4. April 2002

"Unser Soul ist mit keiner anderen Musik vergleichbar!"

Interview geführt von

Kurz vor dem Konzert in der Kölner Live Music Hall sitzen wir mit ihm im Backstage-Bereich in einer "gemütlichen" Sofa-Ecke zusammen. Währenddessen hält Keyboarder Roger Smith neben uns auf dem dritten Zweisitzer-Sofa in aller Seelenruhe noch ein Mittagsschläfchen. Bei dem Gig am Abend machen die Musiker dann auch den gewohnt ausgeschlafenen Eindruck. Mit einer Wahnsinnspräzision spielen sie ihre Songs runter und begeistern das äußerst gemischte Publikum. Allein Bassist Francis Rocco Prestia scheint gesundheitlich sehr angeschlagen zu sein, so dass man sich fragen muss, wie lange er wohl noch Bass spielen kann.

Eure Managerin hat mir erzählt, ihr nehmt gerade ein neues Album auf.

Ja, das ist richtig. Wir haben bereits 15 Songs eingespielt und werden noch zwei weitere Stücke aufnehmen. Wir wollen mit dem Abmischen im Mai oder Juni fertig sein. Es ist geplant, die CD im September zu veröffentlichen.

Warum habt ihr die Arbeit an dem neuen Album unterbrochen und seit erst einmal auf Tour gegangen?

Es gab ein ziemliches Durcheinander. Eigentlich war geplant, die Platte im September letzten Jahres aufzunehmen. Doch dann hatte Sony Japan, bei denen wir unter Vertrag sind, finanzielle Probleme und stoppte alle Studioaufnahmen bis April. Einige Bands wurden fallen gelassen, wir nicht. Zu Beginn des Jahres wurde dann unser Bassist krank und es war nicht sicher, ob er im April in der Lage sein würde, Aufnahmen zu machen. Wir sind deswegen auf eigene Kosten ins Studio gegangen und haben, wie schon gesagt, 15 Lieder aufgenommen. Im April wird es dann mit der Plattenfirma weitergehen. Die Planung der Tournee war aber schon länger fertig und deshalb müssen wir sie jetzt spielen.

Das Stück, das ihr beim Soundcheck gespielt habt, ist neu, oder?

"Oakland Zone"? Ja, das ist neu! Das ist der Titel-Song. So wird auch die CD heißen.

Kannst du uns noch mehr über die neuen Stücke sagen?

Tja, es ist weiterhin das Tower Of Power-Ding. Viel Funk, viele Soul-Hooks und einige klassische Balladen. Es ist das erste Studioalbum seitdem David Garibaldi wieder dabei ist. Das ist wirklich klasse, wieder mit ihm aufzunehmen.

Ist David Garibaldi dein favorisierter Schlagzeuger für Tower Of Power?

Auf jeden Fall!

Wie viele von den neuen Songs präsentiert ihr auf der Tour?

Drei, wir werden aber nur zwei Stücke bei einem Gig spielen und dann von Auftritt zu Auftritt wechseln.

Beim Soundcheck haben wir gehört, dass ihr auch einen Drum-Computer einsetzt. Ist das auch auf der neuen Platte der Fall?

Ja, ein bisschen, aber nicht so oft.

Warum macht ihr das?

Bei "Oakland Zone" ist ein Drumloop zu hören. Er windet sich durch den Rhythmus und ist das Gerüst des Liedes. Wir haben es ausprobiert und es funktioniert.

Einen Drumloop zu verwenden, erzeugt auch einen zeitgemäßen Sound.

Ja vielleicht, ich weiß nicht. Wir machen das, was funktioniert und da ist es uns egal, ob das modern klingt oder nicht. Um irgendwelche Trends kümmern wir uns nicht!

Wie würdest du den Stil von Tower Of Power der letzten drei Jahrzehnte beschreiben?

Ich würde ihn als echte Soul-Musik beschreiben.

Hat sich der Stil im Laufe der Zeit geändert?

Unser Stil?

Ja.

Nein. Die Leute fragen immer die Musiker, in welche Richtung das neue Album geht. Und sie sagen, dass die neuen Stücke vielleicht etwas Blues enthalten oder sie eine Reggae-Scheibe machen wollen. Wir sind nicht so! Wir machen unsere Soul-Musik und die ist mit keiner anderen Musik vergleichbar! Und wir werden nichts anderes machen! Du wirst nicht das neue Tower Of Power Reggae-Album zu hören bekommen und du wirst auch nicht das neue Tower Of Power-Big Band/Swing-Album zu hören kriegen. Wir machen so was nicht! Wir bleiben uns treu, das ist auch besser für uns. Es ist also "More Of The Same".

Aber kann es nicht sein, dass es verschiedene Arten von Oakland-Soul in den letzten dreißig Jahren gegeben hat? Zum Beispiel hören sich doch die ersten Alben von 1970 anders an als die letzten Platten. Auf dem dritten Album "Back To Oakland" klingen die Bläsersätze doch ein wenig nach Big Band Arrangements.

Nein, ich kann das so nicht hören.

Was sind die musikalischen Einflüsse auf die Musik von Tower Of Power?

Wir sind viele Musiker in der Band und wir sind alle unterschiedlich beeinflusst. Ich und Doc Kupca, also die wesentlichen Komponisten der Band, sind vor allem durch Soulmusik aus den 60er und 70er Jahren beeinflusst. Wir hören aber auch viel Musik von den großen Songwritern, wie Burt Bacharach, Jimmy Web oder Rogers & Hammerstein. Doch der Haupteinfluss ist Soul Music von Otis Redding, James Brown, Johnnie Taylor, Gladys Knight, Joe Tex, Curtis Mayfield ... so Sachen eben.

Beeinflussten die verschiedenen Bandmitglieder, die es im Laufe der Zeit gegeben hat, die Musik von Tower Of Power?

Jeder der Musiker, die in der Band spielten und spielen, haben natürlich ihre eigenen musikalischen Hintergründe und bringen diese ein. Doch wenn sie bei uns anfangen, wissen sie, wie die Musik von Tower Of Power zu klingen hat und spielen natürlich auch so.

Wenn du komponierst, wie gehst du dabei vor?

Das ist immer unterschiedlich. Es ist so ähnlich, wie wenn man Fischen geht. Man hat eine Idee, einen Rhythmus, einen Text, ein Hook, eine Akkordfolge oder eine intellektuelle Idee. Doc und ich treffen uns dann und wir sprechen darüber und fügen andere Dinge dazu. Der eine fragt den anderen: 'Was hältst du von diesem Riff?' 'Ja, nicht schlecht, aber meinst du nicht, an der einen Stelle würde nicht ein anderer Akkord besser dazu passen?' Wir jagen den Fisch, der durchs Wasser schwimmt, bis wir ihn haben. Das geschieht aber immer auf unterschiedliche Weise. Es ist nicht so, dass wir sagen: 'Ok, du schreibst die Texte und ich die Musik', oder so. Es ist immer anders. Wir gehen von Ideen aus, mit denen wir dann arbeiten.

Jamt ihr mit den Ideen?

Doc und ich sind keine großen Instrumentalisten. Ich spiele Gitarre und Klavier. Doc spielt nur Klavier. Er spielt vielleicht ein paar Akkorde auf dem Piano oder ich auf der Gitarre. Und dann sagt der eine: 'Hey, verändere den Akkord.' Oder: 'Diese Stelle finde ich nicht so gut.' Oder es geht: 'Ich finde das Stück sollte ein Feeling haben, wie ein bestimmtes anderes Stück, was wir in der Vergangenheit gemacht haben.' Doch wir sitzen nicht zusammen und jamen richtig, so dass wir zusammen Musik machen.

Schreibst du alles für jeden Musiker auf?

Nein, ich notiere nur die Akkorde und die Texte. Meistens nehmen wir ein kleines Demo auf. Manchmal gehen wir dazu ins Studio und machen das mit richtig guten Musikern. Gelegentlich stellen wir auch nur den Kassettenrecorder an und ich spiele mit der Gitarre ein bisschen was ein, Doc klatscht dazu (Castillo klatscht den Backbeat) und ich singe. Das kann auch reichen.

Die anderen Bandmitglieder überlegen sich dann ihren Teil dazu?

Nein, das arbeiten wir später aus. Wenn das Stück fertig komponiert ist, weiß ich, wie alles klingen muss. Wie das Feeling sein soll, wann welche Breaks kommen usw. Dann setze ich mich mit der Rhythmusgruppe zusammen. Doc kann das nicht machen. Ich spiele das Stück an und die anderen fangen an zu lernen, das Lied zu spielen. Und ich mache dann Anmerkungen, wo etwas zu verändern ist. Zum Beispiel, dass die Zwei und die Vier nicht betont werden sollen. Statt dessen soll die Snare am Ende der Eins und auf der Vier gespielt werden. Die Basslinie will ich folgendermaßen haben. (Er singt kurz eine Basslinie an) Dann kommt der Bassist aber vielleicht mit einer anderen Idee: 'Was hältst du davon, es folgendermaßen zu spielen?' 'Ja, das ist gut!' Oder: 'Ja, das ist gut, aber ändere es an der einen Stelle noch ein wenig.'

Wir modulieren die Sachen zusammen ein paar Stunden lang und dann haben wir den Rhythmus fertig. Ich weiß zu diesem Zeitpunk schon wie der Background-Gesang zu klingen hat und wie der Lead-Gesang sein soll. Ich zeige dann dem Sänger wie der Gesang geht und setzte mich mit den anderen Jungs hin und wir proben den Background-Gesang. Wenn wir an diesem Punkt angekommen sind, macht einer meiner Guys das Bläserarrangement. Entweder ist es einer aus der Band oder jemand der nicht in der Band spielt. Die ganze Zeit muss ich aufpassen, dass die Musik so wird, wie ich sie mir vorstelle. Manchmal kommt das Bläserarrangement dem Background-Gesang in die Quere, dann muss ich eingreifen und die Bläser müssen an einer bestimmten Stelle eine Pause machen oder wir verschieben den Bläsereinsatz. So modellieren wir gemeinsam ein Stück, bis das Resultat unseren Vorstellungen entspricht.

Was ist der spezielle Stil eures Bläsersatzes im Vergleich zu anderen berühmten Bläsersätzen wie den Phoenix Horns oder den Memphis Horns?

Zuerst einmal ist die Besetzung der Memphis Horns nicht so groß wie bei uns. Sie spielen daher mehr unisono und haben nicht so viele gegeneinander laufende Linien, wie es bei uns der Fall ist. Mit fünf Bläsern, bei dem ein Baritonsaxophon dabei ist, kann man die Stimmen gegeneinander laufen lassen. (Emilio Castillo macht mit seiner Stimme den Bläsersatz nach, bei dem sich sehr hohe und sehr tiefe Töne ständig abwechseln.) Die Phoenix Horns spielen gerne viele Noten. (Er singt schnelle sechzehntel Phrasen vor.) Wir machen das nicht. Wir spielen nicht so viele Töne. Wir lieben es, eine einfache Stellungnahme abzugeben, die heraussticht. Jeder dieser Bläsersätze hat sein eigenes Voicing. Unseres ist breit und kräftig, da unser Bläsersatz der größte ist. Unser Stil ist nicht schulmäßig.

Wir spielen nicht nach den Regeln, die Bläser aus Big Bands in der Vergangenheit oder aus der Zeit des Bebop aufstellten. Wir haben unseren eigenen Stil. So verschlucken wir oft einige Töne oder wir machen Hard Offs (Castillo singt wieder vor: Ein langgezogener Ton wird am Ende lauter und dann sehr abrupt beendet. Im Gegensatz dazu lässt er einen Ton in gleicher Lautstärke und beendet ihn relativ weich.) Wir machen auch viele kurze Stöße oder wir spielen Smears. Wisst ihr was Smears sind? (Castillo lässt einen hohen Ton nach unten abschmieren.) Jeder entwickelt seinen eigenen Stil. Die anderen beiden sind tolle Bläsersätze. Ich war ein riesiger Fan der Memphis Horns als sie groß raus kamen. Ich bin auch ein Fan der James Brown Bläsersektion oder die Pheonix Horns von Earth, Wind and Fire finde ich klasse, auch das was sie bei Phil Collins gemacht haben. Sie alle haben ihren eigenen Stil und wir auch.

Gibt es weitere Projekte bei denen der Tower Of Power-Bläsersatz mitspielt?

Wir haben für die letzte Platte von Aerosmith etwas eingespielt und eine Session für Neil Diamond gemacht. Was noch ...? Wir haben schon einige Sachen gemacht, aber den größten Teil investieren wir für unsere eigene Band. Für die nächste Zeit sind keine anderen Projekte außer Tower Of Power geplant.

Wie bereitet sich die Band auf eine Tournee vor?

Wir bereiten uns nicht groß vor. Fünf Tage investieren wir, um ein paar neue Stücke einzuüben und Neuerungen abzusprechen. Normalerweise nehmen wir kleine Veränderungen beim Soundcheck vor, wenn wir unterwegs sind. Heute fangen wir zum Beispiel mit einem Intro an, dass so ein wenig an James Brown erinnert und direkt in "Soul With A Capital 'S'" übergeht. Das haben wir die letzten Tage beim Soundcheck geprobt und spielen es jetzt.

Was ist deine Meinung über den neuen Soul-Stil, wie er von Musikern wie Usher, R. Kelly oder Alica Keys gespielt wird?

Ich mag R. Kelly, ich mag Pink mit ihrem Hit "Let's Get The Party Started". Es gibt gute Sachen da draußen. Es gibt Leute die gerne sagen, dass es keine gute Musik mehr gibt, dass die ganzen Hip Hop-Sachen schlecht seien. Die machen es sich etwas einfach. Die Wahrheit ist, dass es immer gute Musik gibt und auch immer Mist. Wenn man sich die Mühe macht, sich durch die neuen Sachen durchzuhören, kann man gute Musik entdecken.

Was ist deine Haltung zu der aktuellen politischen Situation in den USA?

Mhm, ich bin kein politischer Mensch. Nach den Anschlägen am 11. September war ich geschockt. Eine Woche lange war ich wie benommen. Ich unterstützte unseren Präsidenten, obwohl ich ihn nicht gewählt habe. Ich wollte nicht, dass er unser Präsident wird, aber jetzt ist er es nun mal und dann hat er auch meine volle Unterstützung. So weit, so gut. Ich denke, er geht mit der Angelegenheit um, so gut er kann und es ist die einzige Möglichkeit, wie er es regeln kann. Ich hoffe, es wird eine Lösung für die Probleme geben und sie wird nicht so lange auf sich warten lassen. Ich bin aber nicht direkt politisch aktiv, das ist nicht mein Ding.

Ich habe Tower Of Power jetzt schon vier Mal live gesehen, aber nie habt ihr mein Lieblingsstück "Attitude Dance" gespielt. Warum?

Früher hatten wir das Stück immer im Programm, haben es aber in den letzten Jahren herausgenommen. Ich mag das Stück auch sehr, vielleicht spielen wir es ja mal wieder.

Vielen Dank für das Interview.

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