12. November 2018

"Uns hat keiner beigebracht, wie das Internet funktioniert"

Interview geführt von

Eigentlich hat Rockstah längst alles, das er zu sagen hätte, in seinen ausufernden Podcasts erzählt? Täuscht euch da bloß nicht: Der Nerdrevolutionär ist in bester Sprechlaune.

Kocht euch Kakao, legt Kuscheldecken bereit, und was ihr sonst so alles braucht, für eine gemütliche Lesestunde. Viel schneller werdet ihr hier vermutlich nicht mehr rauskommen. Wenn Rockstah über sein aktuelles Album "Cobblepot" und den steinigen Weg dahin erzählt, und wir dann noch über Rap, Entertainment, Druck, Verantwortung, Nähe, Distanz, Ghostwriting, Trendverweigerung, "Stranger Things", Will Russell und "Angst" von Lance Butters reden wollen, kann so ein Gespräch schnell ausufern.

Weil er sich unlängst im Interview mit Prezident versehentlich als ganz wunderbare Schützenhilfe erwiesen hat, hab' ich Destroy Degenhardt auch hier wieder dazugebeten, diesmal mit voller Absicht. Einer muss ja mit Rockstah qualifiziert über das Thema Podcasts sprechen - und das bin bestimmt nicht ich.

Rockstah: Tadaaa! Guten Tag!

Destroy Degenhardt: Hallo!

Yüah, alle da! Wie schön. Kennt ihr euch schon?

R: Wir haben noch nie gesprochen, oder?

DD: Wir beide? Nö.

R: Nur Insti.

Okay, das wurde dann wirklich Zeit. Apropos: Wie lange haben wir?

R: Och, ich hab' heute schon fünf Stunden Radio Nukular aufgezeichnet. Aber ich bin noch in Sprechlaune.

Fein. Worüber reden wir denn aber heute? Über "Cobblepot" ja wohl nicht.

R: Waaas? Wieso reden wir nicht über "Cobblepot"?

In deinem Presseinfo steht zu lesen - wenn ich zitieren darf: "... und deswegen muss ich auch nicht erklären, was die Inspiration für unser Soundbild war oder ob jeder Song das ist, was er vorgibt, zu sein. Ich muss auch nicht erklären, warum das Album heißt wie es heißt. Was das Album kann, will und sagt, findet ihr schon selber raus. Oder eben auch nicht."

R: Achso, ja. Das hab' ich auf Leute bezogen, die mir - vor allem per Instagram - Messenges schreiben. "Kannst du mir bitte erklären, was du mit dem und dem Song meinst?" Da hab' ich keinen Bock mehr drauf gehabt. Aber DU darfst mir schon Fragen stellen. Du hast das Privileg.

DD: Und ich?

R: DU auch. Du darfst auch ein, zwei Fragen stellen.

DD: Ich hab' voll viele Fragen! Ich hab' so Splitfragen, immer mit a und b - ich hab' das sehr akademisch vorbereitet.

R: Geil, find' ich gut. Wie das amerikanische Schulsystem.

Für so eine Ansage, wie sie da in dem Presseinfo stand, hast du schon verdammt viel über das Album erzählt. Wieviele Cobblepodcasts gibt es jetzt schon?

R: Fünf. Plus der kurze, siebenstündige Nukular-Podcast.

Ich find' ja schon überraschend, dass es überhaupt ein neues Album gibt. Ich hatte dir dieses Kein-Bock-mehr-auf-Musik-Ding voll abgenommen.

R: Da siehste mal. Ich hab' mir das ja selber lange abgenommen. Aber irgendwann hab' ich mir gedacht: Nee! Is' Quatsch. Wenn du zwei Jahre nur redest und Podcasts machst ... Ich musste irgendwann wieder irgendwas anderes machen. Das hat sich dann ergeben.

Diese ganzen nicht-musikalischen Aktivitäten liefen ja auch ganz gut.

R: Die laufen auch immer noch gut, klar. Das ist ja aber auch der beste Grund, Musik zu machen. Weil du einfach nicht mehr aufs Geld kucken musst. Wobei ... "aufs Geld", das klingt immer gleich, als ginge es da um viel Geld. Aber erstmal geht es ja um Lebensunterhalt. Darum, die Miete zu bezahlen und so Kram. Da war Musik ja lange Zeit mein Nummer-eins-Ding, und dann kam lange nichts. Irgendwann hatte sich das dann halt abgelöst - und hey! Dann ist Musik doch das Beste! Wenn sie entsteht, weil sie entstehen will. Nicht, weil sie muss.

Hat es deiner Musik geschadet, eine Zeit lang deine Haupteinnahmequelle gewesen zu sein?

R: Hmm ... nee. Ich glaube, der Musik hat es nie wirklich geschadet. Die Musik war eigentlich immer so, dass ich hinter allem stehen konnte. "Pubertät" war ja ein Album, das ich machen wollte, nicht eins, das ich machen musste. Weil ja auch keiner dahinter stand und gesagt hat: "Hey, du musst jetzt das und das machen." Ich bin ja trotzdem nicht an "Astronaut" rangegangen, damals, und hab' mir gedacht, ich muss jetzt 'ne Single schreiben. Sondern ich hatte Lust, "Astronaut" zu schreiben, und dann ist der halt dabei herausgekommen. Ob der jetzt kommerziell erfolgreich war oder nicht, konnte man ja eh nicht erahnen. Er war es dann nicht. Wäre er es geworden, hätte sich auch keiner dagegen gewehrt. Die Musik war immer cool. Aber für einen selber, dieser Druck war meganervig, dieses "Ich muss jetzt ein Album schreiben, ansonsten steht kein Essen auf dem Tisch" ... das war megascheiße.

DD: Aber färbt das die Mucke nicht ein bisschen ein? Entweder hast du den Kopf frei und sagst: Ich lauf' jetzt los und mach jetzt einfach, wie ich Bock hab'. Oder du hast im Hintergrund, du musst ein Album machen, zum Geldverdienen. Nicht, dass du jetzt irgendwelche Bitchmoves gemacht hättest. Aber man macht es dann ja trotzdem in einer anderen Stimmung, nicht so befreit.

R: Das war ja das großem Problem von 2012 bis 2013. Dass wir gedacht haben: Fuck, wie machen wir das jetzt? Weil langsam wird es knapp, und wir müssen was machen, sonst hab' ich Probleme. Und ich hatte dann ja auch tatsächlich ein Problem. Das ist im Hinterkopf eben schon da, dieses "Fuck, ich muss jetzt was machen". Bei "Cobblepot" war das halt gar nicht mehr da. Da war nur noch: "Okay, ich hab' Bock. Wir machen das jetzt." Bisschen Druck hast du immer - es ist ja Hip Hop. Ich hab' eh immer Druck, in allem, das ich mache, weil ich denke, es muss ja irgendwie gut werden. Es darf ja trotzdem keine Kackscheiße sein. Wenn du wiederkommst, auch wenn du nicht das große Geld machen willst, willst du ja deine Fanbase, die du dir aufgebaut hast, mit Nukular und Co., irgendwie bei der Stange halten. Du willst denen ja im besten Fall was geben, bei dem sie sagen: "Ja, geil! Jetzt haben wir zu den vier Jahren Podcast auch noch den perfekten Soundtrack!" Deswegen ist ja trotzdem eine andere Form von Druck da. Ich kann aber unter Druck auch arbeiten. Deswegen ist das gar nicht so schlimm. Aber es war ganz angenehm. Diese Kommerz-Nummer, dieses Ich muss jetzt damit Geld verdienen, das war raus. Das hat vieles entspannter gemacht, das hat auch den Knoten erst gelöst. Ich mach' jetzt ein Album, wenn ich Bock hab'. Ich bekam keinen Zeitpunkt vorausgesetzt, sondern ich hab' das selber entschieden: Jetzt ist der Zeitpunkt da. Jetzt gehts wieder los.

Unter kommerziellen Aspekten laufen, hör' ich da heraus, die ganzen nicht-musikalischen Aktivitäten besser, als es mit der Musik geklappt hat?

R: Ja. Das war auf jeden Fall so. Radio Nukular hat irgendwo greifen können und Sachen aufgemacht, die im Rap zu dem Zeitpunkt für mich nicht möglich waren. Und natürlich war da auch viel mehr Platz. Podcast war 2014 nichts Großes, in Deutschland. Wir hatten zwar "Sanft & Sorgfältig" gerade am Kommen, aber ansonsten war die Podcast-Szene relativ mau. Was jetzt in den letzten zwei Jahren passiert ist, da waren wir ja im Endeffekt zum Glück noch vornedran und haben das Ding so ein bisschen mit angeführt, am Anfang. Wenn man es mal ganz streng nimmt und wenn ich meine Fler-Voice auspacken will, dann hab' ich Podcast in Deutschland auf die Bühne gebracht. Das war ich, nicht die anderen Trottel. Am Ende des Tages ist das einfach so. Vielen Dank an alle anderen! Nein, ich finds ja cool. Mir macht das Spaß. Was ich nur sagen will: Damals war noch superviel zu holen. Im Sinne von: Da kann man sich mit Ideen austoben. Das fand ich voll schön. Im Rap war das zu dem Zeitpunkt halt nicht mehr möglich. Zumindest nicht in dem Ausmaß, weil es einfach schon zu viel gab. So, wie es jetzt gerade zu viele Podcasts gibt. Und es gibt noch mehr Rapper! Alles ist voll! Man muss sich was Neues suchen.

Hast du schon 'ne Idee, was das sein könnte?

R: Ach, das werden wir sehen. Du weißt, das Thema Buch ...

Das war eh der allerdreckigste Move. Mit den ersten drei Kapiteln von diesem verdammten Buch hast du mich in deinen Podcast-Sumpf reingelockt.

R: (Gelächter)

Ja, lach' du nur! Ich hab' diese Podcasts abonniert, ich hör' sie nie, weil ich keine Zeit hab', ich zahl' aber dafür - nur wegen diesem Buch! Und davon kam nie mehr was. Vielen Dank auch.

R: Tut mir leid. Ich dachte halt, das ist ein super Motor, um das Ganze voranzutreiben. Aber dann kam die "Cobblepot"-Arbeit dazwischen. Das konnte ich ja damals nicht sagen. Aber dann war "Cobblepot" auf einmal größer als das Buch - und, hey, du weißt, wie das ist: Mein Tag hat nur vierundzwanzig Stunden. Tut mir echt leid. Ich hab' mich auch entschuldigt dafür. Und ich mach' noch weiter, ich versprechs dir. Meine einzige Widmung in dem Buch wird sein: "Für Dani."

Huarr. Das will ich sehen. Wie erklärst du dir denn, dass das so abging, mit den Podcasts? Bloß, weil es damals Ödland war?

R: Na, wir haben schon irgendeinen Nerv getroffen. Wir waren ja nicht der einzige Podcast, den es gab, und aus Mangel an Alternativen für die Leute waren wir da. Sondern wir haben irgendwie in eine gute Kerbe geschlagen. Dieses Nerdige, aber auch ein bisschen funny und ein bisschen greifbar ... Podcast ist ja ein interessantes Medium, in der Hinsicht, dass du sagst: Hey, das sind Jungs (oder Mädels), die reden, ich kann denen zuhören, ich kann die mit wohin nehmen, das ist, wie Freunden zuzuhören. Du hast einen ganz anderen Bezug zu Podcastern, als du zum Beispiel zu Radio oder auch zu Musik hast. Weil die Gespräche viel intimer sind. Du bist viel näher an dem Typen, der gerade spricht, als wenn dir jemand auswendig gelernte Texte vorsäuselt oder schlechte Radiomoderation macht. Podcasts sind ja viel, viel näher am Endkonsumenten dran, deswegen hast du als Hörer 'ne viel engere Bindung. Wenn es dir denn gefällt. Wenns dir überhaupt nicht gefällt, kannst du auch eine sehr große Ablehung dagegen entwickeln. Das hab' ich auch schon alles mitbekommen. Aber erstmal ist es so: Wenn du damit sympathisierst, mit diesen Leuten, denen du zuhörst, dann hast du 'ne ganz enge Bindung zu denen. Und das hat, glaub' ich, dazu geführt. Dieses: Ey, die sind wir wir. Das sind so drei Nerd-Jungs, die sind so ein bisschen verschroben. Die sind aber auch witzig. Die können gut über Themen reden, die wir mögen. Die triggern auch noch viel bei mir, weil wir halt so dieses Retro-Ding machen. Ich glaube, das hat viel bei den Leuten ausgelöst. Und damals gabs halt einfach auf dem Sektor noch nicht so viel. Der Plauschangriff der Rocket Beans war drei Monate vorher irgendwie dichtgemacht worden, erstmal, und wir waren einfach gerade da und haben es halt gut gemacht. Fertig. Und wir hatten auch noch drei verschiedene Zielgruppen, die kamen. Weil Dominik kam von der Mediencrew, Christian kommt aus diesem Gaming-Umfeld, und ich kam halt aus der Rap-Branche mit den ganzen Musikleuten. Aber die Schnittmenge zwischen diesen drei Parteien war trotzdem relativ groß. Das war interessant.

DD: Wie unterscheidet sich denn das Feedback der Fans bei Rap und Podcast? Wenn du die Leute getroffen hast: Sind die dir gegenüber unterschiedlich aufgetreten? Ist das überhaupt vergleichbar?

R: Mir ist aufgefallen, dass die Leute bei den Podcasts viel ruhiger sind, viel lieber. Weißt du, woran du das merkst? Wenn du nach der Show zum Merchandisestand gehst und noch Autogramme geben möchtest. Bei den Rapkonzerten war das echt immer so ein Gedränge. "Ich will!" "Ich will!" "Ich will!" Da waren alle so unruhig. Und, ey, bei Nukular ... Da waren zwar viel mehr Leute, aber die standen da einfach in Reihen. Die haben Schlangen gebildet, von alleine. "Geh' du ruhig vor!" "Nee, geh' du vor!" Die waren so unfassbar freundlich! Ich weiß überhaupt nicht, warum das so war, aber die waren richtig lieb, geduldig, nett. "Ja, ich wollt' nur fragen ... " Ich meine, du hast in jedem Metier einfach immer einen dazwischen, der 'ne dumme Frage stellt, der nervt, der frech ist, weil er einfach auch unsicher ist. Das ist auch okay, das gehört dazu. Aber ich hab' halt immer das Gefühl, diese Podcasts haben 'ne wahnsinnige Ruhe bei den Leuten ausgelöst. Das Publikum war einfach immer einen Ticken entspannter. Die stellen dir auch keine nervigen Rapfragen. Die kommen nicht mit sowas wie "Wie findest du das neue Album von Sido?"

DD: Ja! "Mach' ma Feature mit ...!"

R: Genau. "Ey, du kennst doch den Lance, mach' doch mal 'ne Platte mit dem!"

DD: "Ja, okay, warte!"

R: Keine Ahnung! Das fand ich halt immer ganz schön. Dass das Publikum so entspannt und lieb war.

Liegt das vielleicht auch an der anderen Altersstruktur? Rappublikum ist ja oft auch deswegen so doof, weil die einfach wahnsinnig jung sind.

R: Das kommt natürlich noch dazu. Bei Nukular hattest du ja für alle Altersklassen was. Da hattest du dann natürlich auch Kids, die mit ihrem Vater da hinkommen, und beide hören das, der 15-jährige Junge, aber auch der 40-jährige Vater, und die sagen dann: "Wir wollten uns beide 'n Autogramm holen, weil wir sind beide große Fans. Wir hören das zusammen, immer, wenn wir zusammen FIFA spielen." Das ist echt so ... ach, kuck' ma, wie süß. Und bei Rockstah-Musik hast du natürlich schon immer 'n bisschen jüngeres Publikum. Aber ich glaube, dass sich das jetzt gerade ändert. Ich glaube, dass jetzt diese ganzen Leute, die mit den Podcasts über die letzten Jahre gewachsen sind, auch mich als Musiker kennengelernt haben und dass das jetzt gerade eine sehr, sehr krasse Fusion eingeht und deswegen auf den Konzerten jetzt viel mehr los ist, weil durch diese Podcasts viel mehr Leute mich als Person greifen können und sagen: "Ja, jetzt versteh' ich auch die Musik besser." Ich bin mal gespannt, wie sich das auf der nächsten Tour anfühlen wird.

DD: Das find' ich jetzt komisch. Du als Rockstah und Max, da gibt es doch denkbar wenig Unterschied, eigentlich. Du bist ja kein Image-Rapper - außer dass du dein Image lebst.

R: Ja, absolut. Es ist schon alles sehr, sehr nah beieinander. Trotzdem waren damals, als die Mucke nur Mucke war, voll viele so: "Ja, das ist alles ausgedacht und fake." "Das ist ja alles vom Papa finanziert!" "Ja, aber wenn das nicht real sein soll, was soll ich denn sonst sein? Erzähl' mir doch mal, was ich als Person bin!" "Ja, du bist einfach ein Depp." "Ja, SAG ich doch, dass ich ein Depp bin! Was ist denn dein Problem?" (Lacht) "Du hasst mich einfach, fertig. Is' ja okay. Aber versuch' doch nicht, mir krampfhaft 'ne Rolle zuzuschreiben, die ich nicht bin." Ich bin das halt. Was da steht, in den Texten, das bin ich. Fertig.

DD: Nochmal zu den Fans: Wie sie dir gegenüber auftreten, ist ja das eine. Aber unterscheiden sich auch die Aussagen? Was kriegst du inhaltlich für Feedback? Ich kann mir vorstellen, dass muckemäßig sowas kommt wie: "Das hat mich voll berührt." Kann man das vergleichen?

R: Das ist sich viel näher, als man denkt. Wir haben ganz viele Menschen, die uns wahnsinnig lange Mails schreiben. Dass sie mit dem Podcast durch schlechte Zeiten gegangen sind und es ihnen wahnsinnig geholfen hat, Jungs dabei zu haben, die ihnen so ein bisschen ähnlich sind, die halt quatschen und auch sagen: "Ey, auch wenn du ein Außenseiter bist, auch wenn du gemobbt wirst ..." keine Ahnung. Dass ihnen das auf gewisse Art und Weise Hilfestellung gegeben hat, dass du die vielleicht auch einfach zum Lachen gebracht hast: So ein ähnliches Feedback kriegst du ja auch auf die Musik. Dieses "Du bist für mich ein Typ, den kann ich nachvollziehen, den fühl' ich ganz, ganz doll". Erst letztens hat ein Typ geschrieben - bei Facebook, ein sehr sehr langer Text - und hat gesagt, dass er sich eigentlich umbringen wollte, und dass er es nicht getan hat, wegen meiner Mucke. Da kriegt man als Musiker wahnsinnige Verantwortung auferlegt. Ich mach' jetzt ja irgendwie nicht so krass mega die Heilmusik. So Curse-Medidations-Podcast-mäßig, der Leuten hilft, zum Kern zu finden. Shoutout an Curse! Ich erzähl' ja einfach so ein bisschen meine Story und mach' das alles mit einem Augenzwinkern. Es ist halt alles, wie es ist, aber es ist ja auch nicht so schlimm. Aber dass das dann so eine Wirkung auf die Leute hat, find' ich krass. Und so Mails kriegt man doch viel häufiger, als man denkt. In beiden Bereichen. Viele Leute sagen auch: "Ich hör' beides." Da gibts ganz, ganz viele Überschneidungen.

DD: Hätt' ich nicht gedacht. Mucke, find' ich, hat ja eine andere Herangehensweise. Aber macht Sinn: Die Podcasts bei dir sind ja auch sehr intim. Hast du eine Vorgehensweise oder dir ein System geschaffen, wie du mit sowas umgehst? Ich denk' mal nicht, dass du in jedes persönliche Problem so deep reingehen kannst. Mir fällt oft schwer, da eine Grenze zu ziehen.

R: Ich glaube, man muss immer eine gewisse Distanz wahren, gerade bei solchen Sachen, die dann so wahnsinnig ernst werden. Man gibt demjenigen anscheinend schon viel, und er will sich in dem Moment ja bedanken. Mir ist es dann wichtig, respektvoll zu sein und darauf zu antworten. Weil wenn man jedesmal irgendwelchen dummen Hatern antwortet, die sagen: "Ich hab' den Podcast jetzt ab-abonniert, weil blabla", und man darauf sagt: "DAS hast du getan?", dann antwortet man denen ja auch. Wenn dann einer was Nettes schreibt oder was Bewegendes, sollte man AUCH antworten. Alles andere ist dumm. Trotzdem muss man halt krass vorsichtig sein, weil da ja jemand auch labil ist, und ich natürlich gar nicht in der Position, menschlich, zeitlich, et cetera, mich dieses Problems ganz anzunehmen. Deswegen sag' ich immer: Ich find' es krass, ich finds beeindruckend, es bewegt mich, ich finds lieb, aber ich sag' auch: "Du musst dir bewusst sein, dass ich von hier aus nicht weiterhelfen kann." Aber darum bitten sie ja auch meistens nicht. Mir hat letztens einer geschrieben: "Meine Frau hat mich verlassen, was soll ich denn tun?" Da sag' ich dann auch: "Alter! Bitte schreib' mir sowas nicht, weil: Was soll ICH denn tun?" "Ja, du hast doch auch Erfahrungen mit Mädchen gemacht." "Ja, aber das haben doch hundert andere Leute in deinem Umfeld auch, und die kennen dich aber." "Ja, aber du bist mir so ähnlich, in den Podcasts." Da muss man wirklich sagen: Die Grenze hier, die kann ich nicht überschreiten.

Das ist aber, glaub' ich, in jedem Beruf so, in dem man irgendwie mit Menschen und ihrer Not konfrontiert wird. Es kann ja auch nicht jede Krankenschwester oder jeder Arzt das ganze Elend mit nach Hause nehmen.

DD: Aber das Musiker-Ding ist schon nochmal was anderes. Ich glaub', das zieht gewisse Leute noch ein bisschen mehr an. Das Musiker/Podcast-Ding ist vielleicht das gleiche. Aber ich glaub' nicht, dass Helene Fischer das gleiche Problem hat. Oder Capital Bra. Die Leute müssen dich ja nicht fragen: "Was soll ich tun?" Aber die werden ja das Bedürfnis haben, mit dir Kontakt zu halten. Gerade, weil du diese Nähe durch den Podcast bietest. Ich versuch' immer, dass ich so drei Nachrichten beantworte, und dann sag' ich aber: "Du, pass auf, ich kann keine Online-Freundschaften pflegen. Ich kann dir Telefonnummern geben, aber, bitte ..." Meistens klappts. Manchmal nicht. Ich tu' mich immer megaschwer, nicht zu antworten. Aber ich kann halt auch nicht fünfzehnmal antworten.

R: Absolut. Das ist bei mir genauso. Über die Texte ist da eine Identifikationsfläche, ich glaube, das ähnelt sich total. Ich glaube, wir haben da das gleiche System: Man muss auf jeden Fall von der ersten Mail, von den ersten Worten an, 'ne gewisse Distanz wahren. Da muss man einfach seine eigene Rhetorik auschecken, weil da jedes Wort missverstanden werden kann. Wie Dani richtig sagt: Wir können nicht alle Probleme mit nach Hause nehmen. Ich hab' das auch gelernt. Es gab mal vor vielen, vielen Jahren einen Fall. Da war ein Junge auf 'nem Konzert, bei der "Crockstahzumjot"-Tour 2012 war das, der eine Gig, wo Cro nicht dabei war. Das war nur so ein Offdate-Fill-Gig, in Ingolstadt. Da hat die bittere Realität dich eingeholt: Wenn Cro nicht dabei ist, kommen halt nur fünfzig Leute. Da war ein Junge, der hatte seine XBox dabei, zum Signieren, und noch ganz viele andere Sachen. Der war richtig aufgeregt. Der hat mir sein Leben erzählt, und ich hab' da gestanden und zugehört. Drei Wochen später krieg' ich 'ne Mail von seinem Bruder, und da steht, dass der Junge bei einem Autounfall gestorben ist. Und ich so: Okay, fuck. Das war richtig, richtig schlimm. Die Familie hat aber gemerkt: Ich war dem superwichtig. Dann haben sie mich gebeten, das hab' ich damals auch gemacht, dem eine Grabrede zu schreiben. Und ein Song von mir, ausgerechnet "A-Taste", weil das sein Lieblingssong war, wurde bei der Beerdigung gespielt. Dann wurde mir irgendwann ein Bild geschickt, mit 'nem Foto von mir, ausgedruckt, in 'nem Rahmen, plus dieser Text, den ich ihm geschrieben hab', auf seinen Grabstein gestellt. Das hat mich damals fertig gemacht, weil ich echt dachte ... weißt du, die waren alle superlieb und dankbar und so "Ey, wir finden das megageil, dass du das gemacht hast", und ich hab' natürlich auch so Anteil genommen, weil ich das echt heftig fand, damals. Aber ich hab' auch gemerkt, das hat mir ganz, ganz stark zugesetzt. Das ist heftig. Es ist einfach heftig, dass da jemand, den du noch kennengelernt hast, gestorben ist, und du da jetzt auch in dieser Familie anscheinend gerade Thema bist. Weißt du? Die planen die Beerdigung, und du bist Teil dieser Planung. Das fand ich krass. Das fand ich echt heftig.

Das ist auch ein bisschen gruselig, irgendwie.

R: Ja, es war bisschen gruselig. Aber es war auch ein Extrembeispiel, wo ich ganz stark und relativ früh gelernt habe: Okay, du musst zu gewissen Dingen Abstand wahren, sonst zieht dich das ganz tief runter. Das kann dir nicht guttun, glaub' ich. Gar nicht böse gemeint. Es ist ja dann auch immer echt gemein, wenn dann Leute sagen: "Ey, weißt du, du machst immer so auf gefühlvoll, in den Podcasts und deiner Musik, und wenn man dich dann was fragt, dann bist du nicht dafür da." Das hattest du doch mal, Dege, in deiner Instastory gepostet: Wo dieser Typ dich so angefuckt hat. Wo ich dir noch geschrieben hatte: "Was IST mit ihm?"

DD: (Lacht) Ja, da hatten wir mal kurz geschrieben. Das wollte ich eigentlich noch vorschlagen: Wir machen einen Ich-hasse-meine-Fans-Podcast.

R: (Lacht)

DD: Das wäre ein gutes Thema. Ich hab' das auch richtig krass. Da hast du so einen Typen, und der postet nur Fotos von seiner getuneten Karre mit Frei.wild-Sticker, und sagt dann: "Ich fühl' dich total, wir sind seelenverwandt, du bist für mich der Krasseste." ... hä? Aber das mit der Beerdigung hatte ich auch schon. Das hat mich gar nicht mal so hart angezeckt, weil das ja was Positives war. Für mich wars halt immer hart, wenn mir direkt aktuelle Geschichten und Situationen geschrieben wurden. Weil das läuft dann ja weiter. Wenn einer schreibt: "Ich sitz' hier, und draußen vorm Haus stehen die Drogendealer, ich fahr' hier grade 'nen Film und die Wände kommen immer näher, was soll ich tun, was soll ich tun?" Wo ich dann selber erstmal einen Psychoschub kriege, für zwei Tage, und nicht weiter weiß. Egal, das soll ja jetzt auch nicht überhand nehmen. Dani, du kannst übernehmen.

Aye. Von Max' Presseinfo hatten wir es ja vorhin schon. Aber darin steht auch der schöne Satz: "Die Regel beim Machen war relativ simpel: Mach' alles, was aktuell in der deutschen Musikszene passiert, bitte nicht." Finde das zwar hochgradig begrüßenswert (Hallo!). Aber es ist natürlich so, dass die anderen, mit dem, das alle machen, natürlich auch Erfolg haben. Glaubst du, dass du mit solcher Trendverweigerung deinem eigenen musikalischen Erfolg vielleicht auch im Weg stehst?

R: (Überlegt) Ich weiß nicht, ob ich mir damit im Weg stehe. Wenn ich jetzt rausgekommen wäre und hätte so eine Afro-Trap-Platte gemacht, das ganze Nerd-Ding auf Afro-Trap - da hätte ich mich SO schmutzig dabei gefühlt. Es gibt wenige Ausnahmen - "#DIY" von Trettmann - wo ich sage: Krass, okay, das benutzt auch aktuelle Mittel, aber setzt es für sich als Person perfekt um. Es ist ja noch krasser, als 45-jähriger Typ, der früher doofe Ragga-Musik gemacht hat, auf einmal so eine krasse Lebensplatte zu machen, wo man denkt: Wow, der Typ: nice! Aber ich hab' für mich in Trap nichts gesehen, wo ich sage: Ey, das ist jetzt für mich so geil, dass ich das für mich benutzen kann. Ich hab' mich mit allem einfach nur lächerlich gefühlt, so dass ich mir sagte: Nee, auf gar keinen Fall. Es gab beim Draufkucken nie die Option, dass ich mir dachte: Okay, vielleicht dieses Element. Sondern es war immer so: Nö! Auf keinen Fall! Aber nicht mal so aus diesem Ich-find-alles-was-die-anderen-machen-scheiße, das wär' auch gelogen. Es passt bloß nicht zu mir. Ich nehm' dieses ganze Eighties-Synthie-Gewand, das, was ich halt die letzten Jahre über so für mich gefeiert habe, als Basis, dann ist das so real und so nah bei mir, und dann ist es ja trotzdem auch innovativ. Der Gedanke ist ja: Vielleicht löst die Innovation den Funken aus, so dass die Leute sagen: "Okay, das ist geil." Im besten Fall ist das Innovative dann sogar kommerziell erfolgreich. Nur auf Trendwellen springen, weil irgendwas gerade angesagt ist, das funktioniert nicht. Und, ey! Wir sind damals auch auf die Band-Schiene gesprungen, in der großen Post-"XOXO"-Phase, mit "Pubertät", und haben ja jetzt auch nicht die Welt abgefackelt. Nur, weil gerade Modus Mio die Musikindustrie verwässert, heißt das ja trotzdem nicht, dass das das Allergeilste ist. Das ist ja Quatsch.

Es machte aber schon den Eindruck, dass nicht ganz spurlos an dir vorübergezogen ist, dass es mit "Pubertät" damals kommerziell nicht so lief.

R: Ja, das war auch ein Schlag in die Fresse. Aus den anfangs erklärten Gründen: Weil der Weg zu dieser Platte ganz, ganz lang und steinig war und 'ne ganz, ganz fiese Zeit hinter mir lag, mit 'ner grauenvollen Exfreundin, mit 'ner ganz schlimmen Plattenproduktion, mit 'nem ganz schlimmen Label-Gehabe, mit ganz vielen Streitereien und Auseinandersetzungen, die ganze "Crockstahzumjot"-Tour ... und der Weg dahin war so steinig und so fies für einen selber, und dann wars auf einmal so: Okay, das ist alles, was ich krieg'? Ich bin drei Jahre durch die Scheiße gelaufen, und alles, was ich krieg', ist dieses T-Shirt?! Okay, cool!

DD: (Lacht)

Dafür waren die Kritiken aber doch recht wohlwollend. Oder trügt da meine Erinnerung?

R: Nee, die Kritiken waren okay. Die auf laut.de war sehr gut.

Na, von der red' ich jetzt nicht. Aber es herrschte doch schon Konsens unter Kritikern, darüber, dass das gut war. Oder zumindest ... was Eigenes.

R: Dass es was Eigenes ist, inhaltlich zumindest, dass es so ein bisschen diesen rauchigen Gitarrensound hatte, ja. Aber es war jetzt auch nicht so, dass sich alle überschlagen haben, so: "Wow, Alter, das ist jetzt das deutsche 'Good Kid, M.a.a.d City'." Sondern das war halt für alle so: "Ja, das ist 'ne gute Platte, aber sie kommt vielleicht auch ein halbes Jahr oder ein Jahr zu spät." Wahrscheinlich war das auch so.

Ich finde tatsächlich, dass das eine erstaunlich langlebige Platte ist. Es gibt echt wenige Alben aus dieser Zeit, die ich immer noch gern höre. Aber diese hält sich gut.

DD: Muss ich jetzt auch mal sagen. Ich hab' im Auto so ein komisches CD-Case, da ist die dringewesen, seit sie erschienen ist. Ich hab' die jetzt zum ersten Mal rausgeräumt. Was aber keine Aussage ist, ich hab' einfach Platz geschaffen. Ich find', die funktioniert halt in sich super gut. Das ist ein bisschen heile Welt für mich. Ich kann die hören, dieses Nerd-Ding, das ist für mich direkt so ein Film, den ich komplett mag, wo ich mich megaaufgehoben fühle. "Pubertät" ist für mich auch ein Konzeptalbum. Wobei das ja dein gesamtes Konzept ist. Ja, ich bin auch großer Fan gewesen.

Geht man dann hinterher in sich und zerfleischt sich vielleicht auch ein bisschen, woran es gelegen haben könnte, dass es doch nicht so gelaufen ist, wie es hätte laufen können?

R: Wie gesagt: Manchmal ist man einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Ich glaube, es hätte auch einen anderen Zeitrahmen gegeben, einen anderen Moment, mit besseren Umständen, wo das alles vielleicht besser funktioniert hätte. Das sind alles Faktoren, die kannst du nicht steuern. Trotzdem ist es heute so, dass ich auf "Pubertät" draufgucke und die Platte ganz, ganz doll mag. Es ist überhaupt nicht so, dass ich jetzt sage: Jaaa, das war so ein dummes Album. Sondern ich finde, das und auch "Nerdrevolution" sind immer noch Platten, auf die ich gerne zurückgucke, weil sie für eine gewisse Zeit stehen - und es war immer Max. Das ist das Allerwichtigste. Ich guck' jetzt nicht drauf und denke: Uuh, was haste denn da gemacht? Da wollte ich wohl irgendwie ganz kurz mal Casper sein! Sondern das ist so: Ey, alles gut! Das ist 'ne schöne Platte. Die Erwartungen sind halt nicht erfüllt worden. Aber das liegt überhaupt nicht an der Platte. Die Platte mag ich.

DD: Glaubst du, das hat sich geändert? Du hast damals einen Außenseiterstatus gehabt. Auch in dem ganzen Crockstahzumjot-Kontext bist du ein bisschen mitgeschwommen, aber ich würde mal sagen: Die, die dich kennen, haben erkannt, dass du da auch nicht reingehörtest, nicht reingepasst hast, als der Nerdrapper. Und jetzt hast du ja trotzdem immer noch 'ne Außenseiterposition.

R: Vollkommen richtig. Aber damals wollte ich ja noch zu irgendwas gehören. Damals wars ja schon so: Oh, ich wär' schon gerne Teil von Cro. Ich wär' gern beim Management von Casper und Kraftklub. Ich hätte ganz gern so ein Standing. Heute hab' ich mich mit allem abgefunden. Ich sag' so: Ey, macht ihr alle euren Modus Mio-Film, ich bin auf meiner kleinen Insel. Wenns geil ist, ist es geil. Selbst, wenn es niemand anderes mitbekommt, ist die Fanbase ja zumindest so groß, dass du ein paar Tausend Platten verkaufen kannst, so dass wir alle 'ne gute Zeit haben. Dass alle irgendwie Spaß haben und sagen: "Wir haben jetzt den Soundtrack zu unserem Podcast bekommen." Fertig. Im besten Fall schwappt noch was rüber und die Leute nehmen was mit und sagen: "Ach, guck' mal hier: geiler Song." Was jetzt gerade so ein bisschen mit "Highscore" passiert. Dass die Leute sagen: "Hey, geil. Geiler Sound. Kannte ich noch nicht. Find' ich gut." Dann merkst du, dass sich da jetzt auch Leute dafür interessieren, die nicht unbedingt in den letzten Jahren was von dem Podcast mitbekommen haben.

Aber lügt man sich da nicht auch ein bisschen selbst in die Tasche? Ich kanns natürlich nicht beweisen, aber ich kann mir vorstellen, dass du mir vor vier Jahren genau das gleiche erzählt und gesagt hättest, du willst da gar nicht dazu gehören, du willst lieber dein eigenes Ding machen, echt sein und so. Das passt ja auch gut zu diesem Wütendes-Komplexkind-Ding: "Wenn ihr mich nicht mitspielen lasst, dann will ich auch gar nicht mit euch spielen."

R: Ganz ehrlich? Was soll ich denn mit 'nem RIN und mit 'nem Bausa? Wenn wir an 'nem Tisch sitzen, was meinst du, was das für 'ne Situation wäre. (Gelächter) "Ja, was habt ihr so gemacht, gestern?" "Uh, wir waren da am Feiern, und da, die Alte, und da ..." "Ja, cool. Ich hab' 'Assassin's Creed: Oddyssey' gespielt. War auch gut! Tschü-hüß!"

DD: Ich stell' mir das gerade sehr geil vor.

R: So jemand wie Casper und Marteria ... du kriegst ja auch erst so einen Status, wenn du dein Ding machst. Das sind die Leute gerade wieder so ein bisschen aufmerksam und sagen: "Hey, der fährt sein Ding: Finden wir geil." Du biederst dich nicht an, sondern machst einfach. Dann funktionieren die Sachen immer am besten. Ich bin ja gar nicht so, dass ich sage: Ihr seid alle scheiße, hier ist mein Kreuz, bleibt mir ja fern! Ey, ich bin mit allen cool, aber ich mach' halt einfach mein Ding. Ich glaube trotzdem immer noch daran, dass sich das für mich, als Künstler in meiner Position, am besten auszahlt. Weil ich gar nicht fähig bin ... wobei ... ich wär' wahrscheinlich schon irgendwie fähig, aber es wäre nicht ehrlich. Es würde mir keiner abkaufen, wenn ich jetzt einfach irgendwas machen würde. Ich bin auch gar nicht so: Ihr seid alle scheiße und außer mir ist das alles Dreck. Ich bin überhaupt nicht verbittert oder so. Was das angeht, bin ich wahrscheinlich so entspannt wie noch nie. Alles ist cool. Wenn die Leute es cool finden: cool! Letzte Woche erst: Nura von SXTN findet "Highscore" nice. Das ist doch schön. Das ist doch süß!

DD: Ist so ein bisschen wie Partys, Ü30. Man hat nicht mehr diesen Struggle, dass man sich sagt: Ich muss dahin! Ich fühl' mich scheiße, weil ich am Freitag zu Hause sitze. Man kanns machen. Man kanns aber auch lassen. Es ist eine gewisse Ruhe drin.

R: Total.

Das ist ja das Coolste am Alter überhaupt: Dass einem zunehmend wurscht ist, was die Idioten denken. Weil man einfach nicht mehr cool sein muss.

DD: Weil man es halt auch mit einem Schmunzeln sieht. Diese Schulhof-Coolness ist gut, aber das soll dich nicht knechten.

R: So seh' ich das aktuell auch. Ich merk' gerade, dass es irgendwie funktioniert, dass die Leute Spaß haben. Es gibt viel schönes Feedback, das tut mir gut. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, mir ist das Feedback egal. Weil es ist mir nicht egal. Aber wenn mein Kreis befriedigt ist und alle sagen mir, wie sehr sie sich auf Freitag und das Release freuen, und ab und zu kommt nochmal so ein Schulterklopfer, da bin ich eher "wütend" - in Anführungsstrichen! - dass die komplette Gaming-Industrie und diese coole YouTuber-Liga, dass die das alle so munter wegignorieren. Da steht dann eher schon dahinter, dass ich mir denke: Hm-hm! Ach, ihr könnt das jetzt ignorieren, oder was? Aber dann feiert ihr so einen Dame ab. Wollt ihr mich eigentlich verarschen? Da bin ich dann eher so. Aber dieses ganze Rap-Ding ... ey, davon hab' ich mich echt auf 'ne gewisse Weise befreit. Da ist alles, das kommt, nur noch Bonus.

"Für Lance Butters muss man bereit sein"

DD: Zu den Podcasts, im Vergleich mit den Hip Hop-Freunden vorher, hast du mal gesagt: Jetzt brauchst du nur noch das sein, das du wirklich bist. Wirklich nur noch der Nerd, nicht der, der noch so ein bisschen versucht, beim Rap mitzumachen. Das fand ich angenehm, weil ich das unheimlich gut nachvollziehen konnte. Dass du sagst: Auch wenn ich nur zwanzig Zentimeter mitgemacht und mich nur ein bisschen angepasst habe: Das fällt jetzt weg, und ich kann wirklich nur noch ich sein. Das ist ein ganz geiles Gefühl. Genau dieselben Ottos wie früher, mit denen häng' ich jetzt wieder rum. Scheiß auf Rap.

Machen, was man will, und dabei keinem Trend hinterherlaufen: Das ist doch eigentlich genau dieses Authentizitäts-Ding, nach dem sie alle schreien.

DD: Was irgendwer schreit, da ist doch drauf geschissen. Im Endeffekt zählen zwar nicht die Verkaufszahlen, aber du musst ja doch irgendeinen Verkaufswert haben. Wenn es sich nicht lohnt, Vinyl von dir zu pressen, dann ... ja, gut. Dann kannste halt Free-Download-Alben machen. So ganz außen vor kann man das doch nicht lassen.

R: Soll ich dazu noch was sagen?

DD: Natürlich! Du bist doch hier der Promi.

R: Na, ich wusste nicht. Weil da so ein Punkt an der Aussage war. Aber eigentlich muss ich dazu auch gar nix mehr sagen. Eigentlich hast du ja alles gesagt.

Sag sofort was!

DD: Na? Na? Komm!

R: (Lacht)

DD: Oder soll ich 'ne Frage stellen?

R: Ja, stell' mal 'ne Frage.

DD: Ich hab' ne komische Frage, die ist mir auch gerade beim Baden erst eingefallen.

Mein Gott. Max, bist du noch da?

R: Ich bin da. Ich hör' zu. Ich bin gespannt auf die Frage. Und ich bin sehr neidisch auf die Badewanne.

DD: Du zelebrierst ja schon ein bisschen dieses Loser-Image, machst aus der Not eine Tugend. Aber musikalisch ... ich hab' lang überlegt, um ein Wort dafür zu finden: Ich finde, du machst eine sehr auffordernde Musik. Es bleibt nie auf dem Level YouPorn-XBox-Pizza, sondern klingt, gerade in den Hooks, auch immer so nach "Komm schon", immer ein bisschen fordernd, auffordernd auch. Zum Beispiel "Sturmfrei": Du rappst das nicht deinem traurigen Kaktus vor. Du bleibst nicht auf einer Ebene, sondern du willst die Laune 'n bisschen besser machen. Es hat etwas Animierendes. Es hat mehr von Partymusik, als dass du etwas einfach runterschreiben würdest, weil es dich gerade belastet.

R: Ja, weil das auch Quatsch wäre. Wie du schon sagtest: Man hat da ja wirklich aus der Not 'ne Tugend gemacht. Beziehungsweise hat man gesagt: Das sind jetzt meine negativen Eigenschaften, daraus mach' ich jetzt positive. Das macht halt auch Bock. Ich sehs immer so, dass ich sage: Komm, wir zelebrieren jetzt dieses Losertum. Das L auf der Stirn, wir zelebrieren das, weil: Es ist doch auch cool, es ist doch auch irgendwo funny. Ich muss jetzt nicht hundert Tracks machen, wo ich Leuten erzähle: Ey, damals in der Schule wurde ich gemobbt, die haben mich immer "Pflaumenxaver" genannt und alles war ganz schlimm. Natürlich sind das die Anekdoten, die erklären, warum ich ein bisschen verschroben bin. Das erklärt auch, warum ich immer am Rand gespielt hab'. Aber ich finds halt inzwischen eigentlich geil, weil das ja auch wahnsinnig viele Vorteile hat. Das baut ja sogar die Brücke zum "Pinguin": Ich hab' jetzt alles offengelegt. Ich hab' alle meine Schwächen hingelegt, und jetzt ist daraus eine Stärke geworden. Weil die Leute, die mir früher nicht zugehört haben, zuhören. Weil ich ihre Aufmerksamkeit dadurch habe, dass ich sage: Ich erzähl' euch jetzt meine Geschichte. Meine Geschichte ist anders als eure. Und alle so: "Hm-hm, hm-hm!" Am Anfang ist es Mitleid, irgendwann werden sie mitgerissen, und auf einmal bist du in so einer "Machtposition". Daher dann die Metapher zu Cobblepot, zum "Pinguin", dass du sagst: Guck mal! Das hab' ich daraus gemacht. Witzig, oder? Jetzt hab' ich euch an den Fäden. Das fand ich damals eigentlich auch sehr, sehr spannend.

DD: Aber du hast ja schon bewusst diese Richtung vorgegeben. Wenn das 'ne selbsterfüllende Prophezeiung war, okay. Aber du hast das ja schon von Anfang an so gemacht: Es akzeptiert und versucht, daraus noch etwas ein bisschen Cooles zu machen.

Man kann ja auch eine Stärke draus bauen, dass man dem Gegenüber die Angriffsflächen wegnimmt, indem man sie selbst bringt. Das ist ja der klassische "8 Mile"-Move.

DD: Eminem, ja. Muss noch schnell sagen, dass "Pflaumenxaver" wirklich der krasseste Pornoname aller Zeiten ist.

R: (Gackert.) Ja. Das stimmt wohl.

"Pinguin" war das erste, das ich vom neuen Album gehört hatte. Ich hab' da sofort wieder brachial mit dem Gesang gefremdelt, erstmal. Das ging mir mit deiner letzten Platte schon so: Ich bin bestimmt nicht der einzige, der geschrieben hat, dass du möglicherweise nicht der allergrößte Sänger unter der Sonne bist. Das ist dir offensichtlich egal?

R: Das ist mir egal, ja. Ich hab' halt einfach Spaß daran. Wieso soll ich das nicht machen? Und, ey, ich glaube wirklich, das ist wie mit Frequenzen und Hunden: Da gibts halt Leute, die finden es unfassbar krass. Und das ist jetzt nicht so wie bei DSDS, dass du sagst: "Ja, aber alle meine Freunde haben gesagt, ich könnte singen. Ich kann doch singen!" Es ist halt wirklich so: Ey, entweder kommst du damit klar oder du kommst damit nicht klar. Ich versteh' schon, dass es Leuten nicht gefällt. Aber ich finds dope und ich hab' damit Spaß. Ich find' auch, dass die Gesangsskills besser geworden sind, für meine Verhältnisse. Dass ich immer noch nicht der allerkrasseste Sänger bin, weiß ich. Aber ich finde, für das, was ich machen und ausdrücken will, reicht es mehr als genug.

Glaubst du, dass du besser singen kannst als rappen?

R: Ich glaube, dass ich 'ne gute Mixtur hinkriege.

Wollte den Gesang auch gar nicht so dissen. Das hab' ich ja beim letzten Mal schon gemacht. Es war halt nur so, dass ich das gehört hatte und zuerst wieder gar nicht wusste, wie ich das finden soll. Es ging diesmal aber wesentlich schneller. Bei "Pubertät" hab' ich ewig gebraucht, bis ich mich mit dem Gesang angefreundet hatte.

DD: Fandest du den Gesang auf dem "Pubertät"-Album so präsent? Da fand ich das noch gar nicht so.

Es waren nicht so viele Gesangsanteile drauf wie jetzt auf "Cobblepot". Aber bei denen, die drauf waren, da hab' ich mir damals gedacht: Der kann halt einfach nicht singen.

R: (Lacht)

Sorry. Irgendwo - ich glaube, in "Alle Meine Gang" - sagst du sinngemäß, dass dir Entertainment über Rap geht. Siehst du dich inzwischen noch mehr als eine Art Disziplin-übergreifenden Entertainer?

R: Ja, das ist "Alle Meine Gang". Wenn ich jetzt das Gesamtwerk betrachte, was die letzten Jahre passiert ist, mit NTG, mit Radio Nukular, mit den ganzen Podcasts, mit Live-Shows, et cetera, pp: Es wäre doch total selbsteingrenzend, wenn ich sage: Ich bin Rapper. Rapper ist eine Facette von dem ganzen Gesamtpaket mit Maxe. Ich will mir diesen Freiraum auch beibehalten. Da sind wir wieder bei dem, das wir vorher gesagt haben: Vielleicht probier' ich in zwei Jahren mal diese Comedysache. Oder ich schreib' wirklich noch dieses Buch zuende. Oder ich schreib' ein neues Buch. Das ist total das beste, dass man Leute da hinerzieht, dass man sagt: Für dich bin ich erst mal Entertainer, nicht nur Rapper. Das ist immer eine Erziehungsfrage, was beim Hörer dann auch ankommt. Wenn man immer nur sagt: Ich bin Rapper, ich bin Rapper, ich bin Rapper … Es gibt ja so Leute! das hab' ich irgendwann mal in 'nem Genetikk-Interview gelesen. Als die noch nicht verrückt waren, da haben die mal gesagt, wenn sie manchmal was auf Facebook posten, dass ihre Fans dann immer schreiben, sie sollen keine Gags machen, sie sollen einfach rappen, Songs machen. Das fand ich damals auf der einen Seite beeindruckend, weil ich dachte: Okay, die Leute wollen von denen halt Mucke. Auf der anderen Seite grenzt sie das doch auch krass ein. Weil vielleicht hat ja irgendwann auch ein Karuzo mal Bock, einen Podcast zu machen. Und dann geht das halt nicht. Das heißt, das geht schon. Aber da fängt er dann halt bei Null an, weil neunzig Prozent der Leute sagen: "Nee, auf gar keinen Fall!"

Hat sich da dein Selbstbild auch geändert oder geht es hier nur um die Wahrnehmung von außen?

Ja, das hat sich die letzten Jahre krass geändert. Als ich selber gemerkt hab', ich möchte was anderes machen. Dieses Rap-Ding muss ich jetzt noch nicht mal unbedingt ablegen, aber ich muss meinen eigenen Horizont erweitern und den meiner Hörer mit. Zum Glück hatte ich schon immer so ein bisschen dieses: Ja, der ist halt ganz funny, der macht auch immer viel Blödsinn auf Twitter. Das war ja früher auch noch viel stärker als heute. Da stand so ein ganz kleines Türchen auf, so dass man den Leuten vielleicht auch erklären konnte, dass man Entertainer ist. Wobei, was heißt Entertainer ... ich hab' mich ja nicht als Entertainer gesehen, weil ich hab' mich ja nicht auf die Straße gestellt und jongliert oder so. Aber ich kann die Leute halt auch auf einem anderen Sektor unterhalten, daran probier' ich mich jetzt mal. Dann kam diese ganze Podcast-Idee, dann hab' ich moderiert, dies und das, und irgendwann war halt einfach Rockstah mehr als nur Rap, und das fand ich gut. Deswegen sag' ich heute: Meine Leute hören Podcasts. Meine Leute tragen dabei meine Klamotten. Und danach hören sie meine Mucke. Das ist das Allerbeste.

Beim letzten Mal haben wir uns ziemlich ausführlich über deinen misslungenen Auftritt im Quatsch Comedy Club unterhalten. Das Internet hat da offensichtlich einen blinden Fleck. Ich hätte das wirklich gerne mal gesehen. Aber ich find' es nirgends.

DD: Und ich will den Auftritt von den Nazis sehen!

R: Der Auftritt von den Nazis!!! (Lacht) Ey ... das ist ... wann war das? 2004? Das ist 14 Jahre her, das ist halt noch gerade so am Internet vorbeigerutscht, diese Zeit.

DD: Schade.

Du hast gerade gesagt, du versuchst es vielleicht noch mal mit der Comedy. Fühlst du dich da jetzt mit der ganzen Bühnen-, Moderations- und Podcast-Erfahrung besser gestählt dafür?

R: Voll. Die letzten Jahre waren da so eine krasse Schule. Radio Nukular live oder Im Autokino live sind ja angelegt wie Comedy-Shows. Das ist ja gar nicht so, dass wir so wahnsinnig ernste Moderatoren sind, rauskommen und sagen: Wir haben krass recherchiert, wir reden jetzt mal krass ernst über Themen. Sondern die ganzen Shows sind Quatsch. Wir haben die letzten Jahre einfach nur gemacht, worauf wir Lust hatten, haben komische Abende gestaltet. Dege, du warst ja da, du hast ja gesehen, was wir für einen Blödsinn machen.

DD: Ihr habt definitiv nicht über Filme geredet. Und auch nicht über Serien.

R: Ja, siehste? (Lacht) Ja, so ist es halt. Wir haben uns da unsere Nische freigeräumt und natürlich wahnsinnig viel dabei gelernt. Radio Nukular war ja eigentlich immer Impro. Wenn du auf der Bühne sitzt und hast neunzig Minuten die Lampe an, so nach dem Motto: Okay, du musst jetzt abliefern, ansonsten sitzen die Leute da und haben einen shitty Abend, das schult. Da ist ganz viel passiert. Die Moderation, die Livestreams, die Konzerte auch, die Zwischenansagen: Alles war Schule. In den letzten vierzehn Jahren hab' ich so viel gelernt, ich glaube nicht, dass mir das nochmal passieren würde. Das einzige, das passieren könnte, in der Situation, weil ich davor auch Angst habe, weil das natürlich immer noch wie so ein Trauma in einem drinsitzt: Wenn der Abend kommt, da ich wieder als Comedian auf die Bühne gehe, und ich merke, ich hab' nicht die idealen Umstände: Das kann bei mir dichtmachen. Das kenn' ich auch von Konzerten, wenn ich mich auf einem Konzert im Vorfeld unwohl fühle. Das hatte ich jetzt erst wieder beim Reeperbahn Festival, wo ich gemerkt hab': Ich glaub', das wird nicht mein Abend. Dann gehe ich relativ verschüchtert auf die Bühne und muss mich erstmal wieder reinfinden. Dann können die ersten Minuten für mich auch ein bisschen hakelig sein, weil sehr, sehr der Kopf an ist - und eigentlich ist das schlecht. Eigentlich sollte man draufhaben, was man draufhaben muss, und dann abgehen. Dann macht man die schönste Show. Aber wenn du da sehr, sehr viel und zu viel in die falschen Richtung nachdenkst, dann kann dir das den Abend versauen. Das wär' wahrscheinlich das größte "Problem" bei sowas. Aber ... ja, keine Ahnung. Ich denk' jetzt einfach mal, dass ich, wenn der Tag kommt, an dem ich wieder Comedy mache, mir schon Umstände schaffen werde, die für mich einigermaßen cool sind. Dann wird das auch funktionieren. Aber klar, bisschen Angst ist immer noch da. Wie gesagt: Es ist halt ein Trauma. Aber gelernt hab' ich die letzten Jahre wahnsinnig viel. Und selbst, wenn mir wieder solche Fehler passieren wie damals, wüsste ich heute auf der Bühne viel besser damit umzugehen.

DD: Mich stresst das Texte-Lernen immer unheimlich. Vielmehr die Angst, Texte zu verkacken, wenn du so 'ne Neunzig-Minuten-Show machst. Wie lang sind deine Konzerte, ungefähr?

R: Jetzt auf der Tour? Schon so neunzig.

DD: Also vergleichbar. Ist das für dich gleich anstrengend, dafür die Texte zu lernen, wie für eine Nukular- oder Autokino-Show? Gibts da Unterschiede?

R: Auf den Nukular-Shows war ich meistens total entspannt. Aber das liegt auch schon daran, dass wir zu mehreren sind. Beim Autokino sind dann noch Marek und Daniel mit auf der Bühne, da sind wir dann schon zu viert, bei Nukular sind wir zu dritt. Du kannst immer sicher sein, dass, wenn du gerade mal danebengreifst, es einer von den anderen abfängt. Deswegen geh' ich da schon mal viel entspannter dran. Bei 'ner Rockstah-Show ist es so: Du. Bist. Das. Programm. Klar, du hast 'ne Band dabei, oder 'nen DJ, whatever, aber was sollen die machen? Die sind halt da, erfüllen ihre Aufgabe, aber die sind jetzt nicht in dem Sinne das Ding, das du im Vordergrund siehst.

DD: Du hast nie mit 'ner Rap-Crew auf der Bühne gestanden?

R: Nein.

DD: Wenn du es durchziehst und es schaffst, ist es natürlich ein anderes Gefühl, alleine im Spotlight zu stehen. Dann ist es halt wirklich dein Abend. Egal, wie narzisstisch das jetzt klingt. Das ist schon krass, vom Feeling. Mit Band oder Crew ist geil, weil Gemeinschaft und Party, und alleine eben anders cool. Du kriegst mehr, aber du zahlst natürlich auch mehr.

R: Ja, voll.

DD: Du sagst, Podcast ist immer angenehm und ruhig, auch nach so einer Show. Aber Mucke ist halt Mucke. Wenn du neunzig Minuten gepumpt und gespielt und gefeiert hast, gehst du aus so einem Abend ja anders raus als aus so einem Podcast-Abend. Sind das zwei verschiedene Paar Schuhe? Schlägt dein Herz für das eine oder andere mehr?

R: Das eine ist halt wirklich total entspannt. Podcast-Tour ist superentspannt. Klar bist du bei den ersten Shows auch angespannt. Aber gerade bei Nukular, 2016 auf der "Zurückgespult"-Tour, da war ich irgendwann vor der Show am entspanntesten überhaupt. Bei Mucke ... ich weiß noch nicht, wie das auf der Tour wird, die jetzt im November ist. Vielleicht wird das für mich megaentspannend. Natürlich ist es viel mehr Sport, viel mehr Bewegung auf der Bühne. Das find' ich aber gut. Das hat mich bei den Podcasts immer gestört. Ich kannte das ja jahrelang nur so: von der Bühne kommen, und alle Klamotten sind nass. Beim Podcast kommst du runter, und deine Klamotten waren höchstens nass, weil du dir ein Bier über die Hose geschüttet hast. Das war auch ganz nett, aber ... hey, das lastet mich halt nicht aus. Ich finde, auf Tour muss es auch immer ein bisschen anstrengend sein.

DD: Da wollte ich hin, mit der Frage. Weil das ja schon geil ist. Ich bin ja auch nie backstage, immer vorne. Es gibt so ein schönes K.O. ... Dani?

Okay, wieder runter von der Bühne, zurück zum Album: Nach dem "Pinguin", dem Video dazu und dem Albumtitel war ich überzeugt, dass du 'ne Menge "Gotham" gesehen hast. Nach dem ganzen Album glaub' ich eher, dass es eine ganze Menge "Stranger Things" war?

R: Ja, es war definitiv mehr "Stranger Things". Ich hab' noch nie "Gotham" gekuckt. Der "Pinguin" ist ja auch komplett angelehnt an Danny DeVitos "Batman Returns"-Darstellung, nicht an den Cobblepot aus "Gotham".

Gerade der ist aber ganz schön gut. Am "Stranger Thing"-igsten fand ich "Highscore" und "Snow Ball '84". Die klingen ja, wie direkt aus der Serie gepurzelt.

DD: Was? Veto!

Wieso?!

DD: "Highscore" und "Stranger Things" krieg' ich überhaupt nicht zusammen. Das ist doch so ein richtiger Deutsch-Rock-Pop, nach meiner Empfindung.

Aber das ist doch inhaltlich genau das! (Ironisch) Du musst ab und zu mal auf Texte hören, Mann! Das Mädchen in der Arcade mit dem Highscore, hallo?

R: Das ist die erste Folge von der zweiten Staffel, die ist genau so wie "Highscore".

DD: Hmm. Okay.

R: Aber bei "Snow Ball", das lief wirklich so ... wir haben das nicht geschrieben, nach dem Motto, wir machen jetzt 'nen "Stranger Things"-Abschluss. Oder ... doch, ein bisschen. Wie Dustin mit seiner trotteligen Frisur und seinem dummen Anzug zum Abschlussball geht: "Snow Ball '84" fand ich dafür einen schönen Titel, weil so heißt ja der Snow Ball bei denen, und '84 ist auch mein Geburtsjahr. Deswegen fand ich das einen schönen Titel. Weil das auch ein versöhnlicher Abschluss der zweiten Staffel war. Ich hatte die Idee, als wir den Beat hatten, im September 2017. Da hatte ich schon die Idee. Geschrieben hab' ich den damals noch nicht. Dann kuck' ich die zweite Staffel "Stranger Things", am ersten Tag, neun Uhr morgens hab' ich die direkt angemacht, kuck' die Folge, und erst drei, vier Stunden später dämmert mir das: Moment mal. Das ist doch alles, was du für diesen Song eigentlich hattest, das ist doch genau die Geschichte! Okay, krass. Aber dann fand ich es halt auch ein bisschen cool. Ich hab' nicht gedacht: Jetzt muss ich alles ändern.

Den Text, den Lilli Fichtner in dem Song singt, hast du geschrieben. Ich hab' dich irgendwo sagen hören, dass das dein erster Einsatz als Ghostwriter gewesen ist.

R: Ich hab' das geschrieben, für sie. Ich hatte sie dabei schon vor Augen. Am Anfang wollte eigentlich ich den Part machen, so, dass ich sie beschreibe. Aber dann hab' ich gemeint: Nee, eigentlich ist es cooler, wenn sich die Person selber beschreibt. Wer könnte das machen? Da Lilli eine Freundin von mir ist und ich ihren nerdigen Background kenne, hab' ich gedacht: Das passt doch eigentlich voll gut zu Lilli. Dann hab' ich sie gefragt, und sie hat erst gesagt. "Willst du nicht jemand anderen fragen?" Und ich: "Nee. Ich frag' ja dich, gerade. Weil ich dich halt einfach perfekt finde. Kannst du es mir vielleicht einmal einsingen?" Dann hat sie eingesungen, was ich ihr geschickt hab'. Ich hatte es einmal selber aufgenommen, schnell am Handy, habs ihr geschickt und gesagt: "Hier ist der Beat, probier' dich." Und dann hatte ich 'ne halbe Stunde später so 'ne roughe Version von ihr, wo sie es halt einfach schnell in ihr Handy gesungen hat. Und ich so: "Alles klar. Gekauft." Habs Phil geschickt. Ist geil, fertig. Da war das Ding durch.

Kannst du dir vorstellen, das auszubauen, Texte für andere zu schreiben?

R: Ich glaub' schon, ja. Ich glaub', das ist manchmal viel entspannter, weil man da selber nicht den Druck hat, sich selbst verkörpern zu müssen. Sondern man muss jemand anderen verkörpern. Ich bewundere das an Max Leßmann. Max Leßmann hat ein Hobby, und zwar schreibt Max Leßmann Bushido-Texte. Er hat noch nie was für Bushido geschrieben, aber er kann das, eins zu eins. Er hat mir mal Sachen vorgerappt, und ich sagte: "Von welchem Album is'n das? Das kenn' ich gar nicht." Und er so: "Das hab' ich geschrieben." Wow, okay, das war einfach eins zu eins Bushido. Ich glaub', das ist schon ganz funny, für andere Leute Texte zu schreiben. Ja, ich könnte es mir schon vorstellen.

Wie passt das aber zusammen mit dem, das du vorhin gesagt hast, diesem "Das bin ganz und gar ich"? Ist das dann eine ganz andere Disziplin?

R: Das ist eine komplett andere Sportart, find' ich. Das, was ich nach außen verkörpere, als Max Nachtsheim, das muss ich sein. Aber wenn jemand wirklich so faul ist, seine eigenen Texte nicht selber schreibt, und das machen andere für ihn ... na, gut. Dann muss man halt versuchen, als Künstler und Schreiber, die Person zu verstehen, für die man da schreibt, und muss es umsetzen. Ich hätte damit keine Schmerzen, weil ich verrate damit ja nicht meine Prinzipien. So seh' ich das. Vielleicht seht ihr das anders. Aber ich seh' es nicht als Prinzipienverrat, so lange meine Musik Max ist. So lange ich jetzt nicht Texte für Frei.Wild schreiben muss oder irgendwelche Sachen machen, die total scheiße und daneben sind, sondern sag': Ja, das war halt witzig - warum nicht?

DD: Ich find', der, der die Texte nimmt, der ist wack. Das ist eklig. Aber der, der es schreibt ... das würd' ich auch nicht kritisch sehen. Das ist ja nur ein Handwerker, eigentlich.

R: Ja. Oder ein Spaß. Whatever.

Oder auch ein Broterwerb. Das ist ja eine Dienstleistung: für jemand anderen etwas tun, das der nicht kann oder nicht machen will.

DD: Aber das mag ich irgendwie trotzdem nicht anerkennen. Okay, da bin ich halt sehr romantisch. Ich würde das nicht etabliert wissen wollen. Es ist zwar okay, dass jemand das macht, wenn es dem Spaß macht und er auch Bock drauf hat. Aber grundsätzlich, vom Move her, finde ich scheiße, dass es das gibt. Deswegen fänd' ich nicht okay, das irgendwie zu legitimisieren. Klar hat jemand das Recht zu sagen: "Ich mach' das als Broterwerb" - aber den find' ich dann halt auch nicht sexy.

Ich hab' gerade erst eine ganz grauenvolle Reportage gelesen. Halt, nein. Die Reportage war gut, aber das Thema! Es ging um Songwritingcamps. Das läuft allem, das Musik für mich ausmacht, komplett entgegen: Da setzen sich irgendwelche Leute zusammen und stecken aus dem Baukasten wie am Fließband für irgendwelche anderen Leute Songs zusammen, und die haben dann mit denen, die sie transportieren, überhaupt nix mehr zu tun. Das ist mir ganz und gar zuwider. Aber wenn jemand so Mucke macht und sagt: "Ja, die Texte schreiben mir irgendwelche Handlanger, die Musik macht mir auch irgendein Knecht, und ich sing' das halt, weil ich gut singen kann" - das wär' ja noch irgendwie okay. Aber das tut ja immer alles, als wär' es viel mehr. "Im Radio läuft wieder irgendwelcher pseudodeeper Scheiß." Die Pop-Seuche unserer Zeit ist, wenn diese ganzen - ich muss bei der Bezeichung schon kotzen! - "deutschen Songpoeten" so mordspersönlich tun, und dann stammt alles aus der gleichen Fabrik.

DD: Das ist ja genau das Problem! Es gibt Popmusik, und die kann als Popmusik vollkommen gut funktionieren. Genau wie es Studiomusiker gibt: Du kannst der beste Gitarrist sein, hast aber vielleicht trotzdem keine eigenen Ideen für Songs.

R: Songwriting, find' ich, muss ja auch passen. Max Leßmann - das ist ja der einzige, den ich kenne, der so Sachen schreibt - der sucht sich ja schon aus, worauf er Bock hat. Es ist ja auch eine Frage, wie du mit dem Künstler zusammenarbeitest. Wenn der Künstler bei dir sitzt und sagt: "Ey, mir fehlen jetzt hier gerade die Worte" oder "Ich hab' hier einen Ansatz" ... es ist ja die Frage, wie du rangehst. Wenn du nur dasitzt und generische Songs abarbeitest, die in irgendwelche Pools fliegen, dann muss man schon sehr ironisch drangehen und sagen: "Okay, ich hab' halt einen Yvonne Catterfeld-Song geschrieben, hahaha." Keine Ahnung, ich weiß nicht, ob mir das liegt. In der Situation müsste ich sein. Ich red' jetzt in erster Linie von diesen Momenten, wenn ein Kumpel von mir kommt und fragt: "Kannst du helfen?" So wie ich ja auch auf den letzten fünf Metern Max Leßmann dazugeholt und gefragt hab': "Hey, kannste mal über die Texte rüberkucken? Vielleicht fällt dir irgendwas auf." Und er hat dann Vorschläge gemacht, so: "Änder' mal den Satz ab" oder sonst irgendwas: Das find' ich total okay. Manchmal sehen vier Augen ja auch einfach mehr als zwei. Aber sich hinsetzen und generische Yvonne Catterfeld-Songs schreiben, oder Bushido-Texte ... Meine Sicht darauf kann sich auch irgendwann noch ändern. Aktuell seh' ich das nicht. Mir wurde letztens angeboten, in so ein Camp zu gehen, wo es dann nur um so generischen Kram geht. Das hab' ich abgelehnt. Aber wenn es darum geht, einem Kumpel zu helfen, dann find' ich das total legitim. Aber da gibt es ja, wie gesagt, verschiedene Wege des Ghostwritens. Lilli hab' ich jetzt, das muss man fairerweise sagen, gar nicht die Chance gegeben, sich selber auszuprobieren, weil ich gesagt hab': "Das ist mein Song, das hätt' ich gerne, kannst du das umsetzen?" "Ja, kann ich machen." Sie war mit der Situation relativ zufrieden, aber ich glaube, Lilli wäre auch locker fähig gewesen, einen Part zu schreiben, der dem irgendwie gerecht geworden wäre, den ich da zusammengeschustert habe.

Du hast schon beim letzten Mal erzählt, dass du dich zum Schreiben traditionell nach Holland zurückziehst. Das ist jetzt auch wieder so gewesen, es gibt ja einen ganzen Song darüber. Ich stell' mir schwierig vor, auf Knopfdruck kreativ zu sein. So nach dem Motto: JETZT fahr' ich da hin, und DANN entsteht was. Hemmt das nicht auch?

R: Ja, das ist wieder der Druck, von dem wir vorhin schon gesprochen haben. Bei der Platte wars ja so: Ich hatte vier Jahre Zeit, um mir zumindest ein paar Gedanken zu machen. So 'ne Songidee wie die für "Bergen Aan Zee", die hab' ich schon mitgebracht. Genauso, wie ich die Ideen für "Highscore" schon mitgebracht hatte, oder auch die Idee für "Rote Fässer". Der ist tatsächlich der einzige, der schon ein bisschen im Vorfeld geschrieben wurde, das einzige Mal, dass ich auf der Platte so 'ne Art Wiederverwertung gemacht hatte, weil ich gesagt hab', das kann ich mir bei dem Song gut erlauben, weil ich hab' hier Parts, die find' ich gut. Ich hab' die aber vorher nicht in ein Gewand gebracht, also mach' ich da jetzt "Rote Fässer" draus, und gut is'. Wenn man einigermaßen vorbereitet und alles auch im Kopf schon ein bisschen durchgegangen ist, find' ich die Drucksituation auch ganz geil. Irgendwann bist du mittendrin in so einem Fluss, und dann passieren Sachen wie "Mond" oder "Will Russell". Songs, die ich nicht hab' kommen sehen, waren dann einfach innerhalb von wenigen Stunden auf dem Papier, weil Phil mir einen Beat geschickt hat, und ich so: Boah, darauf flash' ich jetzt, den schreib' ich jetzt. Das war halt geil. Wenn man sich erstmal auf diesen kreativen Prozess eingelassen hat, dann ist es geil. Die ersten zwei Tage waren die Hölle, das sag' ich ganz ehrlich. Da war ich die ganze Zeit so: Okay, okay, kriegst du irgendwas hin? Und dann bist du irgendwann drin - geil. Du bist alleine mit dir, mit deinen Gedanken. Dann ist das auch wahnsinnig beflügelnd und schön.

DD: Du hast ja mal eine Zeit lang fast gar nichts geschrieben. Hast du dann jetzt, wo du wieder ein bisschen drin bist, im Schreiben, wenn du rumläufst so Momente, in denen du denkst: Woah, krass. Das wär' jetzt was. Das muss ich jetzt aufschreiben oder schnell irgendwie recorden?

R: Ja, ich hab' so 'ne kleine Kammer in meinem Kopf. Da leg' ich schon so Ideen ab, die ich irgendwo aufsammel'. Ich sing' mir auch mal was ins Handy ein, wenn ich gerade denke: Das ist eine schöne Melodie. Oder: Das ist 'n schöner Part. Das sind zwei, drei gute Ideen, die ich mag, die nehm' ich jetzt mal mit. Vielleicht finden sie nochmal irgendwann Verwendung, oder vielleicht finden sie auch keine Verwendung. Das werden wir dann sehen. Aber ich muss schon auch ein bisschen in den Modus kommen. Ich bin nicht wie Samy Deluxe, der sagt: "Ich muss jeden Tag einen Text schreiben, sonst gehts mir schlecht." Sondern ich schreib' das dann, wenn ich es brauche. Das liegt aber inzwischen auch daran, dass so viel Kram passiert und ich eigentlich immer nur von Station zu Station arbeite. Klar ist ein Album eine sehr, sehr große Station. Aber es ist halt trotzdem einfach nur auch eine Station. Alles, das an Ideen mitgenommen wird, dafür bin ich natürlich dankbar, weil ich dann Ansätze hab', mit denen ich arbeiten kann. Aber ich hab' auch kein Problem damit, mir ein Lied zu nehmen und zu sagen: Okay, was mach' ich jetzt damit? Weil, wie gesagt: Dann passieren Sachen, wie in Holland passiert sind. Hättest du mich drei Tage vorher gefragt "Meinst du, du hättest mal einen Song wie den und den?", hätt' ich wahrscheinlich noch gesagt: "Nee, glaub' ich nicht." Aber auf einmal waren sie da, sie waren fertig und sie waren gut. Das mochte ich.

DD: Die Herangehensweise, wie du schreibst, ist dann immer ähnlich? Du hast Fragmente aus dem Alltag, und setzt dich in so einer Auszeit geballt konzentriert hin? Ich finde - oder vielleicht will ich das auch nur so raushören - dass man bei dir schon ganz gut unterscheiden kann: Es gibt Texte, denen merkt man an, da hat er sich hingesetzt und überlegt, und Songs, die so eine gewisse persönliche Dringlichkeit haben. Die schreibst du in der gleichen Stimmung?

R: Ja, die Prozesse sind immer recht ähnlich. Es gibt Dinger, die legt man sich schon auf lange Sicht ein bisschen zurecht. Aber zum Beispiel dieses "Undertale", das ja relativ verschroben ist und eigentlich so ein Interlude, das war so eine Emotion, die da eingefangen wird - das war halt innerhalb von dreißig Minuten runtergespuckt. Das war auch der erste oder zweite Take, den wir aufgenommen haben. Da sind wir wieder bei dem Thema mit dem Gesang: Das Ding ist vorne und hinten nicht ordentlich gesungen. Wir waren im Studio, hatten fünf Versionen oder so, da waren auch welche dabei, die waren besser. Aber ich fand halt in dem Moment, das ist die eine, die gerade passt. So ist auch der Text entstanden, das ist eher eine Momentaufnahme. Das mochte ich einfach so, weil ich glaube, dadurch kriegt der auch wieder 'ne eigene emotionale Wertigkeit.

DD: Ich hab' gerade erst wieder ein Interview gesehen ... waren das auch Genetikk? Da hat das irgendwer als "deutsch" bezeichnet. Es sei so ein "deutscher Move", Sachen so megaclean zu machen. Und das wär' jetzt die "neue Roughness", diese ganzen Trapsachen. Das stimmt ja irgendwie sogar. Weil das ja wieder dieses DIY ist: Ich machs zu Hause, verkopf' mich nicht so wahnsinnig. Dass dabei natürlich auch haufenweise Schrott rausgekommen ist, is' klar. Da ich dich (ironischer Tonfall) ja suuuper kenne, durch die Podcasts, schätz' ich dich jetzt aber eher so als Totfrickler ein. Dass du auch eher zu oft an den Sachen rumschraubst.

R: Ey, gar nicht! Bei "Cobblepot" wars wirklich so: Da ist jeden Tag ein Song entstanden.

DD: Sorry, wenn ich da jetzt dazwischenquatsche, aber das ist ja jetzt das neue Album. Wie war das vorher?

R: Geht. "Astronaut" zum Beispiel hab' ich damals über Monate hinweg geschrieben. Immer wieder: Nee, das nochmal anders und da nochmal ... Weil ich dachte: Wenn du schon so einen Popsong machst, dann muss da auch jedes Wort sitzen. Bei "Cobblepot" war das jetzt tatsächlich überhaupt nicht so. Aber ... ja. Ich glaub', ich kann das gar nicht richtig einschätzen. Das war ja auch die Zeit, in der man noch viel mehr rumprobiert hat und in der man auch einfach noch unerfahrener war. Generell war damals auch mein Kopf noch nicht so an, wie er das vielleicht heute ist. Heute bin ich einfach viel aktiver, durch die Selbständigkeit. Ich hab' auch die letzten Jahre gelernt, schneller zu arbeiten. Es gibt ja diese berühmten zehn Prozent, am Schluss. Von denen sagt man oft: Die machen auch Sachen kaputt. Ich hab' mir abgewöhnt, diese zehn Prozent zu gehen, weil ich Leute im Studio erlebt hab', die haben einen geilen Song, dann haben die den auseinandergefrömelt, und am Ende war der einfach nicht mehr so gut, weil sie den irgendwie zu clean gemacht haben. Dafür schätze ich auch das neue Lance Butters-Album. Weil ich glaube, dass da viel entstanden ist, aus diesem "Ey, wir haben jetzt hier gerade so einen Flash, ich mach' das jetzt, und es muss nicht alles komplett kaputt gedacht werden". Das ist, glaub' ich, ein ganz gutes Maß, von beiden Seiten: Wir haben zwar schon ein Konzept, aber wir gehen da mit der Roughness ran.

Ich finde das unfassbar gut produziert. Hätte nicht gedacht, dass mich ein Lance Butters-Album mal so ummähen könnte - vom Sound her. Textlich gar nicht so.

DD: Bin ich dabei.

R: Ich finde das Lance-Album sehr, sehr gut. Auch textlich - weil ich finde, dass das ehrlich ist. Manchmal vielleicht ein bisschen zu sehr verbittert. Das ist halt auf lange Sicht kein Hörgenuss, bei mir. Ich glaub', ich hab' es zweimal gehört. Ich habs ja schon im Vorfeld mal gehört und fand das unfassbar. Dann hab' ichs nochmal gehört. Aber das ist eine Stimmung, dafür muss man bereit sein. Nicht so: Ach, jetzt machen wir mal das Lance-Album an! Sondern: Okay, wenn ich das jetzt anmache, dann hab' ich fünfzig Minuten Düsternis und einen Typen, der echt sauer ist. Der eigentlich auch nicht mehr so richtig Bock hat, auf alles. Wenn man da zuhört, hört man ja auch so richtig: Hat der eigentlich noch so richtig Bock auf sein Leben? Hm. Geht. Dafür muss man halt bereit sein.

Das ist ziemlich konträr zu dem Gefühl, das deine Musik vermittelt. Wie Dege vorhin schon gesagt hat: Bei dir klingt ja grundsätzlich schon alles irgendwie ... uplifting, mit einem motivierenden Vibe dabei. Obwohl zum Beispiel aus "Mond" auch erklecklicher Menschenhass spricht.

R: Ich hab' zwei Herzen in meiner Brust. Ich gelte ja immer so ein bisschen als der Grummel. Der bin ich auch oft. Aber ich hab' ja trotzdem auch genau so viel - oder wahrscheinlich noch viel mehr - Spaß. Ich lach' wahnsinnig gern. Ich find' auch superschön, Menschen zum Lachen zu bringen und positive Gefühle zu vermitteln. Ich hype auch lieber etwas und sag' den Leuten: Hey, ich find' das megageil! Das find' ich viel, viel, viel, viel schöner, als immer alles schlecht zu reden. Klar find' ich auch Sachen scheiße. Dann werd' ich auch mal laut und sag': Das find' ich jetzt richtig kacke. Aber ich finds eigentlich viel schöner, wenn ich sage: Den Film oder das Spiel find' ich richtig, richtig geil, weil dann gibt man den Leuten ja was mit. Wenn man immer nur hatet, dann lachen die Leute zwar und sagen: "Ja, genau, das seh' ich auch so." Aber am Ende des Tages trittst du Leuten damit auf die Füße, und dann ist einfach nur die Stimmung kacke. Ich find' positive Stimmung tatsächlich gar nicht so verkehrt. Aber natürlich hab' ich trotzdem aufgrund allem, das so passiert ist, oder auch, was sonst so gerade draußen passiert, oft in vielen Dingen dieses Gerade-nervts-mich-richtig. Gerade sind Menschen richtig, richtig kacke. Ich glaub', die Fusion geht man in dem Sinne ein, dass man sagt: Ja, ich find' vieles kacke. Aber ich versuch', es mit positiver Stimmung ein bisschen schöner zu machen. Ich glaube, das ist der Mittelweg, den diese zwei Sachen zusammen dann gehen.

"Ich lern' von meiner Community noch das Diskutieren"

DD: Du kannst ja bestimmt auch sehr zickig sein (lacht). Du bist ein impulsiver Typ, was zwar sympathisch ist, für dein Umfeld wahrscheinlich aber auch sehr anstrengend sein kann. Findest du, du persönlich, als die Person Max, hast eine deutliche Änderung durchgemacht, in der Zeit von "Pubertät" über Podcasts und wieder zur Mucke?

R: Ich bin natürlich viel strukturierter. Ich bin viel verbissener, was meine Arbeit angeht, weil ich mir dessen inzwischen auch viel stärker bewusst bin als noch 2013. Ich muss halt jeden Tag arbeiten. Selbständig heißt ja selbst und ständig.

DD: Uuah!

R: Da ist aber was dran, an dem blöden Spruch! Es ist halt einfach so. Wenn ich nur die Füße hochlege und sage: Okay, ich spiel' jetzt zwölf Stunden Xbox, dann muss es gerechtfertigt sein. So, ja, ich hab' die letzten fünf Tage gearbeitet, Kram organisiert, Zeug rangetragen und Patreon befüllt, weil: Das ist halt einfach wichtig. Ich hab' auch gerade durch die Podcasts so ein Verantwortungsbewusstsein gelernt. Am Anfang war dir ja das gar nicht klar. Als wir damit angefangen haben, haben wir gesagt: Wir machen das jetzt einfach, mal kucken, in welche Richtung es geht. Dann hat man halt auch mal 'ne arrogante Meinung rausgehauen, mal schnell irgendwas verurteilt, oder sowas. Aber du merkst, dass jedes deiner Worte für gewisse Leute Gewicht hat, positiv wie negativ. Und wenn du immer nur Sachen schlecht redest … Man hinterfragt die Sachen mehr. Manchmal engt einen das vielleicht auch ein bissche ein. Ich kann nicht mehr hundertprozentig so vom Leder ziehen, wie ich das vielleicht gerade will. Gleichzeitig sorgt das aber dafür, dass man eine Aussage vielleicht zweimal hinterfragt, bevor man sie raushaut. Wo man das ganz klar merkt, wenn man meine Persönlichkeit aufs Internet überträgt, ist auf Twitter. Da war ich früher einfach nur ganz, ganz fies, und hatte so dieses: Ja, wer soll es denn mitkriegen?

DD: So Troll-mäßig.

R: Ein bisschen auch, ja. Mich über Borderline-Fotzen lustig gemacht und so ... da gibts schon ein paar Tweets, die nicht die geilsten sind. Das sind aber so Dinger, die passieren halt. Da ist man jetzt nicht stolz drauf und sagt "Ja, voll geil, höhöhö." Sondern daran wächst man. Dafür kriegst du auf die Fresse, und dann weißt du: Nee, war nicht cool. Wenn du ignorant bist, dann sagst du vielleicht am Anfang nochmal kurz: "Ja, nee, war doch cool." Und dann merkst du aber: Nee. Wars nicht. Dann merkst du das und wandelst es selber für dich um. Aus deinen eigenen Fehlern lernst du so viel. Ich find' das auch gut. Ich finde gut, eine Verantwortung zu lernen, die man einfach hat. Das ist ja das Ding mit dem Internet, was ich immer wieder sage: Uns hat keiner beigebracht, wie das Internet funktioniert. Es war plötzlich da und es wurde immer größer. Es gibt Leute, die haben eine krasse Distanz dazu, denen ist das auch nicht so wichtig. Aber Leute wie ich, auch als Künstler, die damit groß geworden sind, mit Twitter, Facebook, MySpace und was es so alles gab, über die letzten zehn Jahre, für uns ist das wichtig. Trotzdem hat uns keiner den Umgang damit beigebracht. Es gab keine Klasse dafür. Wir müssen selber merken, wie wir verfahren. Entweder kannst du dich selber korrigieren und immer wieder justieren. Oder du wirst halt irgendwann so ein komischer Niels Ruf, der mit vierzig immer noch denkt wie mit zwanzig, es ist cool, halbprovokante AfD-Tweets zu schreiben und einfach ein Trottel zu sein. Aber dann rennen dir die Leute auch weg. Zurecht! Das Internet ist nicht fern von der realen Welt. Das muss man halt lernen. Deswegen nimmt das auch unweigerlich Einfluss auf dein Privatleben. Deswegen bin ich da auch auf jeden Fall fokussierter und versuch', strukturierter zu arbeiten und mit meinem Umfeld vernünftig umzugehen. Aber, hey, Theorie und Praxis gehen da auch nicht immer Hand in Hand. Natürlich weiß ich, ich muss mit meinen Jungs gut und lieb reden. Ich versuch' das auch immer. Aber wenn mir halt der Hut durchbrennt, weil wieder einer irgendwas verkackt hat, was sich direkt auf meine Arbeit auswirkt, dann flipp' ich halt aus und scheiß' den zusammen. Das passiert.

Obwohl ich sehr dabei bin, lieber irgendwas zu feiern als zu sagen "Dies und das ist totaler Scheißdreck", finde ich aber, dass man auch sagen muss, wenn etwas offensichtlich Scheiße ist. Man darf auch nicht überall nur die Rosinen mitnehmen.

R: Nö, sonst ist man ja so ein Gute-Laune-Bär, so Sami Slimani-mäßig, der wirkt, als wär' er komplett gebrainwashed. "Heeey, das ist alles suuupeeer. Ihr seid alle sooo liiieeeb." Das kauft dir ja auch irgendwann keiner mehr ab. Ich glaube, dass du Sachen positiv findest, glauben dir die Leute nur, wenn du auch Sachen negativ findest. Deine Meinung manifestiert sich ja dadurch, dass du eben zwei Meinungen vertrittst: Sachen, die ich gut finde, und Sachen, die ich scheiße finde. Nur das befruchtet sich gegenseitig. Wenn du immer nur sagst: "Das ist geil! Das ist geil! Das ist geil!", dann sagen alle nur: "Jaa-haa! Is' ja okay."

DD: Du musst halt als Charakter greifbar sein. Du brauchst eine Range, sonst bist du nur ein Abziehbild. Das ist ja auch spannend zu sehen: Da macht einer mal Kacke, dann reflektiert er das, und daraus folgt dies und das. Das ist ja interessanter, als wenn einer so komplett durchflutscht. Das gibt einem ja nichts.

R: Das ist jetzt auch so ein blöder Satz, so ein bisschen Curse-mäßig, aber: Man will ja jeden Tag daran arbeiten, ein besserer Mensch zu sein. Ich finde, da ist was dran. Aus der Perspektive nimmt man diese ganzen Sachen, die man auch selber negativ gemacht hat, mit. Ich war am Sonntag besoffen und hab' zwei Leute auf Twitter beleidigt, habs dann aber danach gelöscht, weil ich gemerkt hab', das ist nicht mehr das, was ich will. Das ist einfach dumm. Diese eine Firewall war halt ausgeschaltet.

Es wird ja auch schlagartig unglaubwürdig, wenn man so tut, als hätte man immer schon alles gewusst und niemals einen Fehler gemacht.

R: Ja, voll.

DD: Du bist ja jetzt durch das ganze Podcast-Ding näher dran, hast auch eine große Community mit deiner Autokino-Gruppe. Ich hab' in meiner Gruppe ja auch Leute, die kennst du schon seit zehn Jahren. Früher hättest du das alles ignoriert, aber irgendwann reagiert man halt doch privater. Man hat dann nicht mehr die Distanz. Es fällt mir schwerer, nicht irgendwann zu sagen: "Hey, blöder Wichser, Alter, willst du mich eigentlich verarschen, was laberst du für eine Kacke?" Darfst du dann aber nicht machen, will man nicht machen. Oder will man doch?

R: Kommt drauf an. Man muss, glaub' ich, erstmal die Situation abwägen. Wir hatten das letztens in der Autokino-Gruppe. Das war in der heißen Phase, kurz bevor wir "Cobblepot" angekündigt haben, an dem Wochenende, an dem wir "Pinguin" gedreht haben. Da hab' ich mich auf 'ne Diskussion eingelassen, da ging es gar nicht um mich. Da ging es um einen anderen Künstler, um VBT, keine Ahnung, und ich hab' einen vor den Kopf gestoßen. Da kam dann auch die Community zu mir. Da gibt es dann ja ein paar alte Hasen, die schon lange dabei sind. Man muss schon den Respekt wahren. Auch, wenn man sich da gerade uneinig ist, darf man nicht vergessen, dass man den Status, den man hat - auch wenn es kein Riesenstatus ist, aber es ist ein Status, in dieser Blase - dass es diese Leute sind, die dafür gesorgt haben, dass der da ist. Dann muss man sich einfach entsprechend verhalten. Klar möchte ich natürlich auch manchmal mit 'nem privaten Account schreiben: "Mann, was seid ihr denn für Schwachköpfe?" Aber da sind wir wieder bei der Sache mit dem An-seinen-Aufgaben-Wachsen. Da muss man halt einen Weg finden. Da hab' ich tatsächlich mal kurz wieder reagiert wie Max vor fünf Jahren im Internet und war einfach patzig. Dann haben mich die Jungs angeschrieben: "Hey, das fanden wir jetzt gerade richtig ungeil." Für mich war die Lösung, zu sagen: Du, pass' mal auf, wir treffen uns jetzt einfach mal für 'ne Runde Autotelefon. Das ist so ein Format, wo ich mit Leuten aus der Community rede. Da reden wir eigentlich immer über die Probleme der Leute, die bringen ein Thema mit, so Domian-mäßig. Da haben wir uns in einer Folge diesem Thema gewidmet, gesagt: Lass' doch mal drüber reden, wie das so ist. Da sind wir in den Dialog gegangen. Ich hab' dem ein paar Sachen erklärt, er hat mir ein paar Sachen erklärt. Das war wahnsinnig aufschlussreich, und dann war das Thema auch vom Tisch. Das fand ich ganz gut.

DD: Ich glaub', die Falltiefe ist dann nicht mehr so extrem. Man hadert und stolpert vielleicht immer noch, aber es gibt halt nicht mehr den Super-GAU.

Das ist jetzt auch wieder so eine Binsenweisheit. Aber sobald du anfängst, miteinander zu reden, entspannt sich die Situation ja schon rein dadurch, dass du dem anderen signalisierst, dass du ihm zuhörst. Sobald man sich gegenseitig die Möglichkeit gibt, sich zu erklären, passiert ja alles viel mehr auf Augenhöhe.

R: Total. Das entwaffnet die komplette Situation. Natürlich kann jeder seine Argumente mitbringen. Aber ich glaub', in dem Moment, wo man sagt, man ist zu einer Diskussion bereit, ist man ja schon viel weiter als die meisten Leute im Internet, die sagen: "Ich will gar nicht diskutieren, ich habe diese Meinung, und daran gibts auch nix zu rütteln. Tschüss." Das erleben wir ja gerade auf Facebook in ganz, ganz schlimmer Form so oft, dass Leute nur Sachen schreiben, und wenn man dann sagt: "Ey, warum sagst du das denn jetzt eigentlich?", dann kommt nichts mehr zurück, oder nur so ein "LOL Du hast geantwortet!" Dann bist du aber auch gar nicht bereit. Du hast einfach 'ne Meinung, die ist in Stein gemeißelt, dann brauchen wir jetzt hier nicht weiterdiskutieren. Das ist aber der Punkt, wo ich oft aussteige. Wo ich dann auch sage: Ja, wenn du so ein negatives Bild von mir hast, dann musst du hier nicht mehr stattfinden, tschüß. Dann landest du halt auf der Liste. Wenn du eine Community hast wie die Autokino-Community, die zu fünfundneunzig bis achtundneunzig Prozent aus lieben Leuten besteht, die sich nur ab und zu gerne mal in einer Diskussion verzetteln, dann ist das ja was ganz anderes.

DD: Hast du Moderatoren oder machst du das hauptsächlich selbst?

R: Aktuell ist die Autokino-Gruppe eh wieder ein bisschen gesundgeschrumpft, was die Teilnahme der Leute angeht. Das ist eigentlich alles sehr mikrokosmisch. Die regeln das untereinander, da gibts schon so Polizisten. Wir haben natürlich auch Mods, aber in der Regel ist die Community ihr eigener Richter. Wenn da einer mit einer dummen Meinung kommt, dann springen sofort zehn drauf, und entweder wird der dann bekehrt, oder er fliegt raus. Aber bei uns ist ja nicht Wilder Westen, wo jeder auf den anderen schießt, sondern das geht schon alles ein bisschen gemaßregelter zu. Weil die Leute da auch schon ganz anders diszipliniert sind, was diese Gruppe angeht. Das ist ja auch schön, dass die auch immer wieder schreiben: "Ich bin so gern hier in dieser Gruppe, weil hier wird noch diskutiert." Das find' ich auch immer ganz gut. Gerade, weil ich jemand bin, der in so Diskussionen erstmal einfach sagt: "NEIN! Auf gar keinen Fall!" Ich lern' da von meiner eigener Community manchmal noch das Diskutieren.

Diskussionen muss man dafür aber zulassen. Man muss auch mal aushalten, dass jemand vielleicht eine dämliche Meinung in die Welt blökt. Weil ja dann erst die Chance besteht, dass den schon jemand zurechtstutzt.

DD: Das hast du mir ja auch mal gesagt. Bei uns in der Gruppe sind halt auch viele mit ihren emotionalen Problemen unterwegs, mit ihren Geschichten, das ist oft schon sehr intensiv. Wenn da mal irgendwas hochkocht, bin ich direkt so: "Oh, nein!", während du immer meinst: "Lass' die das mal regeln, das wird schon."

Wenn in so einer Gruppe größtenteils vernünftige Leute sind, dann halten die das schon in der Bahn. Die ein, zwei, drei, die aus dem Ruder laufen, gibts überall. Die musst du dann halt rausprügeln. Die musst du aussperren. Bloß weil es die ganze Zeit kuschelig ist, ist das aber kein Grund, sobald es mal an einer Stelle etwas weniger kuschelig ist, gleich zu sagen: Nee, das geht ja gar nicht. Aber wir nähern uns hier schon wieder der Zwei-Stunden-Grenze: Haben wir noch Fragen, eigentlich?

DD: Selbstverständlich. Max, in welcher Situation, denkst du, wird deine Musik gehört - und wann würdest du wollen, dass sie gehört wird?

Guck' an, 'ne richtige Interviewfrage.

R: Das ist 'ne Interviewfrage, ja. Ich glaube, es gibt nicht diesen einen Rockstah-Song, der hat die Formel XY, und der wurde dann 45 Mal kopiert. Sondern du hast "Mond", das ist düsterer. Du hast dieses Jetzt-bin-ich-gerade-abgefuckt-Ding, und dafür brauch' ich gerade einen moody Song. Da kann man den ganz gut hören. Wenn die Leute aufstehen und morgens zur Arbeit fahren, dann hören sie "Highscore". Ich fühl' mich tatsächlich gerade sehr, sehr wohl damit. Ich hab' das vor ein paar Tagen erst zu 'nem Kumpel gesagt: Hey, kuck' mal, jetzt krieg' ich hier Videos geschickt, wo Leute mir die ganze Zeit schreiben: "Ich hab' direkt gute Laune, wenn der Beat angeht." "Ich find' das alles total geil." "Ich muss die ganze Zeit schmunzeln." "Wir tanzen alle hier im Büro, gerade, zu dem Song." Das ist doch total geil, dass das passiert. Dass du Leuten gute Laune gibst, das ist mega, voll das schöne Gefühl. Aber genauso krass find' ich, wenn Leute 'ne Trennung hinter sich haben und hören "Panic Room" von "Nerdrevolution" oder "Mein Abschiedsbrief" vom "Revival der Steckdosenbefruchter", uralter Song, der einzige gute aus der Zeit. Dass Leute sagen: "Das ist ein Song, der gibt mir gerade irgendwas", ich glaub', das kann man gar nicht benennen. Ich find' sehr schön, dass das so vielseitig ist und auf viele Situationen passt. Mir hat auch jemand geschrieben, dass er meine Musik immer mit seiner Freundin beim Sex hört - und DAS fand ich seltsam. Ich glaube, das beantwortet die Frage, wo ich gehört werden will. Wo ich nicht gehört werden will, ist beim Sex.

DD: Ja, aber was hört man generell - außer Instrumental - für Musik beim Sex? Ich hab' noch nie Musik beim Sex gehört, außer es lief irgendwo was. Ich mach' doch keine Musik an, ich bin doch nicht bei "King Of Queens"!

R: (Lacht) MARVIN GAYE-SONG AN! Dü-düp-dü-düü! Ja, ich hab' auch noch nie Musik beim Sex gehört. Aber es gibt ja Leute, die sind da total moody drauf.

Um mal die Bilder wieder aus dem Kopf zu bekommen ...

DD: Ich find', das ist 'ne schöne Vorstellung.

Ich seh' schon: Du möchtest noch drüber sprechen.

DD: (Lacht) Ich möchte einen schönen Vergleich haben, wie Sex auf Rockstah-Musik ist und wie Sex auf meiner Musik ... aber vielleicht will ich das doch gar nicht wissen.

Ich will hier raus. Wenn du sagst, die Leute hören in der einen Stimmung den einen Song, und den nächsten in einer anderen: Empfindest du dein Album dann eher als eine Ansammlung von Songs?

R: Ich seh' es total als eine Einheit. Es ist als Einheit entstanden. Ich hab' ja nicht über Jahre hinweg Songs gesammelt, sondern für mich gibt es schon sehr stark einen roten Faden. Der rote Faden bin halt ich, weil das ja immer noch ein sehr ich-bezogenes Album ist. Es ist eine sehr egoistische Platte, weil es in erster Linie um mich geht, um meine Probleme, für die Metaphern geschaffen wurden. Das Soundgewand ist der rote Faden. Ja, wenn das Album von mir handelt und der rote Faden ich und das Soundgewand sind, dann haben wir Platz, um ganz viele Moods auszuprobieren. Weil, wie wir schon festgestellt haben: Max hat ja auch ganz viele Moods in sich, nicht nur dieses "Ich bin jetzt grummelig, ich bin jetzt irgendwie auf Ärger aus", sondern du hast sehr viele Facetten. Ich find', ein Album muss auch immer 'ne Facette haben. Das Schlimmste, das man sagen kann: "Ja, der hat halt zwölfmal den gleichen Song gemacht." Das bin ich nicht, das will ich auch nicht, weil ich immer schon eine gewisse Vielseitigkeit hatte. Das mag ich, und das kommt, find' ich, bei "Cobblepot" wieder gut zum Ausdruck.

Find' ich auch. Aber ist die Platte dann für dich am Stück durchhörbar, als Einheit? Oder hörst du auch situationsbezogen lieber mal das eine, mal das andere Stück?

R: Als die Platte fertig war - da hört man sie ja nochmal unbefangen. Man kommt aus dem Studio raus, war vielleicht 'ne Woche weg, und hört das dann - da fand ich das sehr, sehr schön zum Durchhören, weil wir da zurück in diese Stimmung gehen. Wir haben immer einen roten Faden, was die Stimmung angeht, aber wir können auch mal ausbrechen. Das wird dann mal ganz kurz emotionaler, mit "VHS". Dann wirds mal kurz kitschig, mit "Highscore" und "Love, Sex & Videogames". Aber du hast auch dieses Düstere von "Pinguin", von "Mond", von "Will Russell". Ich glaube, das bildet am Ende eine schöne Einheit, die man sehr gut kombiniert hören kann. Ein Film schießt dich ja auch durch verschiedene Emotionen. Deswegen fand ich das alles ganz geil. Um bei dem Filmvergleich zu bleiben: Ich hab' immer versucht, das wie so einen kleinen Indiefilm zu schreiben. Das merkt man auch an den Videos: Jedes Video ist komplett anders gedreht, sieht komplett anders aus. Was die Videos angeht, gibt es überhaupt keinen roten Faden. Aber im Endeffekt ist der rote Faden, dass ich sage: Jeder Song muss für sich als kleine Einheit funktionieren. Auch als Kollektiv müssen sie funktionieren, aber vor allem als kleine Einheiten. Nicht so: Ja, ich hab' ein Konzeptalbum, dieser Song bezieht sich nochmal auf die Line aus Song zwei, oder sowas. Solche Eastereggs gibts natürlich auch, aber die sind überhaupt nicht zwingend notwendig. Ich finde, so ein Song muss für sich alleine als kleine Geschichte funktionieren.

Ich wollte eigentlich noch gucken, wie sich verschiedene Dinge entwickelt haben, über die wir im Interview vor vier Jahren gesprochen haben, aber der Blick auf die Uhr sagt: Das lassen wir besser. Auf einer Sache mag ich aber doch noch herumreiten. Wir hatten es davon, dass du für "Pubertät" so lange gebraucht hast. Ich meinte, dann könne man mit dem Nachfolger wohl 2019 rechnen. (Finde, ich war ziemlich nah dran.) Du sagtest darauf: Nee, nee, das werde alles viel schneller gehen, du stellst schon das Team zusammen und hättest jetzt 'ne Infrastruktur und alles ... Was ist denn passiert, dass es doch wieder so lange gedauert hat?

DD: Dani, du musst mal die Podcasts hören!

R: (Lacht)

NEIN! Ich hör' die Podcasts NICHT! Da hab' ich gar keine Zeit für!

DD: Aber du stellst Fragen, die die Leute von den Podcasts schon wissen!

Ich halte für denkbar, dass vielleicht noch zwei oder drei andere Leute da draußen herumlaufen, die die Podcasts nicht gehört haben.

R: Ich glaub' auch, dass es noch ein paar Leute gibt, die die Podcasts nicht kennen.

DD: (Ironisch) Tschuldigung!

R: Zum einen war es natürlich schon dieses Frust-Ding. Ey, das hat alles nicht so funktioniert, wie ich mir das vorgestellt hab'. Dann kamen ganz viele andere Sachen dazwischen. Das Team, das ich kurzzeitig hatte, ist einmal komplett zusammengebrochen. Ich dachte: Okay, das produziert Silkersoft. Das hat sich dann wieder alles verrannt. Silkersoft ist halt einfach auch ein Tausendsassa, in viele verschiedene Projekte involviert, da war nicht die Zeit. Und dann hatten wir auch einfach nicht diese eine Idee, wo ich gesagt hab': Boah, geil! Dann kamen diese ganzen anderen Sachen dazwischen und ich hab' gemerkt, das macht mir gerade mehr Spaß. Auf Musik hatte ich irgendwie nach dem ganzen Scheiß, durch den ich gegangen bin, doch nicht so den Megabock. Na, gut. Dann kommts halt dann, wenn es kommt. Teilweise war ich auch so sauer, dass ich gesagt hab', ich mach' gar keine Mucke mehr. Das Gespräch hatten wir ja schon ganz am Anfang. Aber ja, deswegen hat es so lange gedauert: Paar Sachen waren zu viel, paar Sachen waren zu wenig, und am Ende des Tages hat es sich einfach nicht richtig angefühlt, 'ne Platte zu machen.

DD: Ich hab' noch 'ne Frage zum Logo: Das ist ja ein Ambigramm.

R: Nee, isses nicht.

DD: Nein? Aber es sieht so aus.

R: Du meinst, so ein Ding, das man umdrehen kann, und da steht dann wieder das gleiche? Machts nicht. Glaub' ich. Oder? Hab' ich was übersehen? (Lacht)

DD: Aber das ist doch genau der Style! Das soll es doch sein!

R: Nee. Das haben jetzt schon ein paar Leute gesagt. Ich hab' es am Anfang auch gedacht, wie er es mir gezeigt hat. Ich hab' dann mit meinem Designer drüber geredet, hat er gesagt: "Nö, is' nicht so. Sieht einfach nur gut aus. Und ist ein bisschen verschroben, kann nicht jeder lesen. Findste geil?" Hab' ich gesagt: "Aufm Zeppelin find' ichs geil." Alles klar. (Lacht) Die traurige, langweilige Geschichte der Entstehung meines aktuellen Logos.

DD: Ich war mir sicher, dass das das Ding ist. Und das ist ja auch irgendwie retro. Das war ja auch irgendwie so ein bisschen trashy, diese Ambigramme, da gabs eine ganze Tattoo-Welle, wo die inflationär benutzt worden sind. Das hatte mich interessiert: Ob das zum Schmunzeln sein sollte, oder ob du das geil findest. Aber wenn das gar keins ist, ist das natürlich noch komischer. Ich google mir das mal nebenher ... doch! Das soll eins sein. (Lacht)

R: (Zunehmend verzweifelt) Das ist einfach nur ein verschnörkeltes Logo.

DD: Aber es VERSUCHT, ein Ambigramm zu sein.

R: (Lacht)

DD: Ja, sorry! Ich bin Buchstabenfreak! Es war ja nicht wertend. Es war ja nur die Frage, wie man darauf kommt. Vielleicht hättest du eine geile Houseparty-Memory-Story gehabt, wo du sowas zum ersten Mal gesehen hast und dir dachtest: Das wollte ich doch schon immer mal machen ...

R: Nein. Das Logo ist auch sehr auf dem Nacken meines Designers gewachsen. Es ging darum, ein Logo zu finden, für diesen Zeppelin auf dem Cover. Deryl, der das Cover gezeichnet hat, der saß gerade dran. Das war diese wahnsinnige Woche, wo man gesagt hat: "Ja, ihr wollt doch, dass das Album noch dieses Jahr fertig sein soll? Dann müsst ihr das bis nächste Woche abgeben." Ach, cool! Unser Zeichner braucht eigentlich noch vier Wochen! Naja, gut. Da haben wir dann sehr, sehr lange überlegt. Er hat gesagt, wir brauchen was, das zur Stimmung des Covers passt, und kam auf dieses Logo. Ich will das jetzt aber auch gar nicht als mein festes Logo etablieren. Das stand halt ein bisschen für diese Stimmung, ist auf dem Zeppelin zu sehen, aber das ist jetzt nicht das neue krasse Rockstah-Logo. Ich hab' ja eh noch nie ein richtig fettes Logo gehabt. Am Anfang noch am ehesten. Aber wenns zu runig war, find' ich das auch scheiße. Mein Logo wird noch irgendwann kommen. Vielleicht gibts auch nie ein festes. Ich bin einfach kein McDonald's.

DD: Womit hat der das Cover gemalt? Wie wurde das erstellt?

R: Ganz viele Teile sind computeranimiert, tatsächlich. Er hat Computeranimationen von dem Zeppelin und den Schirmen gemacht, und dann hat er drübergezeichnet. Der Typ heißt Deryl Braun, kann man sich auch im Internet ankucken [Ja, hier! D. Red.], malt wirklich auf Marvel-Niveau. Er ist wahnsinnig gut, ein extrem guter Zeichner. Der ist hier aus dem Kreis, Deryl555 bei Instagram, Supertyp. Wahnsinnig komplizierter Vorgang, den er da benutzt hat. Hat wahnsinnig lang an dem Scheiß gesessen, hat Nächte durchgemacht. Auf jeden Fall das aufwändigste Cover, das ich je hatte.

DD: Ja, es ist großartig.

Ich trau' mich jetzt gar nicht, nochwas zu fragen, weil: Das hast du bestimmt schon im Podcast erzählt.

R. & DD, gleichzeitig: FRAG!

Wer zum Henker ist Will Russell?

R: Will Russell ist ein Typ, der sich 'ne Roadside Attraction gekauft hat, so einen kleinen Vergnügungspark in Amerika. Will Russell ist ein großer Popkultur-Freak. Der zelebriert das da ziemlich, und dafür hat er sich dann seine eigene Roadside Attraction gekauft. Die heißt "Funtown Mountain", ich weiß nicht genau, wo sie ist [in Cave City in Kentucky, d. Red.]. Das hieß vorher "Guntown Mountain", war so eine kleine Westernstadt, da fuhr eine Gondel hoch, man konnte Fotos machen, es gab 'ne kleine Geisterbahn. Als das Ding zugemacht werden sollte, kam er und hat gesagt: "Ich hab' Geld, ich kann mir diesen Park kaufen, ich kauf' mir diesen Park" - und dann ist er in diesem Park verrückt geworden. Er hat den gekauft, der hieß dann nicht mehr "Guntown Mountain", sondern, so mit ganz billig 'nem F drübergeklebt, "Funtown Mountain". Da hat er gedacht: Geile Idee, hier häng' ich ab, bau' so ein bisschen mein Zeug auf … Er hatte aber kein Konzept. Mit dieser Konzeptlosigkeit und der Unsicherheit, was er da überhaupt veranstaltet, saß er da in seinem Park und wusste nicht, was er damit anfangen soll. Die Mitarbeiter wussten es auch nicht. Und dann ist er langsam da drin verrückt geworden. Ende des Jahres 2017 hab' ich seine Geschichte gefunden, ich hab' das so gepumpt und fand das total geil. Der Song ist jetzt nicht entstanden, weil ich dachte: Oh, Mann, ich muss Will Russell einen Song widmen. Sondern der kaputte Vergnügungspark, der ja eigentlich 'ne Metapher ist für ganz etwas anderes: Ich fand, der Song muss "Will Russell" heißen, um ihm nur mit Hilfe des Titels ein Denkmal zu bauen. Weil er ja sowohl für einen kaputten Vergnügungspark steht, als auch für ein kaputtes Innenleben.

DD: War der nicht auch kurzzeitig verhaftet und im Knast?

R: Ja, der hat dann in seinem eigenen Park randaliert. Hat irgendwann auf Twitter gepostet: "Ey, Leute, ich hab Guntown Mountain gerade aufgeschlossen. Ihr könnt jetzt hier rein und könnt plündern." Dann haben die Leute halt diesen Park leergeplündert, mit allem, das drinstand. Er hatte da auch Wertgegenstände ausgestellt, und die Leute haben alles mitgenommen, das sie in die Finger bekommen haben. Die haben die Eismaschine rausgerollt, und solchen Schwachsinn. Will Russell hat auch Farbbomben auf seine Mitarbeiter geworfen, die sind geflüchtet. Der war einfach komplett nuts, deswegen kam er auch in den Knast

DD: Krass. Die Geschichte ist schon geil. Am Anfang dachte ich, das wär' dieses Haus von Bates, das Motel.

R: Nee. Es gibt eine Geisterbahn, die ähnlich aussieht wie das Bates-Motel. Aber die steht woanders.

Hattest du das schon im Podcast erzählt?

R: (Lacht) Nee, das hab' ich nur im Interview mit Max Leßmann für Diffus erzählt. In einem anderen Interview hab' ich die Antwort auf diese Frage verweigert. Aber das mach' ich bei dir natürlich nicht.

Aaawww. Ich bin gerührt. Danke. Überhaupt vielen Dank für deine Zeit.

R: Fands auch schön. Sehen wir uns eigentlich alle auf der Tour?

Das will ich doch schwer hoffen.

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