laut.de-Kritik

Die Injektion des Funk in den Blues: sentimentale Anachronismen.

Review von

Genau so wie auf "All My Love For You" macht man guten alten Chicago-Blues. Bobby Rush hat mit 89 (!) Jahren immer noch stories to tell, die ihn schon lange umtreiben, zwei Drittel seines Lebens. "Seit 1968 war ich in einer Situation, in der jemand zu mir kam und sagte: 'Bobby Rush, dein Blues ist so funky, wir wissen nicht, wie wir dich nennen sollen. Funk, Folk oder anders.' Sie wussten nicht, wie sie mich nennen sollten. Ich war der erste Mann, der den Funk in den Blues brachte."

Bluesseitig kommt auf "All My Love For You" standesgemäß über weite Strecken die Mundharmonika kräftig zum Einsatz, etwa im autobiographischen "I'm The One", und auch das Klavier, gespielt in Mississippi-Manier, so in "Running In And Out", einem zügigen, treibenden und sehr guten Song. In "I Got A Proposition For You" gibts die Mundharmonika sogar in einem Solo, und in "I Want To" folgt noch eins. In letzterem trägt der Senior seine Geschichte außerdem als Talking Blues entlang eines stampfenden, einprägsamen Bass-Riffs vor.

Sicher hebt dieses Album von Bobby Rush in seinem Anachronismus, seiner Sentimentalität und Nostalgie jetzt nicht die Musikwelt aus den Angeln, das anzunehmen wäre illusorisch. Der Reiz dieser Scheibe liegt eher in der Konstellation: Ein Künstler mit einer langen Geschichte, der 70 Jahre in Tonstudios stand und immer noch Shows spielt, verbreitet eine Wohlfühl-Aura. Es ist schön, dass er noch im Rennen ist, und er schlachtet ein Subgenre aus, für das er zweifellos Pionier war und bis heute Pate steht.

Nach hinten hinaus gerät Bobby Rushs Album leider schläfrig und mit Lyrics wie in "I'll Do Anything For You" über einen Mann, der seine Partnerin mit Geld und Liebe überschüttet, auch etwas zu traditionalistisch, tausendfach gehört, langweilig. "I'm not like B.B. King, I'm not like 'Guitar Slim' (...) I was born in the country in a one-room shack / left home with 15, with a guitar on my back / I went Chicago (y'all), in 1952 (...) I'm the one who put the funk in the blues", erinnert sich Bobby in "I'm The One" erst an seine Teenager-Zeit, dann an sein besagtes Wirken im Fusionieren musikalischer Ausdrucksformen.

Nur eine Gitarre habe ihn in die Windy City begleitet: Genug Gepäck angesichts dessen, dass er den Blues morgens beim Aufstehen schon fühle, an nichts anderes denke und abends beim Einschlafen immer noch für den Blues fiebere. Was mögliche Vorbilder angeht, kam man damals an Muddy Waters und B.B. nicht vorbei, doch er, Bobby, habe letztlich seinen eigenen Weg gefunden, dem Blues den Funk zu injizieren.

Wie es oft so ist, fetzt gerade der Track über Musik, der, der sie zum Thema hat, am meisten: Das wuselige Arrangement von "I'm The One" bringt auch einmal die Gitarre und überhaupt die Instrumente gut zur Geltung, löst sich vom Fokus auf die Stimme. Wenn es hier doch öfter so wäre, so wie etwa Orgel und Klavier in "I Got A Proposition For You" mit der Melodie arbeiten und über sie variieren, dann wäre für diese traditionsverbundene Platte viel gewonnen.

Trackliste

  1. 1. I'm Free
  2. 2. Running In And Out
  3. 3. I Want To
  4. 4. One Monkey Can Stop A Show
  5. 5. I Can't Stand It
  6. 6. TV Mama
  7. 7. I'll Do Anything For You
  8. 8. I'm The One
  9. 9. You're Gonna Need A Man Like Me
  10. 10. I Got A Proposition For You

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