17. Juli 2013

"Geoff Tates Vorgehensweise ist mir suspekt"

Interview geführt von

Prügelattacken, Spuckwettbewerbe und wilde Wortgefechte übers Internet: Die zwei Queensryche-Fraktionen sorgten in der Vergangenheit eher abseits der Bühne für Schlagzeilen. Nun soll die Musik wieder im Vordergrund stehen. Geoff Tate machte den Anfang. Die Antwort der Opposition ließ nicht lange auf sich warten: Ende Juni veröffentlichten auch die Herren Todd La Torre, Michael Wilton, Scott Rockenfield, Eddie Jackson und Parker Lundgren ihr 'Debütalbum'.Nach diversen verbalen Auseinandersetzungen gehts im Hause Queensryche endlich musikalisch zur Sache. Ende April 2013 setzte Sänger Geoff Tate mit "Frequency Unkwon" den ersten Hieb. Schmerzen? Fehlanzeige. Der musikalische Erstschlag erinnert eher an Francois Botha als an Mike Tyson. Zwei Monate später setzten die verbliebenen Ur-Mitglieder mithilfe des ehemaligen Crimson Glory-Sängers Todd La Torre zum Konter an. Und während Tate bereits in der ersten Runde taumelnd durch den Ring stolpert, präsentieren sich Scott Rockenfield und Co. in bester Verfassung. Wir trafen uns mit Sänger Todd La Torre zu einem kurzen Plausch über seinen Einstieg, respektloses Verhalten und Terence Trent D'Arby.

Hi Todd, du bist jetzt seit ungefähr einem Jahr dabei. Wie sind deine Eindrücke?

Todd: Es ist toll. Ich bin zufrieden, die Band ist zufrieden. Was will man mehr? Ich wurde damals super aufgenommen und brauchte nicht lange, um mich einzugewöhnen.

Michael Wilton kam seinerzeit auf dich zu, richtig?

Ja. Wir trafen uns das erste Mal während der NAMM-Convention in Anaheim. Dort quatschten wir ein bisschen und tauschten schließlich E-Mail-Adressen aus. Als dann Geoff die Band verließ, meldete sich Michael bei mir und fragte, ob nicht Lust hätte, den freien Posten zu übernehmen.

Kurz überlegt?

Nein, keine Sekunde. Ich habe sofort zugesagt.

Im selben Moment hast du unweigerlich einen Schlussstrich unter das Kapitel Crimson Glory gezogen.

Ja, das habe ich. Aber ich kann dir sagen: Dieser Schritt war längst überfällig.

Warum?

Ich war gerne in der Band. Aber es passierte einfach zu wenig. Es wurde kaum geprobt, es fand keine richtige Kommunikation statt und von einem Studioaufenthalt waren wir meilenweit entfernt. Ich meine, ich habe so viel Energie in mir. Ich singe, spiele Schlagzeug und schreibe Songs. Das ist mein Leben. Wenn man aber keine Möglichkeit hat, all das rauszulassen, was in einem steckt, dann staut sich irgendwann ziemlich viel Frust an. Da kam die Anfrage von Queensryche natürlich wie gerufen. Von Anfang an habe ich gemerkt, dass bei den Jungs ein ganz anderer Wind weht. Da war Feuer drin, das Verlangen etwas Großes auf die Beine zu stellen. Ich bin ein großer Fan der Band. Für mich ging ein Traum in Erfüllung.

"Ich finds einfach nur traurig und respektlos"

Kurze Zeit später standest du mit den Jungs schon auf der Bühne. Wie war das für dich?

Aufregend, keine Frage. Aber ich war nicht nervös, wenn du das meinst. Ich habe ja schon vorher auf großen Bühnen gestanden (lacht). Es war einfach ein tolles Gefühl. Ich stand plötzlich mit Leuten auf der Bühne, zu denen ich aufsehe und durfte Songs singen, die jahrelang bei mir zuhause auf Rotation liefen. Das war schon cool. Und wenn ich jetzt daran denke, dass wir demnächst mit neuen Songs auf Tour gehen werden … Schön, einfach nur schön.

Apropos neue Songs: Euer selbstbetitelter "Erstling" erscheint Ende Juni 2013. Ich war, ehrlich gesagt, ziemlich überrascht, als ich die Songs das erste Mal hörte. Sofort kamen Erinnerungen hoch, an Zeiten, in denen Geoff Tate noch auf höchstem Niveau agierte.

Oh, vielen Dank. Das freut mich. Ich habe Geoffs Stimme immer verehrt.

Hast du sein neues Album schon gehört?

Einige Songs, ja. Aber nicht alles.

Und?

Nun, es gab einen Song – mir fällt leider der Titel gerade nicht ein – der mir ganz gut gefiel.

Und die anderen?

Hm … Wie findest du es?

Furchtbar.

(lacht)

Ich war wirklich geschockt. Vor allem die Neuinterpretationen der alten Klassiker sind eine Frechheit.

Ich bin generell ein Gegner von Aufgewärmten. Man kann eigentlich nur verlieren. Ich verstehe nicht, warum man Songs, die in ihrer Urform perfekt sind, noch mal neu einspielen muss. Das ist mir wirklich ein Rätsel. Was soll das?

Geld verdienen?

Es mag ja sein, dass sich viele Leute nur aufgrund derartiger Songs ein Album kaufen. Der Künstler vergisst dabei aber, dass der eine oder andere Fan nach dem Genuss ebenjener Songs eher die Augenbrauen zusammenzieht und sich aufgrund dessen, bei der nächsten Veröffentlichung, den Gang zum Händler seines Vertrauens spart.

Während mich die Musik fast schon wütend gemacht hat, musste ich beim Anblick des Covers eher schmunzeln. Wie siehts bei dir aus?

Ich erinnere mich an eine Faust mit den Initialen F und U. Heißt das Album nicht "Frequency Unknown"? Passt doch.

Mit Humor fällt das ganze Leben leichter.

Wohl wahr (lacht). Nein, im Ernst. Die versteckte Botschaft darin ist natürlich offensichtlich. Ich finds einfach nur traurig und respektlos.

"Der Name Queensryche steht den Jungs zu"

"Ich will mit diesen Leuten nichts mehr zu tun haben. Sie haben alles in den Dreck gezogen", sagte Geoff vor einigen Monaten in einem Interview. Klingt nicht gerade so, als bestünde in nächster Zeit die Möglichkeit eines klärenden Gesprächs.

Ich habe keine Ahnung, was er damit meint. Die Jungs verteidigen das Erbe der Vergangenheit mit ihrem ganzen Herzblut. Jeder ist für jeden da. Jeder ist für die Band da. Ich meine, schau dir doch einfach unser Cover an. Das ist Queensryche. Da gibt es keine versteckten Botschaften oder irgendwelchen anderen Bullshit. Oder guck dir die Credits an und sieh, wer das Album produziert hat: James Barton steht wie kaum ein Zweiter für den ultimativen Queensryche-Sound der Anfangstage.

Warum tun wir das alles? Es geht uns um die Band und um ihre Fans, die es verdient haben, dass der Name Queensryche in der Szene wieder Beachtung findet. Was genau haben die Jungs in den Dreck gezogen? Da kann ich nur den Kopf schütteln. Die ganze Vorgehensweise ist mir etwas suspekt. Bei uns steht jederzeit die Tür offen. Wir sind unheimlich kommunikativ. Es gibt die Möglichkeit zu mailen, zu chatten, anzurufen oder sich zu treffen. So werden Probleme gelöst. Warum das aber alles nicht passiert, kann ich dir nicht sagen.

Was soll das Hickhack um die Namensrechte?

Warum sollten die Bandmitglieder, die während der erfolgreichsten und einflussreichsten Bandperiode am kreativsten waren, ihren Namen verschenken? Der Name Queensryche steht den Jungs zu. Wir wollen, dass dieser Prozess schnell beendet wird und hoffen im November auf einen positiven Abschluss. Wir wollen, dass unsere Fans wissen, zu wem sie gehen, wenn sie sich ein Queensryche-Ticket kaufen.

Wie fühlst du dich in der momentanen Situation? Gehen dir die ganzen Streitereien abseits der Bühne nicht gehörig auf die Nerven?

Todd: Natürlich nervt das. Es ist für uns alle nicht einfach. Wir sind eine Band, die Musik machen will. Wir sind aber mittlerweile so zusammengewachsen und gestärkt, dass wir unterscheiden können, verstehst du? Wenn wir unsere Instrumente umschnallen, spielt alles andere keine Rolle mehr.

Abschließend würde ich gerne noch Folgendes in Erfahrung bringen: Nehmen wir mal an, der Kontakt zu Queensryche wäre nicht zu Stande gekommen – wie wäre es mit dir und der Musik weitergegangen? Ich habe gelesen, dass du dir auch vorstellen könntest, abseits der Metal-Branche zu agieren. Stimmt das?

Nun, ich konnte mich in den letzten Jahren stimmlich stark verbessern. Die Bandbreite ist jetzt wesentlich größer als noch vor fünf Jahren. Zuhause singe ich viel Soul-lastiges Zeugs. Ich mag zum Beispiel die Stimme von Terence Trent D'Arby. Vielleicht hätte ich mich in der Richtung etwas umgesehen.

Klingt spannend.

Ja, aber daraus wird jetzt erst mal nichts. Mein Frust darüber hält sich aber in Grenzen (lacht).

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