16. Juni 2003

"Es ist die Wucht der Lieder ..."

Interview geführt von

Früher krächzten die drei Indie-Rocker aus dem nordischen Hermoor ihr Leid noch in den Punk-Clubs dieses Landes – heute ist man wesentlich zuversichtlicher in den Charts und schon mal Support von Element Of Crime. Mit "Hinter All Diesen Fenstern" haben die Neu-Hamburger ihr mittlerweile drittes und bislang ausgefeiltestes Album unter die Leute gebracht. Vor ihrem großartigen Hagener Konzert im Juz Pelmke traf man sich zum Interview mit LAUT.

Ihr seid ja auf Platz fünfzig in die Charts eingestiegen. Wie darf man sich denn die zugehörige Party vorstellen?

Thees: Ich lag am nächsten Tag bis vier in sauer, und sonst war das eben so kindliche Freude. Wie so ein Kindergeburtstag. Mit acht Kisten Bier und zwölf Flaschen Sekt. Wir standen eben mit dem Handy in der linken Hand und mit Festnetz in der Rechten und haben den gesamten Freundeskreis durchtelefoniert.

Hattet ihr denn Erfolg erwartet?

Thees: Wir hatten es nicht erwartet, aber natürlich darauf hin gearbeitet, in die Charts zu gehen. Und es hat auch keiner damit gerechnet, dass das Ding mittlerweile vier Wochen in den Charts ist. Das war dann natürlich ein exorbitanter Erfolg.

Ich finde ja trotzdem, dass eure zweite Platte das mehr verdient hätte.

Thees: Du hast halt keine Ahnung von Musik. Darauf geb ich jetzt mal die Slayer-Antwort: "Die Platte ist die Beste, die wir je gemacht haben." Wenn man mehr im Aufnahmecharakter mehr auf Lo-Fi-Punk steht, kann ich schon verstehen, warum das Alte besser findet. Für mich mache ich das mehr an der Wucht der Lieder als am Sound fest. Ich habe immer versucht, mit meinen Texten mein Leben auf den Punkt zu bringen und das ist mir jetzt am besten gelungen. Und die Musik kickt mich einfach mehr. Besser auskomponiert und so. Punk interessiert mich halt auch überhaupt nicht mehr.

Die neue Platte klingt auf jeden Fall viel britischer als euere alten Scheiben. Gab es einen Punkt, an dem das britische Zeug wichtiger als das amerikanische wurde?

Im Endeffekt habe ich mich in den letzten zweieinhalb Jahren einfach gar nicht mehr für Musik interessiert, weil ich so viel mit Musik zu tun hatte. Von daher kommt das der Platte vielleicht zu Gute, dass die Einflüsse relativ gering waren. Ich tendiere vom Großmaultum ja dazu, dass die neue Platte international klingt. Weil eben gerade dieses Ding zwischen englisch und amerikanisch total verschwimmt und es eben total weit weg von den Boxhamsters, Tocotronic oder Blumfeld ist. Wir haben jetzt eine neue Schublade aufgemacht und das müssen Journalisten eben noch lernen. Es hört sich eben eigen an.

Kannst du dir dann überhaupt noch vorstellen, einen Drei-Akkorde-Punk-Song zu schreiben?

Es sind ja Stücke mit drei Akkorden auf der Platte.

Ich meinte das jetzt eher so im Bezug auf epochale Sachen wie z.B. "Neulich Als Ich Dachte".

Ich sitze zu Hause auf meiner Bettkante und komponiere die Grundakkorde, und dann wird das halt in den Bandraum geschmissen. Da feilen wir zusammen daran rum. Wenn die Zeit für den "Song 2" von Tomte gekommen ist, dann werden wir den auch komponieren. Wir machen keine Effekthascherei-Musik, deshalb kommt das auch alles so wie es kommt. Wir gehen jetzt nicht in den Proberaum und sagen "Wir brauchen noch den Rocker". Als wir im Herbst ins Studio gegangen sind, hätte keiner von uns damit gerechnet, dass so ein Song wie "Neulich Als Ich Dachte" auf die Platte kommt. Oder das sich "Endlich Einmal" so anhören würde.

Warum denn nicht?

Weil wir unsrer eigenen Größe nicht so bewusst waren.

Du hättest also nicht gedacht, dass diese Band so etwas komponieren kann?

Ja, im Endeffekt ist es das. Aber es ist toll, dass es so eine Band ist, die so was schafft, ohne das zu merken.

Du hast ja vorhin gesagt, dass dich Punk nicht mehr interessiert. Gibt es da genaue Gründe?

Es langweilt mich eben einfach. Mich langweilen langweilige Lieder. Ich bin halt einfach ein Moll-Lied-Typ. Wenn sich also jemand Gedanken über eine schöne Melodie gemacht hat. Und das sehe ich nur bei wenigen Punkbands. Und Punkszene ist gerade musikalisch – kulturell ist das noch was ganz anderes – zu viel Verwaltung von alten Sachen.

Kannst du dich dann auch mit Punk nicht mehr identifizieren?

Tomte war eine Band, die sich jahrelang in der Punkszene bewegt hat. Das fanden immer zehn Leute bei unseren Konzerten gut und neunzig hat das irgendwie aufgeregt. Aber die sind dann auch nicht rausgegangen, sondern fühlten sich dazu berufen, da zu bleiben und das war natürlich ein erhebendes Gefühl, wenn man polarisieren kann. Deswegen sind wir jetzt auch keine Jesusmörder, wenn wir in den Mainstream gehen.

Die Punkszene an sich hat wunderbare Strukturen, ist aber künstlerisch total limitiert. Stell dir mal vor, du gehst auf ein Punkkonzert und spielst ein Lied auf der Akustik-Gitarre – da drehen Ratte und Atze mal schon am Rad. Ich zieh eben immer weiter, bis die Sachen anfangen mich zu langweilen.

Stimmt es, dass ihr eure Platte mit englischen Texten rausbringen wollt?

Ja. Amerika oder Spanien sind mir scheißegal. Aber ich will, dass eine Tomte-Platte in England veröffentlicht wird. Ich will, dass darüber gesprochen wird. Das sind halt so Sachen, die man haben möchte: dass St. Pauli aufsteigt und dass meine Platte in England rauskommt.

Hast du schon mit dem Übersetzten angefangen?

Neulich auf der Fahrt ein wenig rumgemacht. Zu Basser Timo:. Das heißt übrigens nicht "Srceam" sondern "Shout the name of my mother".

Werden dann auch Texte geändert?

Klar. Aber das kannst du ja auch im Deutschen machen. Du könntest zum Beispiel das Wort "Bastarde" durch "Fickgehirne" austauschen. Tomte-Stücke sind ja durch diese bestimmte Stimmung geprägt. Es geht mir eher darum, die Wuchtigkeit der Texte zu behalten
Weil die Texte ja auch relativ einfaches Deutsch sind, müsste man das hinbekommen.

Was kann man noch von Grand Hotel Van Cleef erwarteten?

Das bleibt abzuwarten. Aber ich denke, dass wir das Label in der deutschen Labellandschaft etablieren werden. Ich denke wir können das ganz gut, es gibt genug gute Bands, mit denen man was machen kann und ich hab ein Job.

Wird Marr (Die Band von Basser Olli und Keyboarder Dennis) der nächste Release?

Das sieht gut aus. Aber wegen des großen Erfolges von Kettcar und Tomte haben wir uns entschieden, dass wir keine Namen mehr nach draußen geben, weil sich dann sämtliche Major-Labels auf dieses Projekt stürzen und versuchen würden, es wegzukaufen.

Das Interview führte Philipp Schiedel.

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