28. August 2008

"Es gibt keinen Hippie-Trend!"

Interview geführt von

Berlin im August. Dass Yeasayer mit "All Hour Cymbals" eines der spannendsten Debüts der letzten Jahre hingelegt haben, darüber herrscht nicht nur in Indieland Einigkeit. Doch woher kommt der abgedrehte, hippieske und zugleich futuristische Sound der vier Mannen aus Brooklyn? Höchste Zeit für ein Gespräch.Laut.de trifft Drummer Luke Fasano und Gitarrist/Sänger Anand Wilder im Backstage-Bereich des Kreuzberger Lido. Gerade haben Yeasayer beim Haldern Pop begeistert, doch der Hunger ist ungestillt – nicht nur auf den heutigen Gig, auch das bestellte Essen lässt auf sich warten. Schnell loslegen, bevor der Hungerast einsetzt...

Ihr müsst eine intensive Zeit gehabt haben seit Album-Release Ende 2007: So viele gute Kritiken, so viel unterwegs...

Anand: Es war eine sehr gute Zeit. Auf jeden Fall besser als die Zeit davor.
Luke: Das war eine schreckliche Zeit.

Warum schrecklich?

Anand: Ach, wir sind aufgetreten und niemand wusste, wer zum Teufel wir sind. Bevor das Album rauskam, haben nur einige Blogs über uns geschrieben. Nur in Philadelphia und New York war es okay.

Habt Ihr eine besonders große Fanbase in New York?

Anand: Ja, die ist ziemlich groß. Wir haben so viele Freunde dort, dass wir eine Venue schon allein mit denen füllen können.

Existiert in Brooklyn eine Szene, zu der Ihr Euch zugehörig fühlt?

Luke: Ich denke, das ist eine Fehlwahrnehmung, dass es die eine Brooklyn-Szene gibt. Es gibt in Brooklyn eine Vielzahl an verschiedenen Szenen.

Gibt es Bands aus Brooklyn, mit denen Ihr befreundet seid? Ihr wart mit MGMT auf Tour...

Anand: Stimmt. Wir haben MGMT durch einen Freund kennengelernt und wir haben das gleiche Alter. Dieser Freund hat für uns mit MGMT eine Art Blind Date arrangiert: 'Hey, ihr müsst die unbedingt treffen, die machen auch coole Musik.' Aber es gab keinen großen Austausch von musikalischen Ideen oder so. Wir schätzen deren Sound und sie schätzen unsere Musik. Wir waren gute Tour-Partner.

Woran liegt es, dass es so viele neue Indiebands aus Amerika gibt, deren Einflüsse eher aus Afrika oder anderen Kulturen kommen, wie Vampire Weekend, wie ihr?

Luke: New York ist ein Ort, wo in letzter Zeit viele Bands gelangweilt waren von dem, was in Musikdingen passierte. Und da hat man sich eben außerhalb von traditionellen amerikanischen Rocksounds umgesehen. Der ganz normale, straighte amerikanische Rock war ab einem bestimmten Punkt öde.

Gibt es eine New Yorker Band, auf die man unbedingt achten sollte?

Anand: Ja, die Suckers! Die machen Popsongs, aber sehr experimentell. Sie sind noch dabei, ihr erstes Album zu realisieren. Auf unserer CD sind sie auch zu hören.

Als ich Euer Album hörte, konnte ich nicht glauben, dass Ihr aus New York seid.

Anand: Für mich bedeutet New York einfach, dass man in Plattenläden all diese wunderbaren Scheiben entdecken kann.
Luke: Es gibt Straßenhändler an jeder Ecke, wo du zum Beispiel Platten aus Simbabwe kaufen kannst. Überall ist man den verschiedensten kulturellen Einflüssen ausgesetzt.

Ihr kauft tatsächlich Musik aus Simbabwe auf der Straße?

Luke: Ja, kann passieren.

Eure Platte hat von der Multikulturalität New Yorks profitiert?

Anand: Auf jeden Fall. New York ist ein perfektes Symbol für unsere Platte. Unser Sound ist aber trotz allem sehr westlich, etwa die Songstrukturen. Es ist immer noch Popmusik. Und wir touren ja nicht in Afrika.
Luke: Sollten wir aber mal machen!

Simbabwe-Sounds an der Straßenecke

Ihr müsst also nicht viel reisen, um auf neue Einflüsse zu stoßen?

Luke (lacht laut): Wir haben keine Zeit dafür. Und das letzte, was du machen möchtest nach all den Konzerten, ist schon wieder verreisen.
Anand: Ich war vor einem Jahr in Indien, bevor unser Album rauskam. Ich habe dort so viele CDs wie möglich gekauft.
Luke: Du hast doch von einer Reise dieses marokkanische Tape mitgebracht?
Anand: Ja, das war 2003. Leider hat ein Mädchen, mit dem wir durch Marokko reisten, meine Tapes gestohlen. Mann, war ich sauer...

Bestimmt habt Ihr auch die Plattensammlungen eurer Eltern geplündert?

Luke: Oh ja. Alles was gut war, hab ich mir unter den Nagel gerissen. Ich bin aufgewachsen mit viel klassischem Rock, den Beatles, Folk. Und wir haben in einer Familienband zusammen gesungen. Diese Folk-Tradition war sehr wichtig in meiner Erziehung.

Und wie wichtig sind die Vocals für Yeasayer?

Anand: Am allerwichtigsten!
Luke: Rein instrumentelle Musik ist viel unpersönlicher.

Wenn man eure CD mit geschlossen Augen hört, entstehen wunderschöne Bilder einer hundertköpfigen Hippie-Kommune, die zusammen singt.

Anand: Wir wollten unserer Musik vor allem eine cinematische Qualität geben. Und für mich ist das das größte Kompliment, wenn jemand sagt: Du hast mich auf eine verrückte musikalische Reise genommen.

Seit Ihr also moderne Hippies?

Luke: Würde ich nicht sagen. Und ich glaube, es gibt auch keinen Trend zu Hippie-Musik.
Anand: Ich denke aber, dass wir von Musik beeinflusst wurden, die von Hippies gemacht wurde. Wir hören aber auch viel Musik von verrückten deutschen Künstlern, etwa Kraftwerk.

Hört Ihr auch aktuelle Sachen aus Deutschland?

Anand: Sind Michael Learns To Rock aus Deutschland?

Nie gehört.

Anand: Ich glaube, die sind aus Deutschland. Auf jeden Fall sind sie beliebt in Indien, werden dort in jeder Karaoke-Bar gespielt. Und ich hab mich immer gefragt: Who the hell is that? (eine dänische Softrock-Band, die in Asien sehr erfolgreich ist. Anm. d. Red.)

Don't be an idiot, vote for Obama!

Als Eure CD rauskam, kursierte der Begriff Weltmusik. Könnt Ihr damit etwas anfangen? Er hat in Deutschland eher negative Konnotationen.

Luke: Ja, das ist bei uns auch so. Aber nennt es, wir ihr wollt! Es stimmt ja, dass wir von der ganzen Welt inspiriert sind. Macht uns das zu Weltmusikern? Ich weiß nicht. Das klingt immer so nach weißen Kids, die afrikanische Musik lernen. Ich bin auch nicht daran interessiert, unsere Musik zu kategorisieren.

Habt Ihr doch aber gemacht: "Middle Eastern-psych-pop-snap-gospel".

Anand: Das war wohl unsere Art, auf lustige Weise zu sagen, wo von wir alles beeinflusst sein könnten.

Ich hab mich aber gefragt, als ich das Wort Gospel las, ob Eure Musik spirituell ist?

Luke: Ja, aber nicht im religiösen Sinn. Wir beziehen uns schon auf Vokal-Harmonien, die aus spirituellen Kontexten kommen.

Ihr seit aber keine politische Band? Oder würdet ihr Barack Obama-T-Shirts tragen?

Anand: Klar, ich sehe das auch nicht als politisch, sondern einfach als Zeichen dafür, dass man kein Idiot ist.

Ich werdet also eher nicht für McCain stimmen.

Anand (entsetzt): Natürlich nicht! Der will nur die Politik Bushs fortsetzen.

Wann kommt das zweite Album, und wird es der ersten Platte ähneln?

Luke: Wir werden es wohl nicht vor Dezember ins Studio schaffen.
Anand: Wir wollen neue Elemente integrieren. Aber es wird immer noch rhythmus- und gesangsorientiert sein.

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