16. Oktober 2000

"Wenn ich die Vengaboys im Radio höre, freue ich mich"

Interview geführt von

Da wir ja auch noch ganz proudly die Himmelfahrt-Tour präsentieren, hier nun die epochalen Statements aus dem Hause Brauweiler und Intelmann.

Berend: Meine Hobbys sind Reiten und Lesen.

Elke: Schlafen.

Berend: Musik, Essen. Schhbageddi mit Tomatensoße und Eis, Pizza.

Elke: Ne, ich nicht so. Pizza ist fettig und schwierig zu essen, muss man immer schneiden.

Ruhe bitte! Ihr habt auf dem Introducing gespielt. Wie seid Ihr angekommen?

Elke: Wir waren gut.

Berend: Uns hat es gefallen und ich glaube den Leuten auch. Man kann das ja nicht für alle sagen, aber ein paar hörten sich so an, als ob es ihnen gefallen hat.

Elke: Es waren ja ein paar Paula-Fans da oder Leute, die wegen uns gekommen sind. Wir haben schon viertel nach acht gespielt und da geht man ja nicht unbedingt zu einem Konzert. Es war relativ gut gefüllt und einige haben die Texte mitgesungen, was auch was heissen will.

Und wie war die Tour bisher?

Berend: Es war schon ganz schön voll. Bei einigen Konzerten sind nicht mal alle rein gekommen. Qualitativ war es auch ok, in Hamburg und Frankfurt sogar super.

Elke: In Leipzig und München wars nicht ganz so gut, da sind die Leute auch reservierter und lassen sich nicht so schnell anmerken, dass sie etwas gut finden. Die sind zwar da und es ist voll, aber so richtig da sind sie vielleicht mit dem großen Zeh. Die schauen lieber, ob auch jemand anderes tanzt. Dann kann man sich auch ein wenig bewegen, aber ansonsten muss man schön cool sein. In München habe ich mich einfach ein wenig fremd gefühlt, das passiert schon mal. Mal ist man nervöser als ein andermal. Keine Ahnung, woran das liegt, Tagesform oder so.

Was ist das für ein Gefühl, wenn das Publikum Eure Texte mitsingt?

Elke: Mir macht das Spaß. Das ist doch das schönste Kompliment, wenn die Leute auf die Texte hören. Das tut man natürlich, weil es in deutsch ist. Man versteht es einfach und dann geht es nicht anders. Bei "das Frühstück ist fertig" von "Süßer Morgen" brüllen immer alle mit, lustig.

Das Album war ja schon 1999 fertig. Warum hat sich das mit der Veröffentlichung noch über ein Jahr hinausgezögert?

Berend: Das liegt daran, dass wir zuerst bei Marina Records waren. Wir wollten das auch veröffentlichen, aber man schaut dann schon nochmal, ob nicht noch eine finanzkräftigere Firma mitmachen möchte und dann kam halt Orbit hinzu, was sich als super erwiesen hat, aber so etwas bringt auch Verzögerungen mit sich. Alles muss neu geplant werden, mit Radiopromotion und Videodreh. Da muss der Zeitplan genau stimmen, das habe ich langsam heraus gefunden und der stimmte bei uns am Ende ganz gut, aber dafür bedurfte es einer längeren Planung. Dass es länger dauert, wenn eine andere Firma hinzu kommt, ist der Nachteil dabei.

Ist man dann nicht versucht, an der fertigen Platte noch herum zu experimentieren?

Berend: Ja, da hast Du schon recht, aber wir haben irgendwann beschlossen, dass das jetzt fertig ist. Das ist albern, immer wieder von neuem ran zu gehen. Man kann immer weiter arbeiten.

Elke: Wir sind schon Perfektionisten, aber mit dem Album waren wir zufrieden genug. Wenn man die Platte jetzt aufnehmen würde, würden wir es teilweise anders machen, aber es war ja auch nicht so, dass wir nach ein paar Monaten gesagt hätten "Oh Gott, dazu können wir nicht mehr stehen!". Wir finden das schon gut.

Ich habe ein Zitat von Euch gefunden, wo Ihr sagt, Ihr würdet auf Eurodance stehen. Ist das pure Journalisten-Verarsche oder steht Ihr wirklich drauf und wenn ja, was mögt Ihr daran?

Berend: Ja, das stimmt schon, das haben wir so gesagt. Natürlich nicht uneingeschränkt. Wenn ich die Vengaboys im Radio höre - natürlich nicht alles - freue ich mich, das muss ich auch mal vor mir selbst zugeben. Ich finde das auf seine Art superperfekt.

Elke: Ich komme schon klar damit, aber Vengaboys sind schon ein bisschen hart.

Berend: Ich würde mir das nicht kaufen, weil es mich einfach langweilt. Das würde ich mir dann dreimal anhören, aber wenn das im Radio läuft, ist das ganz schön. Die geben ja auch nichts vor, was sie nicht wären. Die tun ja nicht so, als ob sie irgendwelche wichtigen Messages verbreiten würden, was andere schmerzhafterweise leider tun.

Elke: Ich steh auf Sachen wie St Etienne, die machen ja auch sehr einfach strukturierte Songs mit einem Beat, der schön geradeaus geht und das mag ich supergerne. Robbie Williams ist toll, ein ganz großartiger Popstar, der ist echt riesig.

Da kann man sich bei der Bühnenshow sicher auch was abkucken.

Elke: Das wär ja dann doch ein bisschen zu viel und entspricht uns auch nicht.

Berend: Ich habe ihn noch nicht live gesehen, aber ich bin schwer beeindruckt von Leuten, die so aussehen, als ob sie als Popstar auf die Welt gekommen sind und die so ein unglaubliches Selbstbewusstsein auf der Bühnen haben.

Ihr singt deutsch. Wie entstehen Eure Texte?

Berend: In erster Linie schreibe ich die, Elke übt dann konstruktive Kritik. Danach muss ich immer viel ändern, aber im Prinzip lege ich den Grundstein und ziehe Elke als gute Kritikerin heran, die das ja singen und lieben muss.

Elke: Ich verlege mich eher auf das Englische und Französische.

Thematisch ist das - wenn man es übertrieben formuliert - ein Konzeptalbum. Bis auf "Jimmy", das da völlig aus dem Rahmen fällt.

Berend: Mit "thematisch" meinst Du die Texte und da war ein Konzept gar nicht angedacht, aber es sind schon die Themen, die für mich in der Musik etwas zu suchen haben.

Wie passt dann "Jimmy" da hinein?

Berend: Interessant, das wär mir bis jetzt noch nicht aufgefallen. Das Analysieren der Musik überlässt man ja lieber anderen. Stimmt, aber, "Jimmy" ist rein fiktiv, eben so etwas wie ein Märchen. Das "Schlaflied" handelt, aber auch von einer Art Märchenfigur. Das mag dann in diesem Zusammenhang Elke sein, ist aber nicht autobiografisch. Letztlich ist alles autobiografisch. Man kann nicht etwas schreiben, was gar nichts mit seinem Leben zu tun hat, das geht nicht.

In der Presse wird mit Adjektiven wie "zauberhaft", "hinreißend" und "elegant" nur so um sich geworfen. Wie steht Ihr dazu, dass gerade solche Worte im Zusammenhang mit Euch auftauchen, so nach dem Motto "die kleinen Schnuckels"?

Berend: Elegant finde ich super, zauberhaft klingt auch stark und hinreißend finde ich eigentlich auch gut, aber wenn man meint, wir wären die kleinen Schnuckels, die immer nur gutgelaunt durch den Tag hüpfen, ist das Schwachsinn, dann hat einer nicht richtig zugehört. Das habe ich auch schon mal gelesen, aber wenn man die Texte genau durchliest, merkt man, dass wir nicht alles einfach super finden, darum würde ich dann doch bitten!

Elke: Die Musik verleitet vielleicht zur Ansicht, dass das die Gutelaune-Platte des Sommers wäre, aber wenn man genau hinhört, merkt man, dass da eine ziemlich tiefe Melancholie dahintersteckt, die das Ganze wieder ein bisschen runter holt. Das wäre ja auch flach, wenn wir nur davon reden würden, dass es uns super geht und alles ganz toll und einfach wäre.

Berend: Das würde mich echt nerven, wenn das jemand so sieht. Es geht um eine positive Lebenshaltung. Wir wollen sicher nicht da stehen und sagen, dass alles ganz schwer und traurig wäre, das langweilt mich auch, wenn andere mir das erzählen und mich volljammern. Diese positive Haltung soll ja nicht heißen, dass wir das Leben nicht als eine ernste Sache erkannt haben. Die Platte und diese Art von Musik steht für so etwas wie Hoffnung.

Aber das ist schon eine Strategie, den Leuten über fröhliche, nach vorne gehende Musik Inhalte unterzujubeln, die erst bewusst werden, wenn man das zwei oder dreimal gehört hat?

Elke: Bewusst war uns das nicht, denn die Musik ist halt so entstanden.

Berend: Vielleicht eine Strategie des Unterbewusstseins, sich selbst gegenüber, dass man seine traurigen Inhalte in hoffnungsvolle Musik verpackt. Das spiegelt ja auch unsere Lebenshaltung wider. Man kann traurig sein und Schmerz empfinden, aber die Frage ist, ob man sich dem ergibt oder ob man das mit Abstand betrachtet. Ich kann immer noch lachend Leuten von meinem Schmerz erzählen. Nicht immer, aber das kann schon passieren. Es ist halt nicht so gut, sich zu ernst zu nehmen.

Bei der Beschreibung Eurer Musik werden immer wieder Namen wie DAF, Andreas Dorau oder die NDW im allgemeinen erwähnt. Nerven Euch diese Vergleiche?

Elke: Gegen Herrn Dorau kann man ja gar nichts sagen, er hat ja auch "Als es passierte" geremixt, aber mich nervt der Vergleich mit der Neuen Deutschen Welle ein bisschen, denn ich seh uns da gar nicht. Wir haben einfach mit Equipment aus den Achtzigern gearbeitet und deswegen klingen wir vielleicht so, wenn man mit einem alten Drumcomputer und Synthesizer arbeitet, aber ich würde das, was wir machen, als moderne Popmusik bezeichnen. Es ist, aber auch schwer, einen Vergleich zu finden für das, was wir machen, weil es das anscheinend noch nicht gibt. Wir sind damit momentan wohl relativ neu und dann sucht man nach Vergleichen. Einigen fällt dann Schlager ein, weil es einfach keine Tradition der deutschen Popmusik gibt. Die Leute wissen einfach nicht so richtig, wo sie das einordnen sollen.

Ähnlich hilflos sind ja die Versuche, die Stimme zu Vergleichen. Marianne Rosenberg zum Beispiel.

Berend: Marianne Rosenberg ist doch ok, die singt super.

Elke: Marianne finde ich super, da fühle ich mich nur geehrt. Ich weiß, dass sich unsere Stimmen bei manchen Songs ähneln.

Berend: Ich finde es einfach gut, wenn Leute eine Sache für wert befinden, darüber zu schreiben. Wenn dann zum Beispiel über deine Stimme geschrieben wird, super! Das ist doch schon ein Riesenpluspunkt, denn es gibt eine Menge Stimmen, über die es sich nicht lohnt, auch nur ein Wort zu verlieren. Ich bin extrem dankbar, denn Elke hat eine Stimme, die verdammt nochmal auffällt und Ausdruck hat und über die man nicht einfach hinweg hört.

Elke: Ich hatte mit den Vergleichen bislang keine Probleme. Bis jetzt waren keine Sängerinnen dabei, die total schrecklich sind und da man ja anscheinend Vergleiche braucht, na bitteschön, dann soll es eben so sein. Man braucht das sicher auch. Sofern es nicht so schlimm ist wie im "Prinz": "Für Fans von ..."

Berend: "Für Fans von ..."? Das ist ja schon ganz schön gewagt.

Als Ihr mit Auftritten angefangen habt, seid Ihr ja in Wohnzimmern aufgetreten. Ihr habt das sein lassen, als die ersten Medienvertreter auf der Matte standen und das als neues Szeneding entdecken wollten. Hört Ihr dann auch mit Paula auf, wenn eine Platte von Euch in den Top 10 steht?

Elke: Quatsch!

Berend: Ich glaube nicht.

Elke: Nein!

Berend: Diese Wohnzimmersache wurde ja nicht von uns initiiert. Wir waren eine von vielen Bands, die da gespielt haben, aber das waren einfach nette Konzerte in irgendwelchen Wohnzimmern, es gab keinen Namen dafür. Einfach eine nette Sache und auf einmal liest du dann auf der Titelseite einer Stadtzeitung: "Die neue Wohnzimmer-Szene" und in dem Moment merkst Du, so entstehen also "Szenen". Die bekommen dann eine Medienrelevanz eingehaucht und das ist ein komisches Gefühl. Ab einem bestimmten Punkt kann es dann nicht mehr weiter gehen und muss etwas Neues entstehen, was spannend ist.

Elke: Das wurde dann einfach zu voll in diesen Wohnzimmern. Da hat dann jede Band alleine weiter gemacht. Paula steckte da ja noch in den Kinderschuhen.

Berend: Diese Zeit hat wunderbare Früchte getragen und die Bands gibt es ja alle noch. Die Quarks, Barbara Morgenstern und so ...

Mit Paula habt Ihr kein Problem, dass Ihr denkt, Ihr könntet zu populär werden.

Berend: Man fragt sich schon, wo ist das Problem, so lange die Musik gleich bleibt. Ich glaube wir könnten vielleicht ein Problem mit extremer Popularität haben, das ist bestimmt anstrengend, aber was die Musik angeht, würde sich die nicht ändern, auch wenn sie in die Top 10 geht. Würde den Top 10 auch mal ganz gut tun.

Elke, Berent, danke für das Gespräch.

Berend: Ich finde Eure Seite übrigens echt gut!

(das musste noch rein, Anm. d. Red.)

Das Interview führten Alexander Cordas und Rainer Henze

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