laut.de-Kritik

Zappenduster und schaurig: Like Clockwork Orange.

Review von

Das Cover war rot, an den Drums saß Dave Grohl, Nick Oliveri und Mark Lanegan standen ebenfalls im Line Up, Fans und laut.de-Redaktion drehten kollektiv durch. So war das 2002. Mit "Songs For The Deaf" begann eine neue Zeitrechnung. Elf Jahre danach ist alles anders und doch manches wieder wie damals: Das Cover rot, der Hype riesig. Auch Grohl, Oliveri und Lanegan sind wieder dabei.

Fast könnte man meinen, der längst zum Anführer der Intelligent Rock Music aufgestiegene Heilsbringer Josh Homme setze bewusst auf Konfrontation. Denn seit ebenfalls elf Jahren muss er sich anhören, dass keines seiner Alben mehr diese drängende Leidenschaft entwickeln konnte, die die Band ins Pantheon des Rock katapultierte. Seither gilt Homme als 'godlike genius', was sich an verschiedensten Huldigungen ablesen lässt: Eddie Vedder akzeptiert Konzert-Einladungen als Cowbell-Sklave und Elektrobands aus Thüringen covern seine Songs.

"Era Vulgaris" war 2007 das erste QOTSA-Album, dem eine gewisse Orientierungslosigkeit nicht abzusprechen war. Zugegeben: Erst aus heutiger Sicht, nach Genuss der zappendusteren Reise namens "... Like Clockwork" bemerkt man die Risse dieses Vorgängeralbums. 2013 zeigt sich die Band wieder auf der Höhe ihrer Kunst.

Der 75-jährige Soulsänger Bill Withers wurde letztes Jahr in der Süddeutschen Zeitung mit dem Statement zitiert: "Ich träume mein Leben lang von Sex mit Elizabeth Taylor. Aber immer ist es Sex mit der jungen Liz Taylor, nie mit der alten!" Im übertragenen Sinne sieht Josh Homme das wohl ganz ähnlich. Kürzlich gestand er: "Wenn eine Band drei Alben gemacht hat, frage ich mich meistens: Warum brauche ich noch mehr Alben von dieser Band?" Es ist eine künstlerisch zermürbende Frage: Was ist zu tun, wenn man in der Mitte steht zwischen dem Feuer der jungen Wilden und der Weisheit der Alten?

Die Lösung dieses Dilemmas suchte Homme über den Umweg einer Tour-Hommage ans erste QOTSA-Album, zurück zu den Wurzeln, zu den wilden Tagen. Bemerkenswert an "... Like Clockwork" sind daher gleich mehrere Dinge: Die strapaziösen Kreativ-Blockaden und bandinternen Stimmungstiefs (Drummer Joey Castillo verließ QOTSA nach zehn Jahren), die den Entstehungsprozess maßgeblich in die Länge zogen, merkt man dem Album ebenso wenig an wie die riffgewaltige Stoner-Kur der 2011er-Roadshows. Alles klingt frisch, wohl temperiert und wirkt zu gleichen Teilen mitreißend und auf Perfektion getrimmt. Spontaneität, die gar keine ist - eine Köngsdisziplin in der School of Middle Age Rock.

Die geschlossene Mannschaftsleistung geht sogar so weit, dass man die A-Promi-Gäste kaum ausmachen kann. Trommelt da gerade Grohl, Castillo oder das neu hinzugestoßene Ex-Mars Volta-Tier Jon Theodore? Selbst gestandene Drummer wie Kollege Klaus, der für sich beansprucht, Dave Grohls Hi-Hat-Sound zu erkennen, bevor dieser das Becken überhaupt anschlägt, gerieten ins Schwimmen. Also besser mal das Label kontaktieren, um in der Review ordentlich mit Fachwissen prahlen zu können. Doch wieder Fehlanzeige: "Die Band will Details zu den Koops nicht an die große Glocke hängen", kommt als Antwort. Ausgenommen natürlich Details, die QOTSA selbst via Social Media an selbige dranhängten.

Demnach darf sich Grohl damit brüsten, das schwerelose Spiel auf dem Psychedelic-Killer-Track "I Appear Missing" zu verantworten. "Watching the water give in as I go down the drain I appear missing now", greint Homme und so fühlt man sich auch: Hilflos ergeben und verloren im Sog der düsteren Gewaltherrschaft von Troy Van Leeuwens schaukelnden Gitarrenwänden, die sich an Michael Shumans lässig umherspringenden Bassläufe der Strophen heften. Ein komplettes Gegenstück zum vorab veröffentlichten Starkstromriffer "My God Is The Sun", auf dem Grohl die feuchten Doublebass-Fanträume an 2002 nachhaltig bewässerte. Dennoch hätte man der Gruppe beide Tracks locker zugetraut, was man von "The Vampyre Of Time And Memory" nicht behaupten kann.

Homme spielt wieder Hase und Igel mit dem reaktionären Teil seiner Anhängerschaft: Ein aufdringlicher Analog-Synthiesound leitet eine Piano-Ballade ein, die sich zunächst relativ gemächlich Bahn bricht, bevor zum Break hin nach einer Minute wieder dieser eisige Sound auftaucht und Erinnerungen an schaurige Kubrick-Schockmomente wachruft - kurz gesagt: Like Clockwork Orange. Die Verbindung des soft perlenden Basslaufs mit der Klaviermelodie fußt ebenfalls in diesem Jahrzehnt bei den frühen Roxy Music oder David Bowie. Kein Songwriting, das spontan reinläuft, sondern eines, das Zeit und Auseinandersetzung einfordert.

Aber davon zeugte schon der schwergängige Opener "Keep Your Eyes Peeled", eine in Ton gegossene Agonie mit Hommes schmerzverzerrtem Ausbruch: "If life is but a dream / Wake me!" Nach diesem Nervenspiel überraschen die Queens auf "I Sat By The Ocean" mit Sunshine-Pop, den beinahe schon absichtlich simple Gitarrenakkorde tragen. Ein guter Song, der aber nicht an "Kalopsia" heranreicht, welcher, wieder reich an somnambulen Traumsequenzen, tiefe Abgründe erahnen lässt. Hier wird angeblich erstmals Trent Reznor vorstellig, den man aber erst in "Fairweather Friends" deutlich heraus hört, einem Song, den verwirrenderweise Mark Lanegan mitgeschrieben hat, den man wiederum nicht erkennt und nach dem die Nummer auch nicht klingt. Merke: Ein Spiel läuft immer nur so, wie es der Hütchenspieler will.

In "Fairweather Friends", das konnte dann nicht einmal Homme für sich behalten, wird Las Vegas-Legende Elton John vorstellig, der sich eines Sonntags ohne Vorwarnung telefonisch bei ihm mit dem unsterblichen Satz meldete: "Was deiner Band fehlt, ist eine echte Queen." Allerdings tritt Elton nur als Pianist auf, weshalb man ihn genauso wenig erkennt wie den angeblich im Background hustenden Oliveri.

Auf welchen Track Scissor Sisters-Queen Jake Sheers Bock hatte, der laut Homme regelmäßiger Gast seiner "Game Of Thrones"-Fernsehabende ist, meint man sofort zu erraten: Der Wüstenboogie "Smooth Sailing" hebt sich - ähnlich wie "I Sat By The Ocean" - vom fröstelnden Rest ab und ist sowas wie ein Hybrid aus "I Like To Move In The Night" der Josh-Kumpels Eagles Of Death Metal und "Supermassive Black Hole" von Muse. Doch Shears versteckt sich im Opener.

Der Titeltrack-Abgang gerät dann wieder majestätisch: "Everyone it seems has somewhere to go", seufzt Homme schicksalsergeben zu melancholischem Piano, dem sich alsbald klagende Gitarren im "Abbey Road"-Stil anschließen. QOTSA am Ende? Kurz vor der Auflösung wie 1969 die Beatles? "One thing that is clear / it's all downhill from here", weissagt Homme. Hoffen wir, dass er dieses eine Mal falsch liegt.

Trackliste

  1. 1. Keep Your Eyes Peeled
  2. 2. I Sat By The Ocean
  3. 3. The Vampyre Of Time And Memory
  4. 4. If I Had A Tail
  5. 5. My God Is The Sun
  6. 6. Kalopsia
  7. 7. Fairweather Friends
  8. 8. Smooth Sailing
  9. 9. I Appear Missing
  10. 10. ...Like Clockwork

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121 Kommentare mit 7 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    für mich ist und bleibt das beste album "lullabies to paralyze", finde das neue album sehr geil, da es in richtungen geht, die man nicht erwartet hat, jedoch fehlte mir der dichte und fette Qotsa sound, der sich bereits auf "Era vulgaris" aufzulösen begann. Andererseits, die alben mit diesen sound gibt es schon und die wird uns keiner nehmen, also finde ich die Weiterentwicklung sehr spannend und kann vielen meiner freunden nur zustimmen, dass "I appear missing" wirklich einer der top songs des jahres 2013 war.

  • Vor 9 Jahren

    Habe geraume Zeit in dem festen Glauben verbracht, die neue QOTSA sei ja mit diesen arg verzerrten Riffs und vor allem Vocals schon sehr sperrig geraten. Um nicht als Banause gelten zu können, hab ichs mir aber solange angehört, bis es eines schönen Tages tatsächlich angefangen hat, mir zu gefallen.

    Irgendwann dann die Begleit-mp3s aus dem Netz gezogen und, ja, dann tatsächlich auch recht schnell den sonst nur zu infantil-dümmlichen Zwecken genutzten Knopf am Spieler gefunden. -.-
    Glückwünsche zu diesem geistigen Höhenflug bitte nur per wiederbelebten pn-System oder im Chat, sollte klar sein, hm? Danke, dann spielst du nicht mit.

    Das Album selber finde ich übrigens wirklich super, muss sich trotz etwas geringerer Hitdichte nicht vor einstigen Großtaten verstecken. Nur die C-Seite kommt mir immer noch leicht hektisch vor :D

  • Vor 8 Jahren

    Verdient im Nachhinein die volle Punktzahl. ohne Wenn und Aber....