27. Mai 2014

"Ich hab' die Familienehre bespuckt"

Interview geführt von

Himmelhoch jauchzend - zu Tode betrübt: Zwischen diesen beiden Polen spielt sich jede ordentliche Pubertät ab. Wir sprechen mit Rockstah über Höhen und Tiefen, sein aktuelles Album, den lästigen Hipster-Stempel, Videoblog-Ideen, Coolness, Kritik, Kay One ... und noch viel mehr.

Lange genug hat er gebraucht, um den Nachfolger zu "Nerdrevolution" auszubrüten. Kurz nach der Veröffentlichung von "Pubertät" hat Rockstah jetzt aber wieder Zeit. Viel Zeit. Es folgt der Versuch, ein knapp dreistündiges Telefonat zusammenzufassen. Sparen wir uns also die Höflichkeiten. Los!

"Pubertät" wird bisher recht freundlich aufgenommen."

Größtenteils, ja. Es gibt natürlich Leute, die sagen: 'Früher hat mir das alles besser gefallen.' Aber das hast du ja immer. Das ist in dem Fall aber nur ein kleiner Prozentsatz. Deswegen kann ich das sehr gut verkraften.

Ich mag eigentlich keine Gitarrenmusik. Deine Platte hatte aber nicht diesen Indierock-Vibe wie etwa das Casper-Album ...

Uns war auch wichtig, dass wir uns da abheben. Wir wollten anders klingen, weil heutzutage ja eh alles schnell als Casper-Klon gilt. Aber ... ja ... Wir haben einfach gemacht.

Inwieweit nimmst du Einfluss auf die Produktion?

Ich hab' diesmal zum letzten Mal mit meinem Produzententeam gearbeitet. Das wird beim nächsten Mal ein anderes sein, wegen frischem Wind und so. Bei dieser Platte hatte ich tatsächlich viel Einfluss auf die Produktionen. Ich war eigentlich ununterbrochen dabei. Ich kann halt kein Instrument spielen. Ich kann immer nur so mit dem Mund sagen: 'Mach' mal die Gitarre so mmmmmmmmmmmmm!' Dann machen die das. Es ist immer ein bisschen schwierig, wenn man nicht sagen kann: 'Du musst das und das spielen!' oder 'Spiel' mal die Note!' oder 'Warte, lass' mich kurz an die Gitarre!' Aber wir haben es immer ganz gut hinbekommen.

Ein Instrument zu lernen juckt dich nicht?

Doch. Aber ich hab' ja so 'ne Lernbehinderung. Ich kann nicht lernen, das geht ja gar nicht mehr. Ich weiß, ich würde es nicht hinbekommen. Als ich Zivi gemacht habe, vor zehn Jahren, hab' ich mit Kindern Cello gelernt. Die Kinder haben einen Cello-Kurs gekriegt, und dann haben sie gefragt: 'Willst du vielleicht auch?' Ich hab' gedacht: 'Na, gut. Wenn die anderen hier alle Cello lernen können, dann will ich auch Cello lernen.' Dann hab' ich mit meinen Kiddies beim Cello-Lernen gesessen - und ich war mit Abstand der Schlechteste. Die ganzen kleinen sechsjährigen Mädchen mit ihren Mini-Cellos haben mich total abgezogen. Ich war megascheiße, der schlechteste Cellospieler der Welt. Ich bin richtig, richtig schlimm in Instrumenten. Ich hab' auch mal versucht, auf der Gitarre rumzuklimpern. Ich versteh' überhaupt nicht, wie Leute in ihrem Kopf verbinden können, wenn man die Hand dahin legt und die Hand da, und dann muss man schnell noch wechseln ... Ich denk' schon viel zu viel nach. Bei mir liegen Welten zwischen dem einen und dem nächsten Griff.

Eigentlich sollte dir die Daddelei ja geholfen haben, die Hand-Hirn-Auge-Koordination zu schulen.

(Lacht) Ja, Guitar Hero. Aber die Zeiten sind ja auch wieder vorbei. Da war ich aber auch schon überfordert. Auf Schwierigkeitsgrad 'normal' gings noch. Auf 'schwer' wars schon so: Wow, das können Menschen?

Nochmal zurück zur Produktion.

Teilweise habe ich für viele Songs erst die Texte geliefert. So haben wir noch nie gearbeitet. Bei "Der Wal" oder "Echt Erkennt Echt", da gabs zuerst einfach nur Texte, keinerlei Beat. Die Ideen dafür kamen später erst.

Keine Vorstellung, wo es musikalisch hingehen soll?

Es gab Leitbilder und Muster, die ich mir rausgesucht hatte. Ein Einfluss für mich war auf jeden Fall die erste Sleigh Bells-Platte, "Treats". Zudem hab' ich auch rausgefiltert, was mir aus meiner Rockstah-Vergangenheit persönlich am besten gefallen hat. Da gabs drei, vier Songs, "Sturmfrei" war mir für die Pop-Elemente wichtig, "A-Taste" oder "Zocken > Ficken" oder "Klick Deine Mutter" für diesen ganzen Gitarren-Anteil. Das war die Blaupause, wie das so zu klingen hat. Also: eigene Vorbilder, aus der eigenen Schublade. Ansonsten waren, wie gesagt, die Sleigh Bells ein großes Ding, ein altes Beastie Boys-Release, was man auf "Echt Erkennt Echt" ein bisschen raushört, so Cowbell-Elemente. Und, ja ... viel Kleinkram. Das ist ja auch alles immer eine Hommage. Man ist inspiriert, beklauen will man ja niemanden. Wir haben aus diesem ganzen Kram, diesem Kessel, den wir uns selbst zusammengestellt haben, das Album zusammengefrickelt. So, wie es am besten gepasst hat, wie uns der Sound dann am eigensinnigsten erschien.

Das Sleigh Bells-Album hat unser Indie-Hype-Checker damals als "Wrestler-Einlauf-Hymnen" charakterisiert.

(Lacht) Voll passend! "Treats", das ist richtige Wrestling-Einlauf-Musik. Sehr schönes Wort!

Du setzt dich eher als Superheld als als Wrestler in Szene. Ist das auch so ein Kleiner-Jungs-Traum wie das Astronaut-Werden-Wollen?

Total. Voll schön: Ich hab' jetzt mein eigenes Cape. Das ist das beste, das in der ganzen Promophase passiert ist: dass ich endlich mein eigenes Cape hab'!

Aber Capes sind ganz schön gefährlich.

Ach, stimmt, ja. Kein Cape! Ich hab' aber extra ein sehr kurzes Cape. Damit es nicht auf den Boden hängt. Als wir das "Pubertät"-Video gedreht haben und ich das Konzept dafür erstellt habe, hab' ich tatsächlich gesagt: Es darf halt nicht ins Rad kommen. Weil: Da flieg' ich unfassbar aufs Maul, wenn das einfach so eingesogen wird und unter dem Hinterreifen verschwindet ...

Das hätte lustige Outtakes für die DVD-Ausgabe gegeben.

Ja, aber dann hätte ich auch kein Cape mehr. Das hat eine Frau mit der Hand genäht.

Die hätte dir doch noch ein Ersatz-Cape gemacht.

Die arme Frau! Ja, bestimmt. Unter Tränen.

War als kleiner Junge tatsächlich Astronaut dein Berufswunsch?

Ja. Ich war krasser Fan dieser Sendung "Adolars phantastische Abenteuer". Der Typ ist mit einer aufblasbaren Rakete ins Weltall geflogen und hatte immer einen Hund dabei. Deswegen wollte ich immer Astronaut werden. Und wegen der Muppet-Babies. Die waren nämlich auch in einer Folge Astronauten. Dann hab' ich irgendwann "Apollo 13" gesehen und wollte kein Astronaut mehr werden.

Ein Leben, ausgefüllt mit Musik, Fernsehserien und Videospielen erscheint mir auch recht nah an manchem Kleine-Jungen-Traum.

Ich glaube, das ist tatsächlich das Beste an meinem Job: dass ich mir das bewahren darf. Klar, man kann hier nicht von ewig sprechen, aber momentan kann ich mein Leben und, wie mein Tag auszusehen hat, selbst gestalten. Ich hab' nicht von morgens bis abends einen festen Job. Ich hätte damit vermutlich auch ein größeres Problem als andere Leute. Deswegen ist es für mich sehr wichtig, dass es gerade so ist, wie es ist.

Mit knapp 30 kommst du jetzt doch in die Pubertät: ein Schritt hin zum Erwachsenwerden? Siehst du den Punkt am Horizont heraufdämmern, an dem man seine Kindheit langsam mal los- und ein Stück weit hinter sich lassen muss?

Ich glaube, irgendwann muss man das machen, weil das sonst zur Depression führt. Man kann ja nicht ewig versuchen, an alten Sachen festzuhalten. Aber es ist faszinierend: In der Zeit, in der ich diese Platte promotet hab', hab' ich mich mit sehr, sehr vielen Leuten darüber unterhalten, und es sind tatsächlich viele Menschen dabei, denen das genauso geht. Die versuchen, ihre alten Sachen von früher zu rekonstruieren, kaufen sich wieder Zeug und halten nostalgisch an Dingen fest. Vielleicht ist das sogar ein ganz wichtiger Schritt zum Erwachsenwerden, dass man nach hinten kuckt und das alles nochmal würdigt.

Erwachsenwerden heißt für mich nicht, dass man jetzt alles von früher in die Ecke stellt und nie mehr anschaut.

Natürlich nicht. Aber man vergisst es halt. Es gibt bestimmt auch Erwachsene, die, wenn sie dann selber mal Kinder haben, diese dann fast als Alibi benutzen: 'Oh, du bist jetzt ein Jahr alt. Es wird jetzt Zeit, dass du sehr viel Lego besitzt!' Damit sie dann selber nochmal Kind sein können. Das hab' ich schon oft erlebt, dass so "Väter" das ausgenutzt haben. Sie haben SICH Spielzeug gekauft und ihren Kindern hingestellt, das die Kinder eigentlich gar nicht wollten.

So einer sitzt mir im Büro gegenüber. Hat seinen Söhnen gerade Rennauto-Betten gekauft, weil er selber keins hatte, als er klein war.

(Lacht.) Voll viele sind so!

Bei manchem anderen geht das Erwachsenwerden damit einher, dass die Musik wahnsinnig familienfreundlich und furchtbar zahnlos wird.

Dafür war meine einfach nie böse genug. Bei Leuten, die vor zehn Jahren noch angepriesen haben, dass Analsex das Geilste ist, und die jetzt Familienplatten machen, da ist ja der Kontrast viel größer. Weil ich eh schon immer in der Mitte steh', mit diesem Normalen, aber Rotzfrechen, hab' ich gar nicht die Spannweite, um die Leute mit Familienmusik so zu schockieren. Da müsste ich ja wirklich Kindergartenmusik machen, so Rolf Zuckowski-Lieder schreiben. Nee. Dafür schäm' ich mich auch zu wenig für das, das ich gerade mach'.

Du glaubst, um richtig öde zu wirken, muss man vorher richtig böse gewesen sein?

Die Frage ist ja, ob das öde ist, was diese ganzen Leute machen. Ich würde das nicht mal als öde verurteilen. Mein Ding ist es nicht mehr, aber schon lange nicht mehr, bei vielen Leuten. Macht aber nix, weil: Es läuft ja trotzdem bei allen. Is' doch okay. Aber du kannst auch öde gewesen sein und noch öder werden. Wenn du vor zehn Jahren noch schockiert hast, du, was Themen angeht, die Fahne in den Boden gerammt hast, fast schon für Anarchie im deutschen Hip Hop, und du heute Familienleben und Familienglück anpreist, den Zeigefinger hebst und Moral predigst, dann ist das schon ein krasser Kontrast. Es ist vielleicht eine logische Entwicklung. Vielleicht auch Reue dafür, dass man damals zu viel Mist propagiert hat. Aber natürlich sieht es für den Fan, der das alte Zeug mag, aus, als wäre man weich geworden. Oder kommerziell. Ich versteh' den Schritt schon irgendwie. Aber man muss dann einfach mit großem Schwund rechnen. Damit, dass ganz viele alte Leute sagen: Nee!

Gibt ja auch andere Beispiele. Prinz Pi zum Beispiel, der macht ja seit ein paar Jahren 'ne andere Veränderung mit. Das war früher rougher, jetzt ist es aufgeräumter. Da haben ja auch viele Leute ein Problem mit. Die sagen: 'Das ist öde. Der hat sich angepasst. Das ist Kommerz.' Bla, bla, bla. Keine Ahnung. Inzwischen ist Rap auch ein Familienmarkt. Da haben halt ein paar Leute erkannt, dass es sich lohnt, alte Klischees oder auch eigene Eigenschaften über Bord zu werfen, um da nochmal ein bisschen Erfolg mitzunehmen. Das läuft ja bei einigen so auch tatsächlich ganz gut.

Liegt vielleicht auch daran, dass die Fans mit den Rappern erwachsen geworden sind. Die haben inzwischen vielleicht auch Familie und sehen die Dinge anders.

Die meisten sind ja damit auch reich geworden. Wenn du mit so einem relativ entspannten Job einmal reich geworden bist, willst du dir diesen Traum ja auch aufrecht erhalten. Dann denkst du dir nicht: 'Jetzt mach' ich in Aktien' oder 'Ich geh' jetzt nochmal in die Bank'. Man hat ja auch nicht so viele Optionen. Ich sags ja immer: Ich war früher der größte Savas-Fan. Ich find' die Musik seit 'n paar Jahren nicht mehr cool. Aber ich würd' nie zu ihm sagen: 'Mach' wieder Musik wie früher.' Ich meine, der Mann weiß, was er tut. Man kann als Fan immer noch entscheiden: Find' ich den Schritt jetzt gut oder nicht? Aber man sollte nie versuchen, jemandem reinzuquatschen. a) bringt das eh nix, und b) ist es einfach respektlos. Wenn dir die alten Sachen so gut gefallen, dann hör' doch einfach die. Hat ja Jay-Z auch schon gesagt.

Glaubst du, dass eher kommerzielle Erwägungen als Veränderung der eigenen Lebensumstände hinter so einem Wandel stecken?

Ich glaube, das mischt sich. Wenn man gesehen hat, was in den letzten Jahren erfolgreich war ... "Easy" lieferte 'ne Blaupause für viele Sachen, die danach entstanden sind. Das haben Leute begriffen, Musik gemacht, die nicht unähnlich war, und hatten damit auch sehr viel Erfolg. Bisschen Singsang-Hook, bisschen Sample-Beat, bisschen dies, bisschen das. Ja: cool! Ist ja auch nicht immer schlechte Musik. Aber trotzdem sind sie damit in eine andere Richtung gegangen.

Naja. Gerade Singsang-Hooks und Sample-Beats sind ja jetzt nix Neues, sondern ganz und gar klassischer Shit.

Ja, total. Aber trotzdem war es anscheinend nicht simpel genug, als dass ganz viele Leute jahrelang nicht wussten, was sie zu machen haben. Da musste erst Cro kommen und allen erklären, wie scheißeeinfach eigentlich alles ist.

Wenn man auf deine Karriere zurückblickt, besitzt sie mit der von Cro durchaus Berührungspunkte. Hätte deine Platte aus kommerzieller Sicht nicht schon viel früher herauskommen müssen?

Ja. Aber damit hätte ich mir ziemlich sicher auch in die Beine geschossen. Was hättest du denn 2012 neben Cro machen sollen? Was hätte ich denn für eine Chance gehabt? Ich hätte die beste Platte der Welt machen können, und wär' trotzdem ständig in Cros Fahrwasser geblieben. Das erste Vierteljahr des Jahres, als wir diese Tour hatten, stand ich die ganze Zeit hinter ihm. Das erste halbe Jahr, eigentlich. Ich bin da einfach mitgeschwommen. Egal, was gekommen wäre: Es wär' irgendwo in diesem "Raop"-Sumpf versunken. Egal, was ich gemacht hätte, egal, wie der Sound gewesen wäre, egal, was ich erzählt hätte, jeder hätte gesagt: 'Ja, Hipster-Rap.' Ganz viele, zumindest. Dafür bin ich nicht gemacht. Ich bin jemand, der krass seine Autonomie liebt und auf seinen eigenen Status Wert legt.

Für mich war das eine schwere Zeit. Das hat mich auch ganz lange gebremst. Wobei, was heißt 'schwere Zeit' ... Es war natürlich 'ne schöne Zeit, um Gottes Willen! Aber rein zu wissen, wo man stehen wollte und wo man dann stand: Das hat mir nicht gefallen, damals. Da wollte ich unbedingt weg. Dass es jetzt 2014 geworden ist, war nicht das Ziel. Ich hätte das Album gern 2013 schon gebracht. Aber das ging halt nicht anders. Zumindest bin ich jetzt wieder freier. Ich fang' zwar auch wieder weiter hinten an. Der Speicherpunkt, auf den ich zurückgefallen bin, liegt etwas weiter hinten. Aber das macht nichts.

Ich seh' zwischen deiner und der Musik von Cro weder inhaltlich noch musikalisch Parallelen. Kannst du dir erklären, warum du überhaupt diesen Hipster-Stempel aufgedrückt bekommen hast?

Das war halt diese "Neue Reimgeneration"-Nummer. Ich glaube, wenn wir gewusst hätten, was daraus resultiert und welches Bild wir damit nach außen tragen: Wahrscheinlich wär' die Hälfte der Leute da nicht erschienen. Die, die da saßen, waren musikalisch weit auseinander. Jeder hatte so ein eigenes Ding. Olson stand für die melancholischen Sachen, Cro für sein fröhliches Schmunzel-Ding, ich für mein Nerdrap-Ding, und so weiter. Aber für die Jungs waren das einfach nur sieben Spastis in engen Hosen. Es war auch egal, was man danach gemacht hat, es hieß: 'Wah, alle machen jetzt diesen Hipster-Rap.' Unter Videos von mir, die drei Jahre alt waren, stand plötzlich: 'Schon wieder so Hipster-Musik!' und 'Jetzt kommen sie auf einmal alle mit sowas!' Die Leute beschäftigen sich ja gar nicht damit. Es ist ja immer dieses gefährliche Halbwissen, in dem sich solche Leute rumtreiben. Die sehen das, sagen 'Ja, das ist scheiße - dann ist es ja ein Hipster.' Wenn die Leute es nicht verstehen, heißt es: entweder Gangster oder Hipster. Und wir waren halt einfach die Hipster. Das hatte nichts mit der Musik oder den Typen zu tun. So weit hat ja gar keiner gedacht. Es ging nur um die Hose. Ums Aussehen. Und zu dem Zeitpunkt gabs halt nur Straßenrap. Für das andere, das nicht Straßenrap ist, brauchten die Leute irgendein Wort. Hipster.

Wenn Falk geahnt hätte, was er euch allen damit antut, hätte er sich vielleicht überlegt, ob er diesen Begriff "Neue Reimgeneration" raushaut. Vielleicht war das aber auch wirklich einfach ein hilfloser Versuch, ein Etikett für alles zu finden, das eben nicht Straßenrap war.

Ja. Ich glaube, das war keine Absicht. Falk wollte einen coolen Kreis erzeugen. Den einzigen Fehler, den er dabei gemacht hat, ist, dass er es betitelt hat. Ich glaube, wenn er das nicht "Neue Reimgeneration" genannt hätte, wäre es wieder ganz was anderes gewesen. Aber es sah ja so aus, als hätte Mixery Raw Deluxe sich damals hingesetzt und gesagt: 'So! Hier sind jetzt die sieben Neuen!' Wie XXL in den Staaten jedes Jahr die Freshmen kürt. Sowas wollte Falk, glaub' ich, auch. Das Problem war aber, dass er sehr einseitig Leute ausgesucht hat. Hätte er sich noch ein, zwei coole Straßenrapper, was weiß ich, MoTrip oder so, dazu geholt, dann hätte das Bild wieder ganz anders ausgesehen. Aber so natürlich: nur Typen in engen Hosen, die größtenteils noch alle untereinander befreundet sind ... (lacht) Was für ein Quatsch! Ganz viele wollten damals gar nicht erst da hin. Das weiß ich halt auch noch. Da wurden Leute eingeladen, die sagten: 'Was soll ich da? Nö!' Danach haben sich genau die Leute aufgeregt.

Zum Beispiel wer?

Na, das sag' ich jetzt nicht. Da bekomm' ich bloß Stress.

Na, gut. Stress haben wir schon genug.

Ja, mit dem Schweinegesicht.

Der war da eingeladen??

Nö, der war natürlich nicht eingeladen. Ich mein' nur, wegen Stress.

"Ich hab' Kay One nie als angenehmen Typen empfunden"

Dazu kommen wir noch. Erst aber "Neue Reimgeneration": Hat euch inhaltlich irgendetwas verbunden, das es rechtfertigt, euch alle in eine Schublade zu stecken?

Ähem ... (überlegt) Wir gehören ja generell schon alle zu einer Generation, die ungern alt wird und immer darüber jammert. Wobei ... 'jammert' ... Der eine sagt halt: 'Ey, voll schön: Nie wieder Sorgen um Geld!' und der andere 'Sitzen mit Kartoffelschnaps an der Bar und verlieren unsere Jugend'. Im Endeffekt ist die Aussage immer: 'Hauptsache, wir werden nicht alt.' Eigentlich das, das auf "Pubertät" auch thematisiert wird. Ich darf mir jetzt kein Eigentor schießen.

Doch, mach' mal. Bin gespannt, wohin das führt.

Na, wir sind tatsächlich eine Generation von Leuten, die nicht alt werden wollen. Wenn man jetzt mal darüber nachdenkt, ist es so. Aber wahrscheinlich wollen die Gangsterrapper auch nicht alt werden. Wahrscheinlich ist das nicht wirklich der gemeinsame Nenner, den man da suchen kann. Ich weiß nicht. Ich persönlich, ich saß da in dieser Runde, ich komm' mit denen allen gut klar, ich mag die alle, aber es war, wie damals in der Schule. Auch da hab' ich mich schon wie der Außenseiter gefühlt.

"König der Außenseiter".

Ja, wie Schule: eine Menge cooler Typen, und ich fragte mich dauernd: 'Gehör' ich hier eigentlich dazu?'

Soll das heißen, du glaubst immer noch nicht, dass du zu den coolen Typen gehörst?

Ich weiß gar nicht, ob ich das unbedingt will. Auch, wenn ich in Berlin bin und muss dann abends mit coolen Leuten so coole Berlin-Sachen machen, da fühl' ich mich nie hundertprozentig wohl bei. Ich find' das alles nicht so geil wie der Rest der Welt.

Aber du weißt, dass Cool-sein-wollen das größte Hindernis fürs Cool-sein ist?

Ja. Aber wenn ganz viele Leute unter sich sind, die alle cool sein wollen, dann gibts ja keinen Faktor, der das bremst. Dann fühlen sich alle cool in ihrem Versuch, cool zu sein. Wenn ich dann dazu stoße, gar nicht cool sein will und denke: 'Okay, ich kuck' mir das jetzt mal einfach alles an', und mich eher im Hintergrund aufhalte, dann halte ich zwar keinem einen Spiegel vor Augen und sag': 'Ey, ihr seid richtige Lollos, aber ihr wollt jetzt hier richtig derbe cool sein', aber ich sag': 'Nee. Brauch' ich nicht.'

Ja. Find' ich sehr viel cooler. Das ist das gleiche Ding wie mit dem Wahnsinnig-männlich-sein-wollen. Du bist ein Mann, vielleicht kannst dus mir erklären: Wann genau und warum sind eigentlich Markenklamotten, gezupfte Augenbrauen, Sonnenbank und das Gucci-Handtäschchen zum Gradmesser für Männlichkeit geworden?

Da bin ich halt komplett raus. Ich kenn' auch keinen, der so ist. Nur aus dem Fernsehen. Ich kenn' keine Menschen, die so sind. Da halte ich auch sehr kilometerweiten Abstand. Wobei ... gesehen hab' ich viele solche Menschen, auf dieser blöden Echo-Aftershow-Party. Ich finds ganz, ganz gruselig. Da denke ich mir manchmal echt: 'Das ist jetzt ein Mann?' Vielleicht gibts da was, das wir nicht sehen.

Vielleicht liegt das zumindest zum Teil daran, dass wir beide doch ziemliche Landpomeranzen sind.

Das mit Sicherheit. Es ist jetzt nicht wie in so 'nem Film, wo Amish People in die Großstadt kommen und sagen: 'Ooooh, ooooh, hier sind ja hohe Häuser!' Wenn ich nach Berlin fahre, komm' ich schon klar mit der Situation. Wenn ich nach Berlin fahre, oder nach Köln oder nach Stuttgart, find' ich das tatsächlich immer geil. Ich find' auch cool, mal so ein paar Abende mit den richtigen Leuten rauszugehen, und so. Aber mir ist es ganz wichtig, einen Rückzugspunkt zu haben. Das ist halt immer so mein Örtchen, hier. Mein Heusenstamm. Auch jetzt, in dieser ganzen Promophase: Wenn es dann wieder zurückgeht und man fährt durch die Ortseinfahrt, ist man schon manchmal froh. Dadurch, dass man das hat, während andere ja dort bleiben, ist man halt aber immer nur der Typ, der hin und wieder dazu stößt. Das verstehen viele Leute schon nicht, warum ich das mache. Warum ich hier wohne. Für die ist das uncool. Die sagen: 'Das ist doch super abgekapselt vom Rest der Welt.' Ich finds nicht so schlimm. Ich mag das sehr gern. Aber wahrscheinlich liegt das auch daran, dass ich sonst wahnsinnig werden würde. Ich glaub', mir würde 'ne Großstadt gar nicht gut tun, auch vom Charakter her.

Wieso? Was würde sie denn mit dir machen?

(Überlegt) Ich bin sehr ablenkbar. Und ich bin ein Extrem-Mensch. Ich war noch nie extrem im Hinblick auf irgendwelche Exzesse, was Drogen angeht. Ich bin ja drug-free, bis auf meine Ich-kack-auf-Gras-Brownies-in-Amsterdam-ab-Scheiße, meine einzige 24-Stunden-Drogen-Geschichte, die mich danach dazu bewogen hat, nie wieder Drogen zu nehmen. Ich hab' da nicht so Bock drauf, auch kein großes Verlangen danach. Und wenn ich in der Großstadt bin, bin ich dementsprechend auch nicht in sowas involviert und halt' mich davon eher fern. Ich heb' aber nicht den Zeigefinger, weil ich mir immer denke: Soll jeder machen, was er will, aber für mich nicht. Davor hab' ich gar nicht so Angst. Aber ich hab' Angst, abgelenkt zu werden. Von Menschen. Ich erleb' ganz oft, dass Leute, die nach Berlin gezogen sind, dort erst einmal in ein Loch fallen, weil sie einfach überfordert sind mit der Situation. Mit diesem ganzen heute ist das, morgen ist das, wenn du zu den Coolen gehören willst, dann musst du heute da und da hin. Du kannst noch so ein cooler Typ sein, wenn du aus irgendeinem Vorort kommst und ziehst nach Berlin, dann kann dich das erst einmal fressen. Wir bleiben immer bei Berlin hängen, das gilt aber auch für andere Städte. Das ist bei Stuttgart genauso. Großstädte können dich am Anfang fressen und ausspucken. Davor hab' ich Angst, weil ich eh schon ein Mensch bin, der manchmal länger braucht als andere. Dann würde ich noch länger brauchen. Vielleicht würde mir das mehr schaden als gut tun.

Dann könnten wir mit dem nächsten Album 2019 rechnen. Wenn man sieht, auf wie vielen Baustellen du tanzt, befürchte ich aber, dass es ohnehin nicht viel schneller geht.

Das wird viel schneller gehen, glaub' ich.

Aha?

Ich stell' jetzt gerade schon das Team zusammen. Das letzte Mal wars ja wirklich 'ne Sound-Findungsphase. Diesmal hat man schon eine Grundlage, an die man anknüpfen kann. Thematisch hab' ich auch schon eine Idee, und wir haben eine viel bessere Infrastruktur als nach "Nerdrevolution" - damals hatten wir gar keine. Die Infrastruktur, die diese Platte jetzt auf Vordermann gebracht hat, auch mit Cover und Sound mischen und was weiß ich, die haben wir uns ja erst im letzten Dreivierteljahr erstellt. Damit kann man wunderbar weitermachen, weil das alles ganz großartige Menschen sind. Ich glaube, damit kann man sehr viel besser, viel konzentrierter und fokussierter arbeiten, als das bei "Pubertät" der Fall war. Zwischen "Nerdrevolution" und "Pubertät" gabs schon große Löcher. Nicht nur musikalisch, sondern auch organisatorisch, wo man sich fragte: 'Wie gehts jetzt überhaupt weiter?' Diese Fragen stellen sich alle nicht mehr.

Bei deinem neuen Label wirst du demnach erst einmal bleiben?

Ach, ich bezieh' das gar nicht nur aufs Label. Das ist zwar auch eine sehr gute Situation, weil die sehr entspannt sind. Hab' ich schon mehrfach gesagt. Es klingt immer, als würde ich denen Zucker in den Arsch blasen wollen, aber ich finde: In Sachen künstlerische Freiheit sind die ein Traum. Sie haben mir einfach nie reingeredet. In keins der Videos, nicht bei der Platte ... Egal, bei welchem Label wir saßen, mit der Premix-Platte, überall hieß es: 'Ja, das ist schon alles ziemlich super - aber da und da kann man noch das und das machen, und da vielleicht noch 'n Feature, und da das ...', und ich immer so: 'NEIN!! Ich komm' zu euch, weil ich euch was zeigen will, weil ich der festen Überzeugung bin, dass das so, wie wir das zusammenfügen schon richtig ist, und wir müssen jetzt einfach noch coole Sachen drum herum basteln, wie Videos und sonstwas.' Embassy Of Music waren die einzigen, die gesagt haben: 'Wir nehmen das so. Hier sind Budgets. Mach' mal Videos und gib uns die dann fertig.' Das fand ich cool. Die haben es kapiert, die haben dran geglaubt: Das ist eine sehr schöne Luxussituation. Das halte ich ihnen sehr, sehr, sehr zugute. Ist jetzt natürlich alles noch nicht spruchreif. Die müssen natürlich auch erst kucken, wies weitergeht. Mal schauen.

Aber ich meinte vorhin auch alle anderen Beteiligten. Da ich alle Freiheiten hatte, sind das ja alles Leute von mir, die ich mir da zusammen gesucht habe. Freunde, mit denen ich schon seit Jahren zusammengearbeitet habe, die jetzt aber auch in andere Prozesse eingebunden worden sind. So hat man sich dann irgendwie eine ganz eigene kleine Struktur aufgebaut, so eine Art eigenes festes Team. Die haben nicht nur jahrelang Gelaber gehört, sondern können jetzt auch mal ein festes Resultat in der Hand halten. Die tragen da vielleicht auch noch mal eine ganz andere Motivation davon als am Anfang, wo wir immer nur gesagt haben: 'Ja, vielleicht machen wir irgendwann mal das und das.' Jetzt sehen sie: Wir habens gemacht - und jetzt gehts weiter.

Klingt gut. Das erste Mal hab' ich dich als Reaktion auf eine deiner Kolumnen bei Gameswelt kontaktiert: "Ich hoffe, du schreibst ein Buch." Machst du das endlich?

Ja. Ich schreibe ein Buch.

Wann kommts?

Ich glaube, 2014 nicht mehr. Aber für 2015 siehts gut aus. Darüber mag ich aber noch nichts erzählen. Ich hab' inzwischen auch noch ein zweites angefangen. Ich liebe ja schreiben, ich muss auch unbedingt wieder Kolumnen schreiben, aber ich kam halt einfach das letzte halbe Jahr, oder zumindest die letzten drei Monate nicht dazu. Ich mach' ja sehr viel selber, auch organisatorisch. Der Vorteil, über den wir gerade gesprochen haben - künstlerische Freiheit und alles selber machen dürfen - ist halt auch der Nachteil: Man muss an anderen Baustellen auch mal die Schaufel liegen lassen können. (Ach, hab' ich das schön gesagt!) Deswegen lag die Schreiberei in den letzten Monaten auf Eis. Musste einfach sein, sonst hätten andere Sachen gelitten. Ich musste zum Beispiel einfach hundert Prozent Herzblut in so ein "Astronaut"-Video stecken. Aber wenn sich das jetzt alles wieder beruhigt, dann gehts weiter. Ich werd' dann mal 'ne Weile wegfahren. Ich fahr' zum Schreiben ja immer nach Holland. Da werd' ich dann mal hinfahren, mir mein MacBook auf den Balkon stellen, aufs Meer kucken, einen Kaffee schlürfen und ein bisschen schreiben.

Stichwort "Astronaut"-Video, sag' doch mal: Warum bist du so garstig zu Kay One? Er will nett sein, postet deinen Clip, und du wünschst ihm die Grippe an den Hals.

Das waren doch ganz alte Sachen, die rapupdate da ausgegraben hat! Aber ... ganz ehrlich? Ich bin ja ein Gewissensmensch. Egal, wie blöd ich ihn finde: Das hat mir schon Leid getan. Ich hätte aber auch ganz ehrlich nie gedacht, dass der Typ mal ein Video von mir sieht und es gut findet! Der Kerl, der den ganzen Tag irgendwo sitzt, nie seine Sonnenbrille abnimmt! Ich stell' mir sein Leben ja so vor: Er sitzt irgendwo, und es passieren die ganze Zeit nur krasse Sachen. Dass irgendwelche Leute Champagne poppen und irgendwelche Weiber um ihn tanzen. Dann sieht er so einen Kerl wie mich, ein Video mit mir. Da läuft ein unrasierter, unförmiger Typ im Astronautenanzug rum und singt irgendwelchen Scheiß. Ich dachte, der hasst mich von tiefsten Herzen, nur wenn er mich sieht. Das der das auf einmal gut findet, damit war ja nicht zu rechnen! (Lacht) Eigentlich hab' ich ja nur versucht, mich im Vorfeld dagegen zu wehren, was irgendwann mal von ihm kommen wird. Aber das ist jetzt irgendwie anders gelaufen als geplant.

Präventiv-Gemeinheiten??

Sozusagen. Ich hatte die Geschütze schon aufgestellt.

Nee. Du hast sie schon mal abgefeuert.

Ja. Stimmt.

Das bedauerst du jetzt?

Hm. (Pause) Er wird schon damit klar kommen. Ich glaube, ihm ist es am Ende des Tages auch scheißegal.

Weiß nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass Kay One zu der nachtragenden Sorte gehört.

Vielleicht. Er ist eben ein bisschen anders als der Rest. Aber das ist ja auch okay. Das hat ihn ja auch bekannt gemacht.

Na, in erster Linie haben ihn ja andere Aktionen bekannt gemacht.

Also, ich kenn' ihn ja schon wirklich superlange. Der war doch früher bei ... wie hießen die denn?

Chab Life.

Chab Life, genau. Ich hatte von denen eine Platte, auf Vinyl. Vom Royal Bunker gekauft. Die haben ihm ja damals schon eine große Zukunft vorausgesagt, vor zehn Jahren. Als Eko noch diese "Dünya Dönüyor"-Platte gemacht hat, hat er ja auch noch für ihn die Hand ins Feuer gelegt. Eine gewisse Kredibilität war da. Weil Kay One auch technisch damals saukrass war. Egal, was man nun von ihm halten mag, muss man doch immer sagen: guter Rapper. Was er für mich halt einfach von Anfang an ausgestrahlt hat, dazu steh' ich auch, war 'ne gewisse Unsympathie. Ich hab' den nie als einen angenehmen Typen empfunden. Aber er hat ein paar Hits. "Style & Das Geld" und "Multimillionär" waren auf jeden Fall richtige Knaller. Das letzte Album war halt jetzt zu viel Taio Cruz. Und zu viel David Guetta. Aber dafür scheint es ja auch eine Zielgruppe zu geben.

Warum auch immer.

Ach, es gibt so viele seltsame Sachen auf der Welt, die haben wir in unserem Mikrokosmos gar nicht auf dem Schirm. Leute, die das richtig geil finden. Ich glaube außerdem, wenn man Leuten ganz lange irgendwas erzählt, dann glauben sie das auch irgendwann. Wenn du den Leuten dauernd erzählst, wie geil das ist, abends in Clubs abzuhängen ... Für mich klingt das immer noch nach einer Welt, die es in Deutschland gar nicht geben kann. Aber anscheinend gibts die ja. Oder sie wurde einfach gegründet, weil man es jetzt so lange gesagt hat. 'Was? Wir brauchen leuchtende Belvedair-Flaschen? Dann machen wir das!' Es ist tatsächlich eine Welt, in der ich mich null auskenne. Ganz davon abgesehen, dass ich mich darin gar nicht sehen könnte, nicht im Ansatz. Ich weiß noch nicht mal, ob es diese Welt so in der Form wirklich gibt. Aber anscheinend ja schon.

Na, angeblich gibts in Deutschland ja auch Gegenden, in denen man sich drei Kugeln einfängt, wenn man nur die Straße langgeht. Hab' ich in der Form auch noch nicht gesehen.

Stimmt ... ich auch nicht. Wobei ... die gibts bestimmt irgendwo.

"Da drüben gibts viel bessere Wurst, du Hurensohn!"

Aber nicht in Marzahn. Nochmal zurück zu deiner Platte: Erst im Nachhinein ist mir die komplette Abwesenheit von Features aufgefallen. Mir hat gar nichts gefehlt.

Danke. Mir auch nicht. Das hat ja auch einen Grund: Ich find' Features scheiße. Wenn man versucht, eine Geschichte zu erzählen oder einen Charakter darzustellen, tragen nur ganz wenige Features einen sinnvollen Teil dazu bei. Ich habe kein Feature gesehen, das das für diese Platte getan hätte. Features sind entweder Jungs, die einfach Bock aufeinander haben. Sowas find' ich immer cool, dabei entsteht auch gute Musik. Zum Beispiel Ahzumjot und ich, wir machen immer zusammen Musik, haben auch Spaß dabei, das würde man auch hören. Und es gibt Features, die helfen sollen. Die sagen: Kuck' mal, ich hab' jetzt ein Feature mit ... öhm ... Also, wenn zum Beispiel Savas früher irgendjemanden gefeaturet hat, dann hab' ich mir das aus Prinzip angehört und hab' so vielleicht auch neue Rapper kennengelernt. So hat man ja damals zum Beispiel Eko kennengelernt. Ich glaube aber, dass es den Mechanismus in der Form heute einfach nicht mehr gibt, dass Features relativ egal sind. Ich hab' viele Leute erlebt, die hatten den, den, den und den auf ihrer Platte drauf, und es hat trotzdem keinen Schwanz gejuckt - und sie hatten sehr viel Geld für blöde 16er ausgegeben. Da denk' ich mir immer: Ey, Jungs, hättet ihr mal mehr Geld für gescheite Musik verwendet, wär' es für alle Beteiligten gewinnbringender gewesen. So ist es einfach nur: 'Höi, wir haben Geld! Wir geben es aus! Für zweitklassige Rapper, die wir uns auf die Platte schreiben können.' Das wollte ich nicht. Ich hätte natürlich auch lange mit irgendwelchen Leuten reden können. Dann hätte ich bestimmt auch ein, zwei Namen mit drauf packen können. Aber was hat jetzt Rapper XY aus Berlin mit meiner Jugend zu tun? Nix! Wenn er nicht gerade mein größtes Idol war. Aber irgendwelche Freunde aus den letzten fünf Jahren hätten da keinen Sinn drauf ergeben.

Ich dachte mir neulich erst bei Farid Bang: Die Ami-Features, die er sich da eingemarktet hat und die völlig zusammenhanglos in dem Track standen, die hätte er sich genauso gut sparen können.

US-Features kaufen ist ja eh Quatsch. Wobei ... Eko hat sich damals die Outlawz gekauft. Das war für ihn ein krasser Traum. Dann ist das vielleicht sogar wieder okay. Bei ihm weiß man einfach, er ist ein riesiger Tupac-Fan. Aber in der Regel ist das doch Quatsch. Es gab ja auch mal 'ne Zeit, wo sich alle ganz viele Dipset-Feature gekauft haben. Gerade in den 05er/06er Jahren haben sie dann aber nicht die krassen bekommen, nicht Santana oder Camron, aber dafür Hell Rell. Die B-Ware der Dipset-Menschen. Also, wie gesagt: Ich bin kein Feature-Fan. Ich hör' selber auch gar nicht gern Features, weil man oft hört, dass sie nicht mit Liebe entstanden sind. Ich wollte das auch nie wieder machen. Es hat sich dann tatsächlich bei der "#hangster"-Platte ergeben, dass ich ein Feature mit Hengzt und Teesy gemacht habe. Das war für mich als alter Hengzt-Fan cool, aber ich hätt' es gern mit ihm zusammen aufgenommen. Aber es hat zeitlich nicht geklappt, dass wir zusammen ins Studio gehen. Deswegen war das so ein Distanz-Ding. Das war schade. Eigentlich ist das nicht mein Stil. Aber weil Psaiko.Dino auch ein alter Freund von mir ist, hab' ich es halt gemacht. Ich fand die Idee schön, aber tatsächlich den Entstehungsprozess ... schade. Anders wär' es vielleicht noch geiler geworden.

Bei Psaiko.Dino ergeben die Features ja auch wieder Sinn - auf einem Produzentenalbum.

Klar macht das Sinn, da. Trotzdem sag' ich: Ich find' nicht cool, wie es gemacht wurde. Ich red' nur von unserem Song. Weil ich halt auch gern mit den Jungs ins Studio gegangen wäre, mit den drei anderen. Mit Markus, Teesy und dem guten Hengzt. Es ist ja auch nicht so, dass wir das nicht versucht hätten. Aber zeitlich war es einfach nicht drin.

So, lass' mal sehen. Dein Album hatten wir. Du schreibst ein Buch, noch ein Buch, bald wieder Kolumnen ... Irgendwo hab' ich gelesen, dass du deine Standup-Comedy-Scharte noch auswetzen willst. Gibts dafür schon konkrete Pläne?

Dieser Vorfall damals hat ja jetzt Zehnjähriges. Eigentlich wärs perfekt, im November 2014, nach zehn Jahren, endlich reinen Tisch zu machen, weil: Das ist echt etwas, das mich beschäftigt. Das Kapitel hab' ich nie ganz zumachen können. Hätte ich gerne. Irgendwann muss ich diese Schande wirklich noch überwinden. Ich hab' damit ja auch auf die Familienehre gespuckt, indem ich da verkackt hab', auf der Newcomerbühne im Quatsch Comedy Club. Nachdem an dem Abend auch noch Cindy aus Marzahn gewann, bin ich wahrscheinlich auch noch für Cindy aus Marzahn verantwortlich, womit ich der Welt keinen Gefallen getan habe. Das ist echt krass: Ich hab' die damals gesehen, und zwei Jahre später mach' ich den Fernseher an, da hat die 'ne eigene Show! Ach, du lieber Himmel. Verrückt!

Ja, so gehts. Wenn du es damals gerissen hättest, könntest du heute Assistentin bei "Wetten, Dass..?" sein.

Stimmt. Mit Gottschalk ... nee! Mit Lanz zusammen. Ach, wär' das schön! Der Lanz und ich ...

Stichwort Familienehre: Gabs damals Mecker von Papa?

Da gabs tatsächlich Mecker. Da sind ja alle extra hingefahren. Badesalz haben am Tag vorher gespielt. Die sind alle extra länger geblieben, das komplette Team, die komplette Technik. Das war das Badesalz-Programm, wo sie nicht zu zweit, sondern zu viert waren. Papa und Gerd und die beiden anderen und das ganze Team, die sind alle da hingekommen. Kennst du die Szene aus "Bad Grandpa", wenn der Junge am Ende strippt? Dann kucken ja alle in der Jury ganz schlimm, reißen die Augen auf und versuchen, wohlwollend zu lächeln, aber sind innerlich einfach nur so 'Wir wollen ganz schnell weg hier!' So haben alle da am Tisch auch gekuckt, als ich da oben auf der Bühne stand und ganz schlimme fünf Minuten geredet hab'.

Oh. Da sitzt der Stachel aber noch tief im Fleisch.

Ey, als wär' es gestern gewesen! Ich kann mich immer noch so krass an diesen Tag erinnern. Ich werds nie vergessen. Das war so schrecklich.

Okay, schlimmer kanns ja kaum werden. Aber wäre der Druck beim zweiten Versuch nicht noch größer?

Das Ding ist einfach, dass inzwischen viel passiert ist und dazwischen jetzt auch 'ne gewisse Bühnenerfahrung liegt. Auch eine gewisse Redeerfahrung. Keine Ahnung. Ich glaube, es würde mir so in der Form einfach nicht mehr passieren. Selbst wenn, würde ich heute auf der Bühne anders damit umgehen. Ich hatte ja auch den Text vergessen. Damals hab' ich darauf sehr dumm reagiert: Ich hab' mich beim Publikum entschuldigt, dass ich gerade jetzt meinen Text vergesse. Das ist ja das Todesurteil für jeden Künstler! Da krieg' ich heute noch Gänsehaut, wenn ich das erzähl'. Heute würde mir das so, in der Form, nicht mehr passieren, weil ich mir einfach denke: Ich wüsste, wie ich damit umzugehen habe. Bisschen mehr, zumindest. Obwohl ich heute immer noch manchmal auf Konzerten ganz schlimme Zwischenansagen mache.

Freestyle ist nicht so dein Ding?

Ey! Ich hab' mal eine Freestyle-Battle gewonnen! Aber das war ganz am Anfang von meiner Karriere ... also, meiner "Karriere", in Anführungsstrichen, 2005 in Aschaffenburg, auf so 'ner Freestylebattle. Das war krass gut, mein heiliger '8 Mile'-Moment. Da hatte ich echt Glück, an dem Abend, weil mein Kopf irgendwie korrekt drauf war. Aber wenn das scheiße gelaufen wäre, hätt' ich mich auch schnell blamieren können. Eigentlich bin ich tatsächlich kein Fan vom Freestylen. In erster Linie, weil es mir nicht liegt. Ich brauch' manchmal 'ne Sekunde länger. Merkt man ja auch daran, wie lange ich brauche, um ein Album zu schreiben. Nee, ich würde dann relativ schnell viel Mist erzählen. Noch mehr Mist, als sonst schon. Das können andere besser, das mit dem Freestylen. Ich find' auch Interviews schwierig. Man hat nur diesen einen Schuss. Wenn man da mal was Dummes sagt, dann ist es ja einfach da. In schriftlicher Form gehts noch. Aber gerade in Videoform ... schwierig!

Noch einmal zurück zu "Astronaut": Das Video gefällt ja nicht nur Kay One. Manche mögen es aber auch weniger. Irgendwo hab' ich den Kommentar gelesen, sowas sei "ja okay, wenn man einen konkreten Popsong machen" wolle. "Aber so viel Kitsch muss es ja dann nun wirklich nicht sein."

Doch. Ich find', Kitsch ist total wichtig.

So kitschig fand ich das gar nicht.

Ich fands megakitschig. Ich hab' beim Drehbuchschreiben gelacht. Aber ich fands trotzdem geil. Ich bin jemand, der krass darauf achtet, Peinlichkeiten zu vermeiden. Ich weiß, dass die Szene mit der Hand und dem Kleinen, wenn ich gerade mein kleines Ich verabschiede, die Rakete startet, und wenn ich am Ende aus dem Fenster kuck' und nochmal dieser Streif über den Himmel geht - das ist purster Kitsch. Aber das ist halt guter Kitsch. Es ist unpeinlich. Find' ich. Ich finde, das ist ein sehr, sehr schönes, stimmiges Video geworden. Ich bin mir völlig der Wirkung bewusst, auch in Kombination mit dem Song. Es ist 'ne ganz andere Schiene als das, was man so in letzter Zeit von mir gehört hat. Ist aber nichts Neues, hatte ich früher schon, so 2007. Gib mal "Weit Weg" ein, das ist einer der schlimmsten, ekelhaftesten Kitschsongs, die ich je gemacht habe. Der ist mir im Gegensatz dazu mal echt peinlich. Das war so ein richtiges schmieriges Liebeslied mit Gesang. Das ist einfach nur eine der vielen Facetten, die an Max festzumachen sind. Da gibts halt nicht nur den Witzigen, hohoho, da kommt einer mit dem Moped angefahren. Sondern da gibts auch noch 'ne andere Seite. Ich find' das interessant und auch voll wichtig, dass man von einem Künstler zwei, drei Seiten sieht, und nicht nur eine.

Man ist ja auch nicht jeden Tag gleich gelaunt.

Aber das ist ja, was die Leute immer erwarten. Die wollen immer wieder den Aufguss vom Aufguss.

Du hast bei MySpace angefangen?

Ja, 2006.

Das heißt, du bist mit den Gepflogenheiten dieses ... Internets quasi groß geworden. Dass jeder seinen Kommentar in die Anonymität rotzen kann, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Kannst du mit so Anfeindungen umgehen?

Zum größten Teil les' ichs nicht mehr. YouTube-Kommentare erspar' ich mir komplett. Zu "Superheldenanzug" hab' ich drei Kommentare gelesen. Auf einen hab' ich geantwortet. Da dachte ich mir dann wirklich so: 'Nee. Das kannst du nicht machen, weißte selber. Du kannst doch jetzt nicht anfangen, zu antworten, Alter! Bist du behindert?' Dann hab' ichs gelassen, weil: Es ist so belanglos, wenn irgendwelche fremden Menschen, die alle wahrscheinlich auch alle noch minderjährig sind, die wahrscheinlich noch nicht mal wissen, was sie da machen, Arbeit anzweifeln beziehungsweise in Sekunden über Sachen verletzend urteilen, sie als 'schwul' abtun oder sonst irgendwas ... Vom Vokabular mal abgesehen: einfach völliger Scheiß! Braucht man sich das geben? Das verletzt dich auch alles. Wenn du mich fragst, ist alles, was da steht, nichts mehr wert. Du arbeitest drei Jahre, und dann kommt irgendein kleiner Lutscher und beleidigt dich. Ich geh' ja auch nicht zum Bankschalter und sag': 'Also, beim letzten Mal haben Sie wesentlich besser gearbeitet. Tschüss!' Man müsste eigentlich einen Videoblog machen: Man findet raus, wo Hater arbeiten ... ey, das wäre ein unfassbares Format! Man findet raus, wie der Hater heißt, wo er arbeitet, geht hin und kritisiert einfach mit einem Satz seinen Job.

Ja! An der Wursttheke: "He, das ist ja totale Scheißwurst, die ihr hier verkauft!"

"Da drüben, da gibts viel bessere Wurst. Tschüß, du Hurensohn."

Wir sollten das machen.

Wir müssten dafür nur relativ viele Rechte verletzen, weil wir sämtliche IP-Adressen knacken und irgendwelche Datenschutzdinger umgehen müssten, um zu kucken: Wo arbeitet die Person. Aber ... eigentlich ist es perfekt.

Wenn auch vermutlich juristisch tatsächlich nicht zu machen.

Wir können uns ja an der Vorstellung wärmen. Zu den Kommentaren: Ich muss mal generell sagen, dass ich glaube, dass viel mehr Leute verletzt davon sind, als man es vermutet. Du kannst tausendmal lesen: 'Geile Show', aber wenn dann einer schreibt: 'Das war ein schlechtes Konzert, du hast mich heute Abend richtig enttäuscht, wo ich doch schon Jahre von dir Fan bin', dann gibt es immer noch Leute, auch große Künstler, die das trifft. Darüber denkst du mehr nach, als über die Tausend, die sagten, sie fanden es richtig krass.

Komisch, eigentlich. Warum ist das so?

Weiß ich nicht. Vielleicht, weil man es allen recht machen will? Oder weil alte Fans irgendwie die Instanz sind? Ich weiß es nicht. Ich verstehs nicht. Tatsächlich hab' ich gestern einen Kommentar gelesen, wo jemand schrieb, das Rockstah-Album sei überraschend scheiße. Zu viel Prinz Pi, zu viel Casper. Bla, bla, bla. Das ist ein alter Fan, der bei mir schon viel im Shop gekauft hat. Der hat mir das nicht privat geschrieben, der hat das für sich in die Anonymität des Internets gehackt. Relativ großkotzig für einen 19-Jährigen. Da dachte ich mir auch kurz: 'Hmm. Haste vielleicht was falsch gemacht?' Ganz kurz, eine Sekunde, hab' ich das gedacht. Dann dachte ich mir aber: 'Nee. Der ist einfach ein Idiot, der hat es einfach nicht verstanden.' Ich hatte ja inzwischen bestimmt über tausend Urteile zu dieser Platte, auf Twitter, auf Facebook und sonstwo, entgegen geschleudert bekommen, und die sagten zu 95 Prozent: 'Das ist gut.' Auf Twitter war die größte Beleidigung: 'Ich find' die Platte ganz okay.' Das ist ja eigentlich ein ganz gutes Zeichen, am ersten Wochenende. Wenn von den tausend Leuten 800 gesagt hätten: 'Das ist scheiße', dann mach' ich mir auch Gedanken. Aber wenn von den Tausend 950 sagen: 'Ich finds gut', und die anderen 50 so: 'Nö, is' nich' mein Fall, is' mir zu wenig Videospiele', na, gut. Dann ist das halt so.

Das ist ja auch in Ordnung. Etwas, das alle gut fänden, käme mir ja auch irgendwie gruselig vor.

Total. Aber, wie gesagt: Was so alte Fans sagen, kann einen schon ab und zu zum Nachdenken anregen. Aber alte Fans haben ja auch manchmal so eine gewisse Verbitterung und schnell eine Anti-Haltung. Wenn du gerade noch nicht so bekannt bist, und sie sind Fans, dann nehmen sie sich das Recht heraus, dass du "ihr Künstler" bist. Wenn du dann bekannter wirst, dann sagen sie entweder dauernd: 'Ja, aber ich kannte den schon vorher!!' Oder, wenn sie merken, sie können sich jetzt nicht mehr hundert Prozent damit identifizieren, oder zumindest nicht mehr ganz so wie zuvor, dann ist es ja auch ganz geil, anti zu sein. Wenn alle dafür sind, zu sagen: 'Nee! Ich find' den jetzt scheiße!'

Man verliert als alter Fan natürlich auch seine Exklusivität, wenn jetzt plötzlich jeder geil findet, was eben noch der Geheimtipp war. Sieht man ja gerade auch bei Alligatoah. Dessen alte Fans wollen den ganzen neuen Mädels, die den jetzt toll finden, am liebsten auf die Schnauze hauen. Statt dass sie sich freuen, dass ihr Alligatoah jetzt endlich mal Kohle macht.

Aber das versteh' ich nicht! Wieso können die sich denn nicht bei sowas mitfreuen? Alligatoah ist da ja noch ein besonderes Beispiel. Der hat darüber ja sogar einen Song, "Meine Band", der auch noch extrem gut ist. Damit hat er schon im Vorfeld, kilometerweit vor seinem Hype, der ganzen Sache jegliche Luft aus den Segeln genommen. Das ist doch Quatsch, einfach dumm. Ich hab' mich immer gefreut, wenn Künstler von mir in eine größere Halle gekommen sind. Klar, wenn du einen Lieblingskünstler hast, du hängst dein Herz dran und siehst ihn vor 50 Leuten in irgendeinem Pissclub ... da erinnere ich mich immer gern daran: 2001? Nee, noch viel früher, 1998 oder so, da hat Eminem vor 60 Leuten in der Batschkapp in Frankfurt gespielt, und neben ihm ist die ganze Zeit so ein Typ mit Pilzkopf auf der Bühne rumgerannt und hat Joints ins Publikum geworfen. Das war ein Eminem-Konzert vor 17 oder 18 Jahren.

Ja. Voll scheiße, dass der jetzt nicht mehr so Underground ist.

Voll scheiße, dass der nicht mehr in der Batschkapp spielt, sondern im Waldstadion. Keine Ahnung! Ich weiß nicht mehr, wie bei Casper gerade die Diskussion aussieht, aber es ist doch geil: Ich kenn' einen Kerl vom kleinsten Jugendhaus bis jetzt, in 20.000er-Hallen. Das ist doch voll geil. Wie kann man denn da sagen: 'Nee, das ist scheiße'?

[Über manigfaltige Umwege kommen wir irgendwie auch noch aufs Thema Deutschrap.]

Mit Deutschrap hab' ich eigentlich nicht mehr so viel am Hut. Das hat nichts damit zu tun, dass ich ein ignoranter Wichser bin, der sagt: 'Öy, ich hör' gar keinen Deutschrap!', wie das andere Leute machen. Ich hab' immer sehr gern Deutschrap gehört. Für mich ist es aber tatsächlich sehr schwer, mich da aufzuhalten, wo ich selbst die ganze Zeit bin. Ich kann das nicht mehr so genießen, wie früher. Wenige Deutschrap-Sachen kann ich noch genießen - dann noch eher etwas, das weiter weg von mir ist. Hafti, Shindy, Ssio, solche Geschichten. Das kann ich gut hören, weil es sich einfach nicht so in meinem Dunstkreis aufhält. Bei allem, das aus meinem Dunstkreis kommt, wird es schwieriger.

Dein Dunstkreis?

Ja, alle die Leute, mit denen ich mich im letzten Jahr umgeben, mit denen ich gearbeitet habe. Man hört ja alles mit einer gewissen Wertung. Manche Sachen hört man ... wohlwollender, weil man denkt: 'Ja, den mag ich total gern.' Ich hab' zum Beispiel neulich die neue Ahzumjot-Platte gehört. Die ist wirklich sehr, sehr gut. Aber ich würde halt auch nie sagen: 'Die ist superscheiße.' Das würde von der brüderlichen Verbundenheit her gar nicht gehen.

Eins noch: Du musstest nicht wirklich bei SDP abschreiben, oder?

Nee. Das war wirklich ein dummer Zufall. Ich wollte schon ganz alleine Astronaut werden. Ist zwar doof, aber ich glaube, sie werden es überleben, ich werde es überleben. Alles ist gut.

Alles ist gut, genau. Nach zwei Stunden beschließt Rockstahs Telefon, es reiche jetzt wirklich, und kappt die Verbindung. So nicht! Der Rückruf, um sich wenigstens anständig zu verabschieden, dauert dann eine weitere knappe Stunde. Danach wissen wir alles und noch ein bisschen mehr - und haben Fransen am Mund. Bis zur nächsten Platte sollte sich das aber gelegt haben. Dann machen wir das gleich nochmal.

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