschau" - eine Bühne in einem noch übersichtlich gefüllten Club zu rocken: nicht die einfachste Aufgabe, aber auch keine, die einen alten Hasen überfordern würde. "Nur damit ihr wisst, wer ab jetzt am Mic ist, nur damit ihr wisst, wer ab jetzt regiert" lässt Curse seine "Sinnflut" über das Volk hereinbrechen.

Mit satter Live-Band im Rücken und flankiert von zauberhaften Backgroundgesang von Mariama und Samir startet der Ex-Mindener, was sich mehr und mehr wie "Einblick Zurück", eine Rückblende auf meine eigene Rap-Besessenheit, anfühlt: Von Kostproben aus "Feuerwasser" über "Von Innen Nach Außen" und "Innere Sicherheit" intoniert Curse das Hohe Lied des gehaltvollen Sprechgesangs - und natürlich kriegt er seine Vielseitigkeits-Demonstration "Rap" auch live und direkt gespuckt.

Diam's: Fleischwerdung der "Rapgesetze"

Das soll erst der Auftakt des Abends gewesen sein? Yo, Mama. Ich habe nicht wirklich daran geglaubt, dass Diam's dem Gebotenen gar so mühelos eins draufsetzen könnte. In Deutschland hätte es die Naturgewalt mit ihren französischsprachigen Raps vermutlich deutlich schwerer als en Suisse. Doch auch hier müsste angesichts einer solch fulminanten Show eigentlich jeder Dubbel kapieren, dass vor ihm die Fleischwerdung der Curse'schen "Zehn Rapgesetze" auf der Bühne steht. "I am somebody. Äh, keine Fragen mehr.

Nicht ohne Grund zählt Diam's in ihrer Heimat zur ersten Garde. Brachiale Wortgewalt, Flow, schiere Begnadung erkennt, wer Ohren hat, auch ohne des Französischen mächtig zu sein. Das Publikum setzt Diam'sche Schrittfolgen - "à droite, à droite, à gauche, à gauche" - jedenfalls mehr als "nur ein ganz kleines Bisschen" überzeugender um als zuvor von Curse angeregtes "Jetzt laufen mal alle von rechts und links in die Mitte, und die aus der Mitte an die Seiten".

Wer die Texte versteht, entdeckt zudem reflektierte, politisch motivierte, kraftvolle Zeilen. Doch auch ohne Lyrics und Ansagen hundertprozentig folgen zu können: Der Spaß an der Sache springt Diam's, ihren mehr oder weniger wuchtigen Background-Grazien und den Jungs an Instrumenten und Plattentellern schier aus den Gesichtern, auch wenn sie gelegentlich übertrieben tief im Pathos waten.

"Kann ich mal bitte alle lachen sehen?"

"Kann ich mal bitte alle lachen sehen!" - eine Aufforderung, die keiner Rap-Show schaden könnte - verkommt spätestens bei der Zugabe zur überflüssigsten aller Ansagen: Diam's & Co. entern die Bühne ein zweites Mal - in Bären-, Skelett-, Spiderman- und Obelix-Kostümen. Pipi Langstrumpf hätte an der mit "Peter Pan" unters Volk geschmetterten Absage ans Erwachsen-Werden-Wollen ihre helle Freude gehabt. Fürs Publikum setzt es Glitzerregen aus Konfettikanonen.

Umbaupause. Es schleichen sich die üblichen Fragen vor einer Wu-Show ein. Wie mag er drauf sein? Ist er überhaupt da? Einer wie Method Man wird, wenn er am Abend zuvor in München aufgetreten ist, gerne mal an der Grenze zerpflückt. Nicht selten schlägt sich solches aufs Gemüt ...

Cilvaringz sondiert das Terrain

Cilvaringz aus dem Killa Bees-Schwarm jedenfalls ist da. Zusammen mit einem mir komplett unbekannten Sidekick obliegt ihm die ehrenwerte Aufgabe, für Meth das Terrain zu sondieren, "to check the energy level". Kein Problem. Die inzwischen gut gefüllte Halle beweist beste Vibes, Hände formen Fledermaus-Kolonien, rauchen darf man auch - wir befinden uns schließlich in der Schweiz. Exzellenter Nährboden für Mr. Iron Lung.

When Meth says 'Wu-Tang', we say 'Clan'!

Der nimmt Stage und Halle im Moment seines Auftretens in Besitz, wirkt zugleich übermenschgroß und komplett unbekümmert und wickelt das anwesende Kopfnickervolk ohne Ausnahme im Handumdrehen um den kleinen Finger. Well, das nennt man wohl Bühnenpräsenz. "When I say 'Wu-Tang'?" - Ehrensache, we say 'Clan'! Und ja, den Namen des Motherfuckers an seiner Seite, den kennen wir - und brüllen ihn auf Verlangen: "Streetlife!"

Method Man rockt sich, "low like a limbo" bis "how high", durch aktuelles wie mittelaltes Material mit gleichermaßen vollem Körpereinsatz. Gewagte Stagedives, Händeschütteln, Tüten-Teilen, Schaurauchen und fingerfertige Spielereien mit aus der ersten Reihe entliehenen Kappen inklusive.

Still nuthin' da fuck with

Und er versteht natürlich: "I would like to play some new songs - but you want that old shit, right?" Right. Also ab in die 36 Kammern, "nuthin' da fuck with". Tagelang anhaltender Genickschmerz wird billigend in Kauf genommen. Einen Riesenkerl wie Method Man mit seinen Pranken ein Herzchen formen zu sehen: wie Balsam auf den strapazierten Nackenwirbeln.

Aus Hunderten Kehlen schmettert Meth "Oooh, baby, I like it raw" entgegen - die Hommage an den schmerzlich vermissten, auf ewig unersetzlichen Ol' Dirty Bastard wächst sich zur Gedenkfeier für viele gefallene Brüder, von Pac und Biggie über Big Pun und Proof bis zu J. Dilla aus. Selbst eine Erinnerung an die Opfer des jüngsten Terroranschlags in Moskau wirkt in diesem Zusammenhang nicht deplatziert. Dass Grenzen, Nationalitäten, Hautfarben keine Rolle spielen - an einem Abend wie diesem möchte man es glauben.

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Artistinfo

LAUT.DE-PORTRÄT Curse

"Was für ein großes Gefühl, was für große Erwartungen, die ich fühl'. Was für große Verantwortung, was für eine große Bürde zu beschreiben, …

LAUT.DE-PORTRÄT Method Man

"Wenn man anfängt, seine eigene Presse zu lesen, dann hinterfragt man irgendwann alles, seine ganze Person. Man fragt sich: 'Bin ich wirklich so wack, …