23. August 2012

"Brüste sind die Währung des Erfolgs!"

Interview geführt von

The Darkness: Was für eine Bandgeschichte. Kometenhafter Aufstieg, das Rockstarleben mit allem, was dazu gehört. Auch die dunkle Seite: Drogen, Alkohol, Sucht. Dann der große Knall.Bassist Frankie steigt aus, anschließend auch Sänger Justin. Alles bricht auseinander, die Brüder Justin und Dan entzweien sich. Monatelange, absolute Funkstille. Dan, Frankie und Schlagzeuger Ed spielen als Stone Gods weiter, Justin versucht sich beim Eurovision Song Contest und mit seinem Soloprojekt British Whale.

Er wird clean und sitzt mir 2012 als geläuterter Mann gegenüber. Obwohl er nur ein Jahr älter ist als sein Bruder, ist sein Gesicht deutlich gezeichneter. Aber er ist bestens aufgelegt, lacht und reißt Witze - und offenbart eine nie geahnte Tierliebe. The Darkness sind zurück, die Brüder wieder vereint und könnten motivierter nicht sein.

Im kommenden Herbst werden sie als Vorband von Lady Gaga wieder riesige Arenen bespielen, in der Superbowl-Halbzeit lief ein 90-Sekunden-Spot von Samsung, und wie vor zehn Jahren kiekste Justin dazu "I Believe In A Thing Called Love". Am 17. August erscheint das Comeback-Album "Hot Cakes" - ein "moderner Dreh für Classic Rock". Dan ist inzwischen Vater, hat aber immer noch die Haare schön. Um Justins Mund prangt der prächtige Bart eines britischen Sires. Und - Gott sei Dank - sitzt er mir im handelsüblichen Poloshirt gegenüber.

Gehts euch gut?

Justin: Ja, uns gehts super! Und dir?

Mir auch! Sitze ich nun einer neuen Band gegenüber?

Justin: Der Hälfte davon! (lacht) Doch, es ist definitiv neu.

Was ist an euch neu?

Justin: Wir sind zitronig-frisch!

Dan: Wir tragen neue Klamotten. Und neue Haare (lacht).

Eure Frisuren sind doch gleich!

Justin: Mehr Gesichtshaar!

Stimmt, das sehe ich.

Justin: Nein, keine Ahnung. Es sind eine Menge Veränderungen passiert. Touren und das ganze Leben ist gesünder jetzt. Dan hat Kinder! Und ich habe Haustiere.

Das sind ja auch irgendwie Kinder.

Justin: Haarige Kinder. Sehr plüschig. Ich weiß nicht, sie machen dich ... Warte mal, was rede ich eigentlich? Also aus der Perspektive eines Haustierbesitzers kann ich sagen, es verändert dich! (lacht) What the fuck! Dan, erzähl doch mal! Man muss der Welt anders begegnen, oder?

Dan: Ähm ...

Justin: Also als Onkel kann ich dir sagen, dass es vielen Dingen eine neue Perspektive gibt.

Dan: Ja, es gibt allem, was du tust, einen Wert. Du bist nicht mehr so versucht, sinnlose Dinge zu tun. Alles hat einen Grund.

Denkt man da auch mehr an Morgen und die Zukunft?

Justin: Nein, eigentlich versucht man mehr, das Meiste aus dem Moment zu machen. Wenn du für einen Monat weg bist, verändert sich dein Haustier sehr (lacht). Wir versuchen ja nicht, ein Nest zu bauen. Wenn du Musik machst, um Geld zu sammeln, dann klappt es nicht. Musik um des Geldes willen zu machen, ist der beste Weg, kein Geld zu machen. Es muss um die Kunst gehen. Wenn du damit dann Geld machst, ist das ein Bonus.

"Lady Gaga ist die Queen of Pop!"

Ihr supportet jetzt im Herbst doch Lady Gaga. Ist das dann nicht ein bisschen widersprüchlich?

Justin: Das ist eine reine Glückssträhne! Wir schicken unsere Sachen in die Welt und bekommen die Belohnung, sie vor vielen Leuten präsentieren zu können.

Aber ist Lady Gaga denn Kunst oder ein Mainstreamprodukt?

Justin: Oh nein, sie ist Kunst! Ihre Zielgruppe ist eben zufälligerweise der Mainstream, aber sie ist Kunst. Ihre ganze Erscheinung ist Kunst, mehr als jeder andere Popstar. Du siehst sie nie außerhalb ihrer Rolle, ohne Make-Up oder Kostüm. Sie ist ziemlich spektakulär.

Ist sie die Queen Of Pop?

Justin: Ja! Madonna ist ... die Queen Mother! (lacht) Auf eine gute Art. (Scherzt:) Fuck, sie ist noch nicht tot, oder?

Naja, fast!

Justin: Madonna war die Queen Of Pop und ist genauso wichtig, respektiert und geliebt, aber ich finde, dass ihre beste Arbeit einige Zeit zurückliegt. "Like A Virgin", "Like A Prayer" – all diese Like-Songs! Die liebe ich.

Was erwartet ihr denn von dieser Lady Gaga-Tour?

Justin: Gar nichts, wirklich. Rausgehen, eine gute Zeit haben. Ich hoffe, etwas davon zu lernen. Eine schöne Erfahrung soll es werden.

Wie glaubt ihr denn, dass die Gaga-Fans auf euch reagieren? Ihr seid zwar schrill, aber ja irgendwie nicht ganz die Zielgruppe.

Justin: Oh, wirklich keine Ahnung!

Dan: Hoffentlich klatschen sie, wenn wir einen Song beendet haben.

Dann seid ihr zufrieden?

Dan: Ja, das reicht.

Justin: Wenn wir nur einen Menschen erreichen können, haben wir wahrscheinlich sehr gute Arbeit geleistet.

Dan: Unsere Arbeit wird es sein, die Menge aufzuwärmen und ihnen eine gute Zeit zu geben. Wir sind sozusagen die Vorspeise. Diese Rolle haben wir ganz oft gespielt, so haben wir unsere Fanbase im UK gewonnen, indem wir alles und jeden supportet haben. Wir waren Vorband von Robbie Williams über Metallica bis zu den Stones und Deep Purple, Meat Loaf... Das könnte ewig so weitergehen! Uns wollte damals keiner unter Vertrag nehmen, aber wir hatten einen guten Agenten und wussten, dass wir live spielen können. Wir freuen uns auf die Herausforderung!

Justin: Das ist auch wirklich ein guter Zeitpunkt. Unser Album erscheint bald und wir gehen mit Lady Gaga auf die derzeit größte Tour. Es gibt keinen Ort, an dem wir lieber wären. Das ist eine großartige Möglichkeit!

Genau – euer Album! Ich finde, es hat einen sehr positiven Drive. Wo nehmt ihr denn die neue positive Energie her? Familie? Haustiere?

Justin: Haustiere! Ich denke immer an Tiere! (lacht) Das klingt jetzt vielleicht blöd, aber wenn wir einen neuen Song schreiben, finden wir zuerst die Melodie und dann den Text. Das ist einfacher so. Und wir haben immer über den Smellbear gesungen. Er sieht eben aus wie ein Bär, und er stinkt, darum heißt er Smellbear. Wir haben Sachen gesungen wie: "Smellbear hat trotzdem seinen Stolz", und daraus wurde "Forbidden Love"! Oder: "Smellbear läuft immer davon", das wurde "Keep Me Hanging On" (zwei Tracks des neuen Albums, Anm. d. Red.). Ach weißt du, es ist einfach schön, nach Hause zu kommen und jemanden da zu haben. Ob das nun Katzen, Hunde oder nur ein paar Kinder sind.

Dan: Nur ein paar Kinder!

Ist ja das Gleiche! Was meint ihr, seid ihr zwei durch euren Streit enger zusammengewachsen?

Dan: Vielleicht ist das so. Dadurch, dass wir den ganzen Dreck rausgekehrt haben, fühlt es sich irgendwie entspannter an. Wir haben jetzt mehr Spaß als damals, als wir wirklich gar nichts ernst genommen haben.

Justin: Wenn du jung bist, behandelst du eine Ideen vorsichtig, weil du dir noch unsicher bist. Dann ist es gut, einen Bruder zu haben oder jemanden, der dir sehr nahe steht, weil deine Ideen oft von anderen zerrissen werden – sei es jemand aus der eigenen Band! Da gibt es immer Unstimmigkeiten, aber jetzt bist du darüber hinweg. Du spielst oder singst einfach vom Herzen weg und gibst dir die größtmögliche Mühe. Dass wir uns so zerworfen haben, war wie ein reinigendes Feuer. Jetzt können wir von vorne anfangen.

Scheißt ihr jetzt auf alles, was die Leute sagen?

Justin: Das haben wir irgendwie schon immer gemacht – weil wir es uns leisten konnten. Inzwischen mache ich es nicht mehr immer, aber ich könnte. (lacht) Ich selektiere da und wenn ich drauf scheiße, dann aus gutem Grund.

Lest ihr denn, was die Presse schreibt?

Justin: Nein. Ich lese nicht mal die Sachen, die ich angeblich selber gesagt habe. Ich lese nur ein Interview, wenn mir jemand sagt, dass es sehr gut ist. Ich spreche sehr undeutlich, glaube ich, und deswegen werde ich oft falsch zitiert. Manchmal sage ich in Interviews unheimlich kluge Sachen und kann kaum erwarten, es niedergeschrieben zu sehen, aber dann hat der Interviewer es falsch verstanden! Das passiert sogar bei unseren eigenen Biographien. Wenn dein Lieblingsjournalist kommt und es immer noch missversteht ... (seufzt) Das juckt mich aber gar nicht mehr.

Ich hoffe, ich missverstehe nichts!

Justin: Das werden wir auch überprüfen! Sonst frag nach! (lacht) Die meisten Leute trauen sich nicht, zu fragen und es ist ihnen total egal, was du denkst. Machst du dir Gedanken darüber, was Leute über deine Artikel denken?

Ja, schon. Wenn ich meine eigenen Sachen lese, finde ich immer etwas zu mäkeln.

Justin: Aber das ist doch gut!

Ist es das?

Dan: Das macht dich gut.

Justin: Es gibt Leute, die schreiben schon zu lange. Die sind abgestumpft, denen ist es egal. Sie benutzen immer die gleichen Ausdrücke und selbst, wenn sie schon mal etwas über dich geschrieben haben, schreiben sie das nächste Mal einfach das Gleiche. Das ist eine sterbende Kunstform.

Zurück zu euch: Wo wollt ihr mit eurem neuen Album denn hin?

Justin: Raus, nur raus! Das Frustrierendste ist, dass es seit Ewigkeiten fertig ist und nur ganz wenig Leute es bisher gehört haben, aber nicht die, von denen du am meisten willst, dass sie es hören – die Fans!

Dan: Wir wollen zurück aufs Feld. Wir brauchen irgend etwas da draußen, damit wir vernünftig touren können. Ob das jetzt ein Hitalbum auf der ganzen Welt wird, ist eine Nebensache. Vielleicht wird es auch ein Riesending, das weiß keiner. Wir konzentrieren uns mehr darauf, die bestmöglichen Videos und Liveshows zu machen, als ein Nummer 1-Album.

Wollt ihr, dass die Leute sagen, dass es wie früher klingt, oder dass es etwas ganz Neues ist?

Dan: Vielleicht, dass unsere Batterien wieder aufgeladen sind. Es hat einen moderner Dreh für Classic Rock. Das wollten wir erreichen.

Justin: Mir war wichtig, dass meine Stimme gleich klingt. Kennst du das, wenn du eine alte Platte von einer Band hörst und die Stimme einfach anders ist? Es macht mir tatsächlich Sorgen. Denn wenn jemand hoch singt und dann älter wird, klingt das nicht immer astrein. Aber ich kann das noch! (lacht)

Ja, das klappt noch gut - ganz im Gegensatz zu deinem Eurovision-Versuch 2007. Der ging daneben.

Justin: Ja, das lief nicht gut. Ich probiere es einfach noch einmal!

Echt? Gibts ein nächstes Mal?

Justin: Ja. Was glaubst du, warum ich mich anziehe wie ein Knallbonbon? (lacht) Aber ich würde nicht als Performer hingehen. Ich würde gerne einen Eurovision-Song schreiben.

Dan: Auch für andere Länder!

Justin: Stimmt, du musst ja nicht mal Europäer sein, um einen Beitrag einzureichen. Du kannst einen Song von amerikanischer Songwriterhand als französischstämmiger Künstler für das UK singen! Ich verstehe die Regeln nicht genau, aber das Kapitel ist noch nicht abgeschlossen.

Wo ortet ihr denn genau euer Comeback? Die Werbung in der Superbowl-Halbzeit, in der "I Believe In A Thing Called Love" gespielt wurde, vor Millionen von Zuschauern?

Dan: Eher als wir 2011 auf dem Download Festival gespielt haben. Das hat uns zurück auf den Plan gerufen. Die Werbung war ein guter Bonus. Unser Manager hat mal gesagt, dass das ein guter Beweis ist, dass The Darkness noch von Bedeutung sind.

Justin: Das war das größte Sportevent, das jemals ausgestrahlt wurde! Größer als alles zuvor und wir hatten da 90 Sekunden. Das Timing war brillant, weil wir gerade in den USA auf Tour waren. Die zweite Hälfte war ruckzuck ausverkauft! Naja, nicht, dass die erste es nicht gewesen wäre, aber es läuft dort wie geschmiert. Wir sind mit dem Song auf Platz Eins der Rock Download-Charts gestiegen, dabei ist er zehn Jahre alt!

Euer Comeback beim Download Festival, wie wurdet ihr da begrüßt?

Justin: Ich war schrecklich nervös. Du gar nicht so, oder?

Dan: Ich war die ganze Woche vor der Show nervös, aber das hat sich so zwei Minuten vor der Show in Luft aufgelöst. Dann habe ich mich einfach nur noch tierisch gefreut! Ich wurde irgendwie dahin zurückkatapultiert, wo wir aufgehört haben. Es war weniger ein "Oh Gott, hoffentlich geht das gut!" als ein "Fucking eat this!" (lacht)

Justin: Das Ding war, wir haben 2003 schon mal beim Download gespielt und ich wusste noch, dass das Publikum ziemlich schwierig war. Die Leute haben auf die härteren Bands gewartet und waren gar nicht offen für das, was wir machen. Ich hatte Angst, dass es noch mal so werden würde. Aber man hat uns den Slot vor Def Leppard gegeben, weil wir schon einmal zusammen getourt haben und man wusste, dass das gut zusammen geht. Es hätte nicht besser sein können! Das war ein großer Moment.

Ich hab gelesen, die Leute haben Brüste gezeigt!

Dan: Oh ja!

Justin: Ja, Brüste - die Währung des Erfolgs! (alle lachen.)

"Alkohol und Drogen stoßen mich ab"

Justin, ich würde dir gern eine persönliche Frage stellen. Du hast gesagt, es ist schwierig, in einer Band zu spielen und nicht drogenabhängig zu werden. Wie willst du das denn jetzt vermeiden?

Justin: Das läuft jetzt anders. Alkohol und Drogen stoßen mich mittlerweile ab. Die Vorstellung davon lockt mich einfach nicht mehr. Ich möchte mich auch gar nicht mehr in so einem Umfeld bewegen, weil Betrunkene einfach lästig sind. Diese Unterhaltungen und dieser Alkoholgeruch ... Da fühle ich mich nicht wohl. Ich toleriere das, wenn ich muss, aber ich selber will damit gar nichts mehr zu tun haben. Ich habe nun andere Sachen, die mir wichtig sind, wie zum Beispiel ... (überlegt) Hm, was ist mir eigentlich wichtig?

Tiere?

Justin: (lacht) Ja! Tiere streicheln!

Dan, trinken du und die anderen zwei denn auch keinen Alkohol mehr?

Dan: Ed trinkt nicht mehr und Frank war nie der große Trinker.

Justin: Frank war mehr der flüchtige Trinker! Er könnte wochenlang nichts trinken und dann viel zu viel billigen Cider. Zu besonderen Anlässen.

Dan: Ich mag einen guten Ale unten im Pub. Ich trinke nicht, um betrunken zu werden.

Justin: Was ja auch ziemlich dumm ist.

Dan: Ich glaube, das machen aber ganz viele, ohne es zu merken.

Ich denke, das hat was mit diesem Rockstar-Ding zu tun, oder? Dass man sich vor Shows betrinkt und dann lallend rausgeht?

Justin: Ja. Aber ich habe nie vor Shows getrunken. Nur während! (lacht)

Na, die letzten Songs gingen dann eher daneben?

Justin: Ja, und dann taumelst du voller Reue von der Bühne!

Ach Mensch, die Zeit rennt uns schon weg. Als Frau muss ich abschließend diese Frage stellen: Justin, warum die Overalls?

Justin: In den 1960s hing unsere Mutter mit Leuten wie Brian Jones oder Jimi Hendrix rum. Sie hat Brian Jones als jemanden beschrieben, der mit pinken Catsuits umherlief – außerhalb der Bühne! Also war das für mich das Bild des Rockstars.

Hat sie deinen ersten Anzug genäht?

Justin: (lacht) Nein, das hat sie nicht. Aber bis heute ist sie mit in unsere Kostüme einbezogen. Sie entwirft Sachen und schickt sie dann an die Lady in L.A., die mich einkleidet."

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