Porträt

laut.de-Biographie

Taeko Ohnuki

Die 2010er gehen als die Zeit in die Musikgeschichte ein, in der das Internet sich selbst gefressen hat: Neben der Entstehung zahlloser Subgenres entwickelt sich die Wiederentdeckung von vergessen geglaubtem Material zu einer eignen Strömung, die über Stichwörter wie Artzie Music, Vaporwave oder Seapunk frisch zutage geförderten Sound zu einer neuen Gegenwartskultur erklärt.

Von allen Musikrichtungen der Vergangenheit gerät eine besonders ins Visier des öffentlichen Interesses: City Pop. Das japanische Jazz-Pop-Genre, das eine gewisse Exotik in seiner Interpretation von neuem modernen Wohlstand in sich trägt, produziert dank Reddit und YouTube-Algorithmen einen Schlag neuer alter Ikonen. Ganz vorne dabei: Mariya Takeuchi, Takako Mamiya und eine gewisse Taeko Ohnuki.

Taeko Ohnuki geht problemlos als die faszinierendste und gewissermaßen auch ironischste popkulturelle Wendung dieses Prozesses durch. Immerhin beginnt ihre musikalische Faszination in den Sechzigern in Tokio damit, dass sie durch die dünnen Wände in benachbarter Haushalten exotischen Platten aus Amerika und Europa lauscht. Ein Interesse, das schon in der frühen Schulzeit in mehreren Bands mündet.

Um 1970 beginnt sie in der Oberstufe erstmals, ernsthaft an einem Projekt mitzuwirken, das im Zuge des japanischen Folk-Booms so erfolgreich wird, dass ein Label in Tokio auf die junge Sängerin aufmerksam wird. Gleichwohl fasziniert sie um diese Zeit weniger die Musik von Harumi Hosonos Happy End oder Yoshio Hayakawas verwaschenes Velvet Underground-Retorten-Cool, sondern der aufkommende US-amerikanische Jazz Fusion-Sound.

"Wenn es dann schon einmal Leute im Land gibt, die diese Musik machen, dann hat man sich eben zusammengesetzt und hat gespielt", kommentiert Ohnuki viele Jahre später diese Zeit der musikalischen Findung, als westliche Popmusik gerade als New Music ihren Einzug in den japanischen Zeitgeist hält.

Das Label lenkt ihre Aufmerksamkeit deshalb auf einen gewissen Tatsuro Yamashita, mit dem sie die Band Sugar Babe gründet, einen der bis heute anerkannten wichtigsten Pioniere des heraufdämmernden City Pop-Genres. Zu der Zeit jedoch bleibt der kommerzielle Impuls noch aus und die Band trennt sich bereits nach drei Jahren und einem Album namens "Songs".

Ohnuki stehen alle Solopfade offen. Gemeinsam mit ihrem musikalischen Umfeld legt sie direkt "Grey Skies" nach, ein Balladen-lastiges Projekt, das noch sehr deutlich im Geist von Sugar Babe steht. Ihre musikalische Emanzipation findet sie auf dem darauf erschienenen "Sunshower", das bis heute als ihr Opus Magnum gehandelt wird. Nicht nur findet sich mit Ryuichi Sakamoto vom legendären Yellow Magic Orchestra in Sachen Produktion ein Hochkaräter wieder, die gesamte Musikantenriege setzt sich aus den umtriebigsten japanischen Funk- und Jazz-Größen zusammen.

Chris Parker von der New Yorker Band Stuff komplettiert ein Line-Up, das über eine Stunde Laufzeit den Standard für das bald sehr populäre City Pop-Genre setzt. Nach diesem Erfolg wechselt Ohnuki das Label und legt mit "Mignonne" ein Album nach, das zwar qualitativ mithält, das aber weder das Publikum positiv aufnimmt, noch sie selbst.

Taeko fühlt sich vom Druck des Erfolgs ausgebrannt und nimmt sich eine dreijährige Pause, in der sie die Welt von Südamerika über Afrika bis auf die Galapagos-Inseln bereist und sich musikalisch beeinflussen lässt. Es folgt eine Alben-Trilogie, die wieder mit Sakamoto entsteht und wie eine Hommage an ihre Erfahrungen in Europa erscheint.

"Romantique", "Aventure" und "Cliche" lassen sich dementsprechend auch auf zunehmend elektronische Stimmungen der Achtziger und Beat Music ein. Ohnuki holt sich nicht nur ihren kommerziellen Erfolg zurück, sondern fühlt sich selbst zunehmend wohler in ihrer musikalischen Rolle. Es folgen zahlreiche Alben, Musik für Filme und Videospiele, Kollaborationen mit dem Yellow Magic Orchestra und ein Journalistenjob für eine Naturzeitschrift.

Ohnuki veröffentlicht Musik bis weit in die Zweitausendzehner, jedoch weitaus verhaltenere, Piano-getragene Nummern, vorrangig weiterhin mit Sakamoto. Alben wie "Copine" oder "Lucy" werden zu Raritäten, an die man später nur schwer herankommt, was übrigens für weite Teile ihrer ausschweifenden Diskographie insgesamt gilt.

Ein bezeichnender Moment wird in der beliebten japanischen Fernsehsendung "You Wananshi Ni Nihon He?" deutlich, in der am internationalen Flughafen Tokios Reisende befragt werden, was sie ins Land geführt hat. Ein begeisterter US-Amerikaner schildert, dass ihn die Suche nach einer Kopie von "Sunshower" über den Pazifik geradezu gezwungen hat.

Damit schließt sich der Kreis: Obwohl Taeko Ohnuki als Musikerin überraschend repräsentativ für die japanische Musikkultur der Siebziger stehen könnte, zeigt ihr Interesse an der Welt und das Interesse dieser an ihr (on- und offline), welch raum- und zeitübergreifenden Sound sie tatsächlich erschaffen hat.

Alben

Surftipps

  • Homepage

    Ohnukis Homepage (Japanisch).

    http://onukitaeko.jp/

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