laut.de-Kritik

Die Potsdamer wagen den radikalen Kurswechsel.

Review von

Es dürfte mit Sicherheit nicht wenige erstaunte Gesichter geben. Manche werden den Folk-Metallern Subway To Sally nach diesem Album vielleicht sogar den Rücken kehren oder von Ausverkauf reden. Ob dieser Vorwurf gerechtfertigt ist, muss jeder selbst entscheiden. War "Herzblut" für jeden Fan noch eine eindeutige Angelegenheit, so präsentiert sich "Engelskrieger" als sehr zweischneidiges Schwert. Die Frage, die sich Subway To Sally auf alle Fälle gefallen lassen müssen, lautet: Was hat das alles noch mit Mittelalter-Rock zu tun?

Die Antwort: Wenig bis gar nichts. Mittelalter-Märkte dürften von diesem Album kaum profitieren. Denn "Engelskrieger" wurde eingespielt, um die Hallen zu rocken. Das könnte auch gelingen. Voraus gesetzt, die Fans wenden sich nicht zu voreilig von der Band ab. Den Vergleich mit Rammstein werden sich Subway To Sally, ob es ihnen passt oder nicht, gefallen lassen müssen. Diese "brennen" zwar um einiges besser und kommen auch ohne Violine aus. Dennoch ähneln sich Songstrukturen und Effekte.

Die Band einfach auf einen Rammstein-Klon zu reduzieren, wäre dennoch unangebracht. Viele der Songs sind schlicht und einfach Metal-Stücke mit deutschen Lyrics. Da die Texte sehr düster ausgefallen sind, dürfte es auch nur eine Frage der Zeit bleiben, bis dem Septett aus Potsdam rechtsradikales Gedankengut unterstellt wird - wie es bei deutschsprachigen Metal-Bands öfters geschieht. Für Texte und Musik zeichnen Bodenski (Drehleier, Gesang) und Ingo Hampf (Gitarre, Laute) verantwortlich, die sich diesmal anscheinend richtig austoben konnten. Was das Booklet anbelangt, gibt sich die Band sehr martialisch und dürfte damit einmal mehr für Erstaunen bei den Anhängern sorgen.

Auch der beigefügte lose Zettel, der eine sehr düster-makabre Geschichte erzählt und zum Download weiterer Stories einlädt, ist im Zusammenhang mit Subway To Sally etwas verstörend. Ob sich die Gruppe mit dem radikalen Kurswechsel einen Gefallen tut, ist abzuwarten. Zu befürchten bleibt aber, dass viele Fans den Weg nicht mitgehen. Unterm Strich bleibt "Engelskrieger" dennoch eine gute Platte. Doch ähnlich wie bei Metallicas "Load" gilt: Die Musik geht zwar in Ordnung - hat aber nichts mehr mit der Band zu tun, die man von früher kennt. Subway To Sally beschreiten neue Wege, wer kommt mit?

Trackliste

  1. 1. Geist Des Kriegers
  2. 2. Falscher Heiland
  3. 3. Unsterblich
  4. 4. Kleine Schwester
  5. 5. Abendlied
  6. 6. Narben
  7. 7. 2000 Meilen Unter Dem Meer
  8. 8. Knochenschiff
  9. 9. Wolfstraum
  10. 10. Verloren
  11. 11. Abendlied

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12 Kommentare

  • Vor 20 Jahren

    Subway to Sally - Engelskrieger

    „Halleluja“ es ist soweit! Knapp zwei Jahre nach „Herzblut“ melden sich die Potsdamer Folk-Metaller Subway to Sally endlich mit einer neuen Plattenproduktion zurück. „Engelskrieger“ lautet der Titel des neuen Werkes, welches, wenn es nach dem Willen der Band geht, eine völlig neue Ära Subway to Sally einläuten wird.

    Wie bereits mit der Vorabsingle „Falscher Heiland“ und diversen Interviewstatements angedeutet, weht nun im Hause StS ein völlig neuer Wind. Die Drehleier auf den Dachboden verfrachtet, den Dudelsack aufs Abstellgleis rangiert, steht das neue Album ganz im Zeichen moderner zeitgemäßer Rockmusik gepaart mit Texten, die einem das Spiegelbild einer Welt vorhalten, die die meisten von uns nur allzu gerne verdrängen. In der Theorie verfolgen StS damit nun jenen Weg weiter, den sie mit „Wenn Engel Hassen“ vom Herzblut-Album bereits erfolgreich erkundet haben. Doch wie sieht es in der Praxis aus?

    Um es kurz zu machen, wer StS für ihre Folk-Elemente liebt und schätzt, hat mit „Engelskrieger“ wahrscheinlich wenig zu Lachen! Wie angekündigt wurden die altertümlichen Instrumente weitestgehend in die Versenkung verbannt und durch wuchtige Gitarren ersetzt. Selbst die Geige von Frau Schmitt wurde an vielen Stellen derart entfremdet, dass sie kaum noch als solche zu erkennen ist. Stattdessen verdeutlicht gleich der erste Song „Der Geist des Kriegers“, wohin die neue Reise von StS geht: Düsteres Grummeln, gefolgt von tonnenschweren Riffs und einem Kratzen, das entfernt an Erics Stimme erinnert, schlagen einem bedrohlich entgegen und propagieren einer musikalischen Härte, die man von Subway to Sally bestenfalls aus Zeiten ihres Hochzeit-Albums kennt. Doch selbst dieser Vergleich trifft den Nagel nicht wirklich auf den Kopf.

    Egal ob nun „Falscher Heiland“, „Kleine Schwester“ oder „2000 Meilen unter dem Meer“ aus den Boxen tönen, permanent fühlt man sich von einem musikalischen 30tonner gerammt, der unverdrossen über einen hinwegwalzt. Verschwunden ist der beschwingte Hauch unterschwelliger Fröhlichkeit, der bisher noch immer seinen Weg in das Schaffen der Potsdamer gefunden hat. Wo einst vergnügt vom „Liebeszauber“ geflötet und der „Veitstanz“ gedudelt wurde, regiert nun Fürst Finsternis.

    Wer nun allerdings befürchtet, StS wären auf ihrem Weg zu einer reinrassigen Metalband vom Pfad der Tugend abgekommen der täuscht sich gewaltig. Denn fernab einschneidender Veränderungen haben es die Ingo Hampf und Bodenski geschafft, den ureigenen Stil, ihre Art zu Arrangieren und das Gespür für prägnante Melodien in die raue Welt des Engelskriegers hinüber zu retten. So hören wir beispielweise bei „Abendland“ fein miteinander verwobene Gesangslinien, die schon Titel wie „Wenn Engel Hassen“ veredelten und auch das Mitgrölpotential eines „Kleid aus Rosen“ wurde in der „Kleinen Schwester“ vortrefflich konserviert, selbst wenn die Thematik des Songs, Kindesmisshandlung, nicht wirklich zum Feiern geeignet ist.

    Generell setzt Texter Bodenski mit Engelskrieger vor allem auf schwere Kost. Getreu dem Prinzip „Aufzeigen aber nicht Anprangern“ thematisiert er Missständen und Problemen aus dem alltäglichen Leben, wie man sie täglich in den Nachrichten oder gar um die nächste Hausecke erkennen kann. Dabei liefert er Einblicke in die Gefühlswelt der betroffenen Personen und versucht ihre Sichtweisen verständlich zu machen. Abendlied zum Beispiel versetzt den Hörer direkt an die Bettkante eines kleinen Kindes, dass Nacht für Nacht von seinem Vater heim gesucht sucht wird. In Kombination mit einer hintervotzig klimpernden Spieluhr, bedrückendem Grollen und Erics einfühlsamem Gesang lässt das Stück einem das Blut in den Adern gefrieren. Ein ähnlicher Effekt stellt sich bei „Narben“ ein. Darin geht es um das Phänomen der Selbstverstümmelung aus Sicht des/der Betroffenen. Unterstützt von Geschickt eingeflochtenen Disharmonien die Zerrissenheit einer solchen Person und deren Machtlosigkeit, sich selbst aus dem Dilemma zu befreien.

    Generell funktioniert das Zusammenspiel der einzelnen Elemente auf Engelskrieger wahrhaft meisterlich, was nicht zuletzt auch ein Verdienst von Sänger Eric Fish ist, der für dieses Album noch einmal stark an sich gearbeitet hat und in Punkto Varianz und Einfühlungsvermögen deutlich zugelegt hat. Mal verspielt säuselnd, mal bedrohlich grollend, mal lauernd wie ein hungriges Raubtier geht er voll in den Texten auf verleiht den Songs einen bisher unerreichten Ausdruck. Zudem agiert er im Ganzen wesentlich rauer und aggressiver, wodurch seine von vielen als störend empfundenen Hochlagen der Vergangenheit angehören. Doch nicht nur der Gesang, auch die instrumentelle Seite des neuen Albums weiß zu überzeugen. So beweist Chefgitarrist Ingo ein goldenes Näschen für packende Riffs, verliert aber nie den eigenen Pioniergeist aus den Augen. „Abendland“ ist hierfür ein gutes Beispiel, welches mit einem interessant-sprunghaften Riff begeistert. Obwohl Frau Schmitt mit ihrer Geige hörbar kürzer tritt, fügen sich auch ihre Beiträge nahtlos in das Gewand des Engelskriegers ein. Tatsächlich wirken ihre Einsätze nun wesentlich mehr als differenzierendes Stilmittel und unterstützen damit die Ausdruckskraft der Songs.

    Um nun ein Abschließendes Urteil zu finden muss man zunächst sagen, dass sich StS es nicht leicht machen ihre Fans zu überzeugen. Der dominante Metal-Einfluß dürfte mit Sicherheit einige Folkliebhaber schwer vor den Kopf stoßen. Dennoch ändert dieser Umstand nichts daran, dass Subway to Sally hiermit ihr bisher stärkstes Album abgeliefert haben und dies nicht, weil sie auf härtere Klänge gesetzt haben, sondern weil das Gesamtbild bis ins letzte stimmig ist und die einzelnen Elemente aus Text, Gesang und Komposition perfekt aufeinander abgestimmt sind. Hier werden keine platten Phrasen gedroschen, hier wird nicht Plump gebolzt, sondern genau jenes eingangs erwähnte Spiegelbild der heutigen Welt in Musik und Texte projiziert. Ob Wut, Trauer, Verzweiflung, Verletzlichkeit, StS finden das passende musikalische Gefäß und setzen es in pure Energie um. Wer da noch was dran auszusetzen hat, dem ist nicht zu helfen.

    10/10 Punkten
    der Ritter

    www.rittis.de.vu

    aktuelle Tourfotos und Berichte, auch zur Engelskrieger-Tour findet ihr in meiner Ga"ll"erie Online

  • Vor 20 Jahren

    hab das review net gelesen, aber da 10/10 punkten druntersteht geb ich mal recht...

  • Vor 20 Jahren

    Seitdem ich das Album vor ein paar Tagen das erste Mal gehört habe stellt sich mir die Frage nach dem 'Warum?' ... Konnten es die Herren nicht ertragen das In Extremo sich mit 'Sünder ohne Zügel' goldene Eier verdient haben oder wie ist es zu erklären das StS nun den gleichen 'mutigen' Stilwechsel beschreiten? Natürlich mit deutlich weniger Risiko, denn IE haben bewiesen das Mittelalter und Metal auch den Geschmack der breiteren Masse treffen können.

    Da ich aus der Ramms+ein-Ecke komme habe ich eigentlich nix dagegen, 'Engelskrieger' ist ein richtig geiles Album geworden. Es ist nur schade das StS ihren besonderen Stil (vermutlich) dem Kommerz geopfert haben. Wie gesagt, das Album ist wirklich gut, aber halt nichts besonderes mehr. Ramms+ein, Megaherz, In Extremo...es gibt jede Menge Bands die harte deutschsprachige Musik machen. Viele langjährige Fans werden der Band nun vermutlich den Rücken kehren, so war es bei In Extremo auch schon, kann man nur hoffen das der neue Stil genug neue anlockt.