16. August 2004

"Was waren wir naiv ..."

Interview geführt von

Nein, denn tatsächlich haben sie doch einiges anders gemacht als beim letzten Album. Zum Beispiel waren sie nun auch bei Interaktiv, selbst einen Besuch bei Bravo TV wollen sie nicht ausschließen. Kaum in Frage käme dagegen ein Auftritt bei The Dome oder ein Interview mit Spex. Da merkt man schon das neue Selbstbewusstsein ...

Was hat sich bei euch als Band und in eurer Musik geändert, seitdem ihr euer erstes Album raus gebracht habt?

Thomas: Da hat sich in der Band gar nichts Gravierendes geändert. Es ist eigentlich so, wie es die Jahre zuvor auch schon war: Es ist gewachsen. Man erlangt eine komische, aber nicht unangenehme Professionalität. Man arbeitet ein bisschen gezielter. Man probt nicht mehr dreimal die Woche, sonder einmal zwei Wochen lang richtig und dann eine ganze Weile gar nicht mehr. Das ist alles etwas hektischer geworden und etwas zeitraubender als vorher. Aber da wir auch nichts mehr anderes machen, ist das auch OK. Die Band hat jetzt 100% eingenommen.

Nino: Also, das Gefühl ist immer noch das gleiche wie vor einem Jahr, als die erste Platte raus kam. Man ist jetzt höchstens ein bisschen souveräner. Als wir letztes Jahr die erste Platte raus gebracht haben waren wir natürlich ein bisschen hibbelig, und nervös. Diesmal ist das gar nicht so. Das letzte Mal wusste man nicht, wie man das bewerten soll, was wir machen. Und dieses Mal ist man sehr zufrieden mit der Platte. Das gibt einem so viel Ruhe, dass man sagt es ist egal, wann die Platte raus kommt.

Thomas: Es ist total egal. Ich registriere zum Beispiel jetzt gerade erst, dass heute die Single raus kommt. Und gestern hat mich noch ein Freund angerufen und wollte wissen, wie wir am Dienstag feiern. Denn da käme doch der Trend, wie viele Singles sich am ersten Tag verkauft haben. Das ist was, was ich überhaupt nicht registriere. Unser Manager spricht schon seit Tagen oder Wochen von nichts anderem mehr: "Am Dienstag wissen wir's ja dann!" Das kommt immer wieder. Und dann weiß ich immer nicht, was die mit Dienstag wollen, weil mir das total egal ist.

Thomas: Und ob dann die Platte in die Top 60, Top 40 oder Top 20 geht ist dann total egal. Im letzten Jahr waren wir gar nicht in den Charts und haben trotzdem mehr verkauft als andere, die ein paar Wochen in den Charts waren. Und wir hatten eine super Tour. Das ist doch wirklich egal. Die Leute werden das geil finden und die werden das kaufen. Ob nun in der ersten oder in der zehnten Woche, ist egal.

Nino: Und die letzten Konzerte waren alle wahnsinnig gut. Man merkt, dass die Leute da Bock drauf haben, und dann ist dir so was egal.

Hat sich bei den Aufnahmen was verändert?

Thomas: Ein bisschen schon. Wir haben mehr Zeit gebraucht. aber das war uns von vorne herein klar. So an der Art und Weise hat sich gar nicht so viel geändert. Wir haben zum Großteil mit den gleichen Leuten gearbeitet. Und wir haben viele Studios wieder benutzt, in denen wir beim letzten Mal schon waren. Aber natürlich ist immer irgendwas wieder besser als davor. Diesmal war es die Tatsache, dass wir noch einen Ton-Ingenieur dabei hatten, der parallel alles noch fein sortiert hat, was man aufgenommen hat, was dann auch Zeit gespart hat. Und wir haben alles sehr viel genauer gemacht, und das hört man auf der Platte auch, die klingt besser und das liegt daran. Beim letzten Mal ging es darum, den Sound der Band möglichst genau einzufangen, aber weil wir nicht so wahnsinnig viel Zeit hatten, haben wir nur kurz den Gitarrensound eingestellt und los ging's. Und dieses Mal haben wir an nem Gitarrensound schon mal zwei bis drei Stunden gesessen, bevor der da war, wo man wollte. Und manchmal hat man dann nach zwei Tagen gemerkt, dass es doch noch nicht das war, was wir wollten und haben die Gitarre noch mal neu aufgenommen.

Macht das dann noch Spaß oder nervt das?

Thomas: Das nervt ein bisschen, aber ich finde nicht so sehr wie beim letzten Mal. Ich wusste, dass es das Ergebnis verbessert, je genauer und besser man das macht. Früher wäre ich nach zwei Tagen hibbelig und schlecht gelaunt gewesen, wenn man in der Zeit so wenig aufgenommen hätte. Wir haben in zwei Tagen wirklich nicht viel aufgenommen. Wir geben uns so viel Mühe, weil es am Ende auch zu hören sein wird. Und ich finde es ist zu hören, denn es klingt viel, viel größer, fetter und dichter, obwohl wir gar nicht viele neue Elemente, neue Instrumente rein gebracht haben. Das liegt daran, dass alles viel, viel exakter aufeinander abgestimmt worden.

Aber es ist doch im Ganzen viel ruhiger geworden!

Thomas: Viel würde ich nicht sagen, obwohl, wenn man die letzten Stücke bertrachtet ja ... Ich finde so bis zur Hälfte der Platte ist es nicht bedeutend ruhiger geworden. Auch live passt das ziemlich gut. Stücke wie "Liebeslieder" oder "Du musst dahin wo's weh tut" ...

Nino: Die reihen sich nahtlos in die alten Sachen im Set ein. Wie gesagt, die Exaktheit ist auch ein Grund. Wenn wir jetzt die Hälfte der Zeit gehabt hätten, dann wären die Lieder vielleicht genau so "langsam" aber ein bisschen rumpliger, und dann wäre einem das gar nicht so aufgefallen.

Ich finde, es ist auch inhaltlich ein bisschen nachdenklicher geworden. Als wenn diese Sachen wie "Mein Sein" etwas relativiert werden sollten. Dieses verklärte Bild von Liebe ...

Thomas: Ich finde das ja nicht verklärt!

Na gut, dann halt das sehr romantische ...

Thomas: Auf dem ersten Album waren ja auch nur zwei Liebeslieder drauf. Mehr nicht. Und das war unpersönlicher, weil oft von "wir" gesungen wurde und nicht so oft von dem "ich". Was wir mit der neuen Platte erreichen wollen ist, dass sie den Leuten noch näher geht. Dass sie sich selber noch mehr darin wieder finden können und dass es für sie persönlicher wird. Und dass schafft man eher, indem man mehr über ein "ich" oder ein "du singst, als wenn du da so eine große Gruppe einbeziehst. Wo findet man sich da selber? Was kann man für sich selber raus ziehen? Das geht viel leichter, wenn man über ein "ich" singt. Es macht natürlich Spaß, auf "Mein Sein" zurück zu sehen und zu sagen, was waren wir naiv und so weiter. Aber so naiv ist jeder, wenn er verliebt ist. Für den Moment sieht er keine Zweifel. Das weicht irgendwann und dann kommt der Alltag dazu und das macht sie dann auch in vielerlei Hinsicht kaputt. Ich finde das wirklich nicht verklärt. Das sind Momentaufnahmen. So ein Lied wie "Mein Sein" ist ja kein Lied, das über eine Beziehung von mehreren Monaten oder Jahren bestehen kann, so ist das nicht. Wenn man Liebeslieder von anderen hört, dann gibt es eigentlich immer nur zwei Punkte, an denen die statt finden: Entweder an dem Punkt, an dem man frisch verliebt ist. Dann ist das so wie "Mein Sein". Oder es findet an einem Punkt statt, an dem es gerade vorbei gegangen ist, wo es gerade aufhört. Das sind dann die traurigen Liebeslieder, die die Leute auch so gerne hören. Aber es gibt wenige Stücke, die sich genau dazwischen befinden, also an einem Punkt, an dem noch alles gut ist, aber man schon eine Menge durchgemacht hat, wie "Ein Ganzer Sommer". Das ist ja ein Lied, bei dem man sich mitten in einer Beziehung befindet. Auch "Anfänger" ist ein Lied, bei dem man sich genau dazwischen befindet, wo man Bilanz zieht und schaut, wo man steht, und was einem das bedeutet. Ob man das jetzt hinbekommen hat oder nicht. Davon handeln total wenige Lieder. Mir würde jetzt spontan auch gar keins einfallen. Das finde ich extrem spannend, genau da einzusetzen und zu schauen: Was passiert da. Das ist ein interessantes Gebiet, das in der Musik noch nicht so richtig erforscht ist. Und wenn man das auf den Hörer überträgt, dann ist das ein Gefühl, was so vielen auch so nahe geht, weil sie merken, dass sie sich genau da befinden. Das ist ja auch das, was die Leute an "Ein Ganzer Sommer" so bewegt. Klar ist das ein durchaus kitschiges Stück und mancher mag Schlager dazu sagen. Aber das, worum es da geht, da befinden sich doch viele, das denken doch auch viele. "Wir sind jetzt schon so lange zusammen, haben schon so viel miteinander durchgemacht, und trotzdem sind wir noch zusammen. Obwohl wir schon so viele Hürden meistern mussten." Das ist ja auch ne Kunst, da schafft ja nicht jeder. Das finde ich sehr interessant und gut!

Thomas, schreibst du eigentlich immer noch alle Texte alleine?

Thomas: Ja!

Nino, hast du da schon mal gesagt: So einen Scheiß singe ich nicht?

Nino: Nee, es gibt manchmal ein Wort oder so. Aber das hat ja mit dem Inhalt an sich nichts zu tun. Manchmal erklärt Thomas der Band noch, was er genau damit meint, aber eigentlich ist das gar nicht nötig, weil man seinen eigenen Zugang dazu hat. Ob der nun genau das ist, was Thomas damit sagen wollte, ist auch egal, denn es geht darum, dass man was Persönliches aufbaut, so wie das jeder Hörer ja auch macht. Sonst müsste Thomas ja zu jedem nach Hause gehen und ihm erklären, was er meint.

Aber du musst es ja singen!

Nino: Ja, aber genau das meine ich ja. Manche Sachen werden halt genau erklärt, um genau das zu erzeugen, was er möchte, und bei einigen Songs ist das nicht notwendig.

Thomas: Zum einen nicht notwendig, weil es verständlich ist, oder weil es Nino eh gleich versteht.

Unerwarteter Besuch: Angelo kommt vorbei. Thomas: Du kommst gerade richtig. Die Frage war grad, wo der Bandname her kommt... Alles egal, Angelo möchte nur Eisschokolade trinken und keine Fragen beantworten.

Thomas: Manchmal ist es auch wichtig, dass genau das rüber kommt, was Nino darin sieht und nicht, was der Text an sich aussagen will ... sofern das nicht Meilen weit voneinander entfernt ist. Denn das Echteste ist ja immer der Moment wo der Sänger das, was er singt, auch tatsächlich denkt und fühlt. Das merken die Leute auch. Große Sänger sind solche wie Robbie Williams, denen du alles abnimmst, jedes Wort glaubst, das er singt, obwohl er das nicht geschrieben hat. Wo man denkt: Dem geht's aber schlecht bzw. gut. Aber der hat das gar nicht geschrieben und das sind auch nicht seine Gedanken. Aber das funktioniert bei uns auch. Die Leute denken, das seien seine Gedanken, obwohl sie's nicht sind. Aber so soll's ja auch sein. Die Leute sollen ja denken, dass das echt ist und nicht dass Nino ein Karaoke-Sänger ist.

Spielt "Du Musst Dahin Wo's Weh Tut" auch auf diesen vorhin beschriebenen Beziehungszustand an?

Thomas: Nicht zwingend, eigentlich nicht, das ist ein ...

Nino: Fußball-Lied ... lachen

Thomas: Ne, ist es nicht. Ich wusste auch gar nicht, dass Fußballer das sagen. Früher hat das mein Trainer bestimmt auch mal zu mir gesagt, aber da kann ich mich gar nicht mehr dran erinnern. Im Fußball muss man ja dahin, wo's weh tut, um gut spielen zu können. In dem Lied geht es um unsere Zeit, in der die Leute sich nichts mehr trauen, weil alle so bequem geworden sind. Weil einerseits die Technik so was vorgibt, indem man für alles Fernbedienungen hat. Dakannst du es dir so bequem machen wie möglich. Das wäre ja dann nicht so schlimm, wenn sich das nicht auf die Einstellung der Menschen übertragen würde. Dass die überhaupt nichts mehr riskieren. Und darum geht's ja: Schmerz zuzulassen, weil das wichtig ist und man daraus viel lernt, vor allem über sich selber. Das ist ein bisschen so eine Missionars-Sache, ein Einzelkämpfer-Ding, Überlebenstraining oder so. Aber da ist ja was dran an solchen Erfahrungen, die solche Leute machen, indem sie zum Beispiel in ein Überlebenscamp gehen, weil sie der Meinung sind, da mehr über sich erfahren zu können. Das tun sie auch. Die gehen da über Grenzen, die sie vorher noch nie überschritten haben. Und das tut glaube ich gut. Im Song geht es aber eigentlich um die allgemeine Sache, im Leben mehr zu riskieren, weil man daran gewinnt.

Was ganz anderes: Ihr geht ja dieses Mal zu Interaktiv!

Thomas: Ich wusste, dass das kommt!

Warum macht ihr das dieses Mal? Beim letzten Interview war Interaktiv für euch ja noch das Schlimmste.

Nino: Das hat sogar jemand im Forum geschrieben. Der hat genau aus dem Interview deine Fragen zitiert und das ins Gästebuch geschrieben ...

Thomas: Und gefragt: Was sagt ihr jetzt, letztes Jahr habt ihr gesagt, ihr geht nicht hin.

Nino: Es gibt einen einzigen Grund: Mola ist weg ...

Und die anderen sind genau so schlimm!?

Thomas: Vermutlich, ich kenne gar keinen, der das jetzt macht. Wir versuchen Thomas, die neuen Moderatoren aufzuzählen, kommen aber auch nur auf zwei

Ja, warum macht ihr es denn jetzt?

Thomas: Vielleicht aus unterschiedlichen Gründen. Mir geht es so, dass ich es im letzten Jahr als einen zu großen Fehler empfunden hätte. Denn unsere Fans hätten das nicht verstanden. Weil es eigentlich schon eine abgrundtief schlechte Sendung ist ... oder war. Ob sie's immer noch ist weiß ich nicht, ich gehe mal davon aus. Aber mit der Platte, die wir jetzt gemacht haben, habe ich ein unglaubliches Selbstbewusstsein. Mir ist jetzt nicht alles scheißegal, aber mir könnte so was nichts anhaben. Denn: Was hat das mit der Platte zu tun? Letztendlich nichts. Es geht nur darum, da zu sein, dass die Leute uns kennen lernen, dass die Leute sagen, "die sind mir aber sympathisch". Denn wir werden da sein, nicht irgendwer. Vielleicht bekommen sie so den Zugang zu uns, den sie sonst nicht bekommen hätten, weil sie keinen Musikexpress mögen, ihn nicht lesen, nicht kennen oder halt nur Viva gucken oder Radio hören. Ich finde das nicht so schlimm, weil das dieses Mal nur eine Werbeplattform ist, die man nutzt.

Nino: Wir haben auch letztes Jahr keine Chance gesehen, in der Sendung zu bestehen. Du wurdest auf dieses niedere Niveau herabgezogen. Und dieses Jahr denken wir schon, dass wir unser eigenes Ding durchziehen können. Die haben sich ja auch verändert. Es gibt ein neues Studio, die Moderatoren sind andere und Leute, die da in der Redaktion arbeiten, die haben vorher Fast Forward gemacht. Da sieht man schon, dass man das für die 20 Minuten auf eine andere Ebene heben kann.

Thomas: Ich wusste das zum Beispiel gar nicht, dass da jetzt Fast Forward-Redakteure sitzen.

Angelo: Uns es ist keine Schulklasse mehr da.

Nino: Das sind Sachen, wo wir sagen: OK, probieren wir's einfach. Und Leute wie die Beatsteaks und Slut sind da gewesen. Da kann man das ruhig auch probieren. Vielleicht scheitert man, aber dann weiß man, dass man da nächstes Jahr nicht mehr hin muss. Es gibt ja auch Leute bei der Platenfirma, die viel für uns hinkriegen und denen kann man natürlich auch nicht sagen, das machen wir nicht. Aber wenn wir was total doof finden, dann wissen die das auch. Durch diese Veränderungen bei Interaktiv sind die Argumente nicht mehr so stark, da nicht hin zu gehen.

Thomas: Ich finde es ist auch die Erfahrung, die man im letzten Jahr gemacht hat. Mich interessiert Interaktiv nicht und ich weiß, es geht da um Oberflächlichkeiten, aber darum geht's ja bei MTV auch. Ein, zwei Fragen zur Musik, wenn überhaupt. Sonst eben zur Person. Das war's dann auch schon. Aber ich habe im letzten Jahr auch festgestellt, dass das alles eigentlich ziemlich egal ist. Das ist ja eigentlich nur dazu da, um für deine Platte zu werben, auch wenn du nicht viel über die Platte sprichst. Aber so funktioniert dieser Boulevard nun mal, dass man nicht über das Produkt spricht, sondern über die Person, die das macht. Aber da hoffe ich, dass die Leute sich darüber für das Produkt interessieren. Was ja auch der einzige Zweck ist. Dass die Leute vielleicht die Platte kaufen und du sie so zu Fans machst. Und die Leute so dann vielleicht eine andere Sichtweise bekommen und den Unterschied zwischen Virginia Jetzt! und Jeanette Biedermann sehen, die eben auch jedes viertel Jahr mal da sitzt.

Gibt es trotzdem noch Sachen, die ihr gar nicht machen würdet?

Nino: Ja, klar. Ich würde zum Beispiel nie zu The Dome gehen, obwohl es da auch Stimmen in der Band gibt, denen das inzwischen egal ist. Aber das sind vielleicht auch Grenzen, die sich mal verschieben. Aber da sehe ich heute keine Chance, was Eigenes zu sein.

Thomas: Auch Bravo TV fände ich nicht schlimm. Ich habe da wirklich eine, zumindest teilweise, sehr andere Sichtweise bekommen, als letztes Jahr. Also, wir müssen das alles nicht machen. Aber wenn die Leute dadurch mitbekommen, dass es VJ! gibt und so auf das Album kommen - und das ist nun mal viel besser als der meiste andere Scheiß, der raus kommt. Dann sollen sie doch lieber das kaufen, als Underground, Overground oder wie die da alle heißen.

Nino: Die Frage ist ja: Kann man da was erreichen, kann man denen was mitteilen? Das kann ich mir zum Beispiel bei The Dome nicht vorstellen. Aber bei einer Sache, bei der wir im Interview sind, kann man das auch lenken.

Wie war es, als ihr diesen Sommer vor Alanis Morisette gespielt habt?

Thomas: Ich würde das immer machen, wenn man damit eine große Menge erreicht. Die Leute kaufen dann zwar vielleicht nicht sofort deine CD, aber sie haben dich gesehen, hören dein Lied im Radio und sehen zufällig dein Video. Und irgendwann stehen sie im Plattenladen und erinnern sich: "Lied im Radio, Video und das tolle Konzert bei Alanis Morisette, die nehm ich mir mal mit." So funktioniert das ja. Die Leute sind ja nicht so Musikhörer, wie wir das sind, die einen Song hören und sich sofort für die Band interessieren. Die nehmen das ja ganz anders und oberflächlicher wahr. Die müssen mit dem Holzhammer bearbeitet werden, bis sie sich irgendwann für die interessieren. Und so ein Konzert ist ein guter Holzhammer.

Nino: Das klingt jetzt natürlich sehr kalkuliert, aber letztendlich ist das ja so, dass man als Musiker Leute erreichen will. Und deshalb würde man trotzdem nicht alles machen. Denn es stellt sich immer die Frage, ob man die Möglichkeit hat, zu den Leuten Zugang zu finden. Ich glaube, dass das bei einem Jeanette Biedermann-Konzert nicht unbedingt fruchtbar wäre. Da gibt es sicherlich auch Leute, die dann sagen: "Das ist ja viel geiler und echter." Aber das würde mir wehtun, das vor dem Publikum zu machen. Oder es wäre ein Mal richtig lustig. Das kann natürlich auch sein. Aber das sind keine Geschichten, wo wir hin wollen. Also, wir wollen nie da hin, dass unsere Hauptauftritte zwischen fünf Playback-Künstlern sind.

Thomas: Für Leute, die uns zum ersten Mal hören, zum Beispiel über die Video-Rotation der Single im Fernsehen, sind wir nichts anderes als Silbermond oder Juli. Wenn man genauer hinguckt, sieht man das dann aber anders. Diese Bands spielen auf keinem vernünftigen Festival. Die dürfen nie aufs Taubertal-Festival. Da müssten die schon was ganz anderes machen. Die funktionieren nur über Bravo oder so Sachen wie Interaktiv. Die haben überhaupt keine ernsthafte Auseinandersetzung über ihre Musik. Das spiegelt sich nirgendwo wieder. Vielleicht machen die auch irgendwann eine Tour, aber erst mal spielen die nur bei diesen Playback-Auftritten. Wenn sie Glück haben vielleicht noch auf Stadtfesten. Aber die dürfen auf kein einziges Festival. Das würde echt schwer werden. Das sieht man auch an Bands wie Sofaplanet, die sich auch auf so was eingelassen haben. Es ist so richtig schwer, da wieder raus zu kommen. Von Anfang an gab es keine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem, was die machen. Wir können natürlich irgendwann da hin kommen, wenn wir nur noch so was spielen und uns ganz anders geben. Aber das sind ja dann auch nicht wir. Und das finde ich keine große Gefahr und habe deswegen auch keine Bedenken mal zu Interaktiv oder zu Bravo-TV zu gehen, weil die andere Seite immer noch stattfindet.

Habt ihr denn trotzdem was gemacht, wo ihr sagen würdet, das möchten wir nicht noch mal machen, das war ein Fehler!?

Thomas: Ja, letztes Jahr haben wir da was mit Laut.de gemacht...

Nino Ja, da gibt es schon Sachen, die haben uns menschlich oder als Band, also musikalisch, nicht weiter gebracht. Aber bereuen tut man eigentlich nichts, weil man ja auch was lernt. Die großen Fettnäpfchen haben wir auch ausgelassen. Wenn man auf unsere Werdegang zurück blickt, waren das alles Sachen, die uns immer nur nach vorne gebracht haben. So lange, wie man sich selber gegenüber treu bleibt, kann man auch nicht viel falsch machen. Egal, wo man hingeht und was man macht.

Thomas: Mir würde auch nicht viel einfallen. Wenn ich lange drüber nachdenke, alle Interviews rekapituliere, gibt es vielleicht ein, zwei Journalisten, wo ich beim nächsten Mal unserem Promoter sagen würde: Die nicht noch mal. Wir machen gerne noch mal ein Interview mit dem Medium, aber nicht mit den Journalisten. Und sollte die Spex ankommen und mit uns ein Interview machen wollen: Ich bin derjenige, der Nein sagt! Ich werde daran nicht teilnehmen. Nicht, weil ich beleidigt bin, dass die mit uns jetzt nichts machen wollen. Sie wollen jetzt zur Platte nichts machen, die finden das nicht gut, die finden das scheiße. Was ich OK finde. Ich freue mich schon auf die Rezension, wird ein Verriss werden, war es letztes Jahr schon. Finde ich gut. Wenn sie jetzt nach einem Monat ankommen würden und doch was machen wollen, weil sie gelesen haben, dass sie die einzigen waren, die es scheiße fanden, dass sie die einzigen waren, die es verrissen haben ... Denn wir haben so eine super Reaktion vom Feuilleton im Moment. Wir haben viele Interviews mit denen gemacht. Wenn sich dann die Sichtweise der Spex dadurch so verschiebt, dann würde ich nicht einsehen, mit denen noch ein Interview zu machen. Ich wäre nicht dabei, wenn die Spex fragen sollte. Zum nächsten Album gerne, aber bei diesem Album bin ich nicht bereit dafür. Dann haben sie sich damit nicht auseinander gesetzt, wenn sie das irgendwann mal toll finden.

Nino: Das sind alles keine gravierenden Sachen. Ich weiß noch, wie wir letztes Jahr diskutiert haben, ob wir unsere Zustimmung geben, auf den Bravo-Sampler zu kommen. Und letztlich war es scheißegal. Es hat keinen interessiert.

Thomas: Da gab's vielleicht drei Fans, die sich im Gästebuch drüber beschwert haben.

Nino: Na meine Güte, unser Verlag hat sich gefreut. Und dann war es auch egal. Ich weiß nicht, wie oft der sich verkauft hat. Aber wenn danach 500 Leute gesagt haben, ich schau mir die Band mal näher an, dann ist das schon ein Gewinn. Da darf man sich nicht zu fein sein für so einen Scheiß. Gerade diese ganzen Indie-Dogmen haben wir schon im letzten Jahr versucht hinter uns zu lassen. Und das bestätigt uns auch nur. Wir haben das gemacht und es war egal.

Was ganz anderes: Ihr geht ja über das Goethe-Institut auf eine Tour nach Russland. Wie sind die gerade auf euch gekommen?

Thomas: Weil wir bekannt sind. Und weil wir deutschsprachige Musik machen. Ich glaube aus keinem anderen Grund. Wir haben Jahre vorher immer schon beim Goethe-Institut angeklingelt und wollten gerne mit denen irgendwo hin. Das war zwar nicht Russland. Wir wollten gerne irgendwo anders hin, wo es geiler ist ... Südamerika, Asien oder so, aber das war für die nicht interessant. Du bist einfach erst interessant, wenn die dich kennen, Bands wie Mia, Tocotronic, Fettes Brot, Beginner, Virginia Jetzt!, solche Bands werden da gefragt. Und die haben uns für Russland gefragt. Wir dachten zwar: warum Russland? Können die uns nicht in die USA bringen? Wir wollen auch gerne nach Australien. Aber jetzt ist es halt Russland. Und es ist auch toll.

Nino: Rein urlaubs-mäßig wären die anderen Länder besser gewesen. Aber ich glaube rein vom Publikum her ist Russland viel interessanter, als zum Beispiel die USA. Da interessiert sich ja keine Sau für einen. In Russland sind die Leute noch ein bisschen hungriger und freuen sich. Das haben wir von Mia und den Sporties gehört, die schon da waren. von daher ist es für eine deutschsprachige Band, die nie die Möglichkeit hat, über das deutschsprachige Ausland hinaus zu kommen ... außer sie arbeiten viel mit Pyroeffekten ... Wir freuen uns auch schon total und es wird auch sehr abenteuerlich. Ich bin gespannt.

Thomas: Das hat ja mit Urlaub dann auch nichts mehr zu tun, wobei man ja schon die Gelegenheit hat, das Land kennen zu lernen; auf eine andere Art und Weise, als wenn man Urlaub machen würde.

Nino: Wir sind ja auch nicht in den Touristenzentren.

Thomas: Aber es ist schon ein Auftrag. Du fährst da hin, um einen Teil deutschsprachiger Kultur zu repräsentieren. Nichts anderes werden wir machen. Wir werden uns Mühe geben, die Leute da zu unterhalten, denen da was zu bieten. Ich glaube, so viele westeuropäische Bands kommen da nicht, um ein Konzert zu spielen. Für die ist das ein Highlight. Das sollte man denen auch nicht vermiesen, indem einen das egal ist. Die sollen einen tollen Abend bekommen.

Sie erzählten noch, dass ihr Konzert in der Wuhlheide relativ normal werden würde. Es solle da "familiär und intim" zugehen. So war es dann auch. Und ich kann nun, genau wie die anderen 400 Zuschauer, behaupten, mal auf einer riesigen Bühne gestanden zu haben. Denn auf dieser hatten Virginia Jetzt! eine weitere, kleine Bühne aufgebaut. Das Publikum stand so auf der großen Bühne der Wuhlheide und schaute auf die Kleine, die dort wie ein Kasperle-Theater wirkte. Das war auf jeden Fall besser als ihr Auftritt bei Interaktiv. Man kann bezweifeln, ob sie es mochten, nach Freundinnen gefragt zu werden ... Ob das beim nächsten Album noch mal sein muss?

Das Interview führte Vicky Butscher

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