18. November 2009

"Til Schweiger bekam drei Songs"

Interview geführt von

One Republic-Sänger und Songwriter Ryan Tedder spricht über Papa Timbaland, lukrative Nebeneinkünfte und die neue Bombast-Pop-Ausrichtung seiner Musik.Never Change A Winning Team. "Apologize" klingelt noch leise in den Ohren nach, das visuelle Gedächtnis spuckt sporadisch Bilder von Nora Tschirner und einem verstümmelten Stoffhasen aus. Prompt steht das in heutigen Zeiten so begehrte Sequel in den Startlöchern.

Aus "Keinohrhasen" wird am 3. Dezember in den deutschen Kinos "Zweiohrküken". Und One Republic sind wieder mit dabei. Deren neue Single "Secrets" hat aufgrund der Dauerrotation in Deutschlands Kinderzimmern wahrscheinlich schon einen Drehschwindel.

Ryan Tedder haderte in letzter Zeit öfter mit seiner Stimme. Entsprechend oft rutschte der Interview-Termin nach hinten und verkam beinahe zu einem Running-Gag.

Doch just als jegliches "apologizen" seitens der Plattenfirma dem Autor nur noch ein müdes Lächeln abgewinnen konnte, klappte es dann doch. Am anderen Ende der transatlantischen Verbindung erzählt Mr. Tedder ruhig und redselig von der dünnen Luft im Pophimmel.

Der Name One Republic mutet ja etwas seltsam an. Man erwartet dabei nicht unbedingt eine Popband, sondern würde ihn eher in einen politischen Kontext setzen. Welche Gefühle oder Erfahrungen verbindest du mit dem Namen?

Die vorherrschende Stimmung, die die Phrase "One Republic" in mir hervorruft, ist ein Gefühl von Einheitlichkeit. Denn hinter dem Namen steckt eine Gruppe von Menschen, die einen kleinen gemeinsamen Nenner hat und das ist natürlich die Musik. Die vereinigende Bedeutung des Namens hat mir schon immer imponiert.

Ihr habt die Charts weltweit mit eurem Debüt und insbesondere der Hit-Single "Apologize" gestürmt. Wie seid ihr mit den riesigen Erwartungen umgegangen und verspürt ihr mitunter Versagensängste?

Versagensangst wohnt wohl jedem von uns inne. Gleichzeitig treibt dich diese Angst auch stetig an, neue Ziele zu setzen und zu erreichen. Aber ich hege keine großen Erwartungen oder Ansprüche an unser zweites Album. "Apologize" ging förmlich durch die Decke, ein Erfolg, der wirklich unfassbar und riesig ausfiel. Nun können wir unsere Ziele nicht nach einem neuen Megaerfolg ausrichten.

Zudem haben wir bei unserem Sound eine Kurskorrektur vorgenommen. Natürlich hoffen wir, dass es funktioniert. Allem Anschein nach läuft es ganz gut für uns, führt man sich die bisherige Resonanz der vorab veröffentlichten Songs "All The Right Moves" und "Secrets" vor Augen.

Uns treibt nicht an, eine Hitsingle nach der anderen zu produzieren und uns nach Verkaufszahlen auszurichten, sondern die Menschen zu berühren und eine Verbindung zu ihnen zu finden. Das versuchen wir mit jedem neuen Song.

Jennifer Lopez, Beyoncé oder Natasha Bedingfield schmücken sich mit Songs, die aus deiner Feder stammen. Wo liegen die Unterschiede zum Songwriting für deine Hauptband? Oder gibt es gar Gemeinsamkeiten?

Meine Zusammenarbeit mit J.Lo liegt mittlerweile vier oder fünf Jahre zurück. Der Song, den ich für sie geschrieben habe, könnte nie und nimmer im One Republic-Kontext auftauchen. Auch die Nummer für Beyoncé ... Undenkbar bei One Republic. Alle Songs, die ich für andere Künstler produziere, unterscheiden sich fundamental davon, was ich persönlich singen würde. Andererseits gab es für mich bislang keine Probleme oder Differenzen, diese beiden Welten miteinander zu verbinden, weil beide ihren Reiz haben und im Endeffekt gut voneinander zu trennen sind.

Wieviel Kalkül und wieviel Leidenschaft stecken hinter einem Projekt?

Die Produktion für J.Lo ging sehr kalkuliert vonstatten. Zu dieser Zeit habe ich wirklich alles getan, um nach vorne zu kommen. Bis dahin kannte ich diese Dance/Girl-Musik eh nicht. Ein Zuständiger der Plattenfirma meinte damals halt, sie bräuchten noch eine erste Single. Im gleichen Atemzug sagte er zu mir, dass er mir diesen Job nicht zutraue. Ich fasste das direkt als Kampfansage auf und erwiderte trocken: Ok, ich schreibe einen Song und der wird J.Los erste Single.

Davor hatte ich nie etwas für einen vergleichbaren Künstler wie J.Lo geschrieben. Zu dieser Zeit war Rockmusik mein Metier und ich etablierte mich als Remixer. Der Rest ist Geschichte: Der Song erschien als erste Single und wurde ein Erfolg. Nach dieser berechnenden Art arbeite ich normalerweise nicht, denn Kalkül verspricht am Ende keinen Spaß. An diesem Punkt in meinem Leben war es in Ordnung. Der Erfolg gab einem gewissermaßen Recht.

Wenn du etwas nicht mit Leidenschaft verfolgst, dann ist die Umsetzung zum Scheitern verurteilt. Ich muss es einfach mögen. Ich muss den Künstler mögen. Natasha Beddingfield und Beyoncé haben beide großartige Stimmen. Die Künstler, mit denen ich bisher zusammengearbeitet habe, besitzen alle großartige Stimmen.

"Timbaland bleibt diesmal außen vor"

One Republic sind das erste Signing einer Rockband auf Timbalands Mosley Music Group-Label. Hat der Vertrag eure Richtung beeinflusst oder gab es spezielle Vorgaben?

Nein, es gab keine Vorgaben und keine Regeln. Wir verfolgen konsequent unsere Richtung.

Gab es anlässlich des neuen Albums eine Neuauflage der Zusammenarbeit mit Timbaland?

Nein.

War das möglicherweise eine Reaktion auf die Tatsache, dass er einen Großteil des Erfolges von "Apologize" einheimste, obwohl er den Song nicht selbst geschrieben hat und trotzdem viele Leute diesen Song mit ihm verbinden?

Das war schon ein wenig frustrierend, denn der Song stammt hundertprozentig von mir. Er hat ja mittlerweile schon sieben Jahre auf dem Buckel. Wie "Apologize" nun an das Licht der Öffentlichkeit kam, wurmt uns schon ein wenig. Ein großer Hit, ohne Zweifel, aber jeder dachte dabei an Timbaland und verband den Erfolg mit ihm.

Erfreulicherweise kam danach "Stop And Stare" heraus und wir danken Gott für diesen Song. Gerade hier in Deutschland realisierten die Menschen, dass wir eine Band sind. In unserer Wahrnehmung nimmt "Stop And Stare" eine höhere Wichtigkeit ein als "Apologize". Für uns war es gewissermaßen eine Bestätigung, dass wir auch ohne Timbaland etwas zustande bekommen.

Mit "Secrets" läuft es nun in einer ähnlichen Hinsicht ab. Der Grund dafür, dass Timbaland nicht auf dem Album mitwirkte, war letztendlich auch seine Entscheidung gewesen. Er wollte der Auffassung, dass er der Strippenzieher im Hintergrund sei, nicht noch entgegenkommen.

Du erwähntest gerade euren neuen Song "Secrets", der auch auf dem Soundtrack zum neuen Til Schweiger-Film "Zweiohrküken" zu hören ist. "Apologize" konnte sich hierzulande gerade wegen der Platzierung auf dem Vorgänger-Soundtrack in den Charts festbeißen. Dies ist nicht die einzige Verbindung, wie mir scheint, hört man sich die Musik an: Ein kammermusikalisches Intro, der Beat und die Prägnanz der Melodie. Habt ihr das bewusst auf den Soundtrack-Beitrag zugeschnitten, damit sich jeder daran erinnert?

Nein, sicher nicht. "Secrets" ist meiner Meinung nach das einzige Bindeglied zu unserem letzten Album. Wir gaben Til drei Songs zur Auswahl und er entschied sich halt für "Secrets" als Soundtrackbeitrag. Ich glaube, er erinnerte ihn einfach am meisten an "Apologize".

Wie du bereits erwähnt hast gibt es mit den Streichern und Bigbeats durchaus vergleichbares musikalisches Material. Auf diese Weise bekommen die Leute, die eine Assoziation mit "Apologize" haben, auf elegante Weise vermittelt, dass wir und nicht Timbaland hinter dieser Musik stecken. Es ist einfach ein guter Song, der Emotionen in dir auslöst und das ist es, was wir erreichen wollen: Musik zu kreieren, die Gefühle in dir auslöst.

Fünf Jahre Zeit für das neue Album.

Lass uns über euer neues Album "Waking Up" sprechen. Ich muss sagen, dass ich beim ersten Hören doch sehr überrascht war, da neue Soundelemente zu hören sind. Der erste Song beginnt mit Percussion-basierten Beats, was entfernte Reminiszenzen an Weltmusik aufkommen lässt. Eine klassische Instrumentierung verleiht der Musik eine cineastische Note und am Ende hört man einen Kinderchor. Oder "Missing Person 1 & 2", ein außergewöhnlich strukturierter Song, der fast schon artifiziell wirkt. Wie ist es dazu gekommen?

Aus unserer Sicht nahm die Musik eine natürliche Entwicklung. "Dreaming Out Loud" war zu seinem Erscheinungstermin schon längst überholt, die Songs waren zu diesem Zeitpunkt bereits drei, vier Jahre alt. Bevor unser Debüt erschien, nahm uns Columbia unter Vertrag, die uns ein halbes Jahr später wieder droppten. Schon zum Erscheinungstermin war das Debüt veraltet, worüber wir nicht gerade glücklich waren, denn das Album hätte eigentlich 2003 erscheinen sollen. Dies schlägt sich natürlich auch im Sound nieder.

"Waking Up" repräsentiert die Musik, die wir die letzten drei oder vier Jahre hörten. Aus meiner Sicht nahm unser neues Album eine Entwicklungszeit von fünf Jahren in Anspruch. Manche Bands bekommen gerade mal ein Jahr Zeit für den Nachfolger. Für uns klingt es aber nicht verwirrend, sondern wie aus einem Guss und zeigt uns so, wie wir sind.

Wir hören alle gerne Radiohead und Arcade Fire, generell haben wir viele unterschiedliche Einflüsse und möchten auf keinen Fall als zweite Coldplay abgestempelt werden. Aufgrund der Unterschiede beider Alben ist es natürlich auch riskant. Wir sind alle ein wenig ängstlich und wissen nicht, wie unsere Fans das Album auffassen werden. "Secrets" ist wahrscheinlich der einzige Song mit einer Reminiszenz an unser Debüt.

Der Song "Waking Up" klingt in etwa nach einer fingierten Zusammenkunft von Jim Steinman, The Edge und einem romantischen Komponisten. Andere Stücke besitzen einen epischen Anstrich. Kannst du mir deine Lieblingskomponisten nennen? Einen, der noch lebt und einen, der schon unter der Erde liegt?

Mein lebender Lieblingskomponist ist Danny Elfman. Der Kinderchor am Ende des ersten Songs ist seiner. Uns schwebte genau dieser Sound vor, weswegen wir die Kinder verpflichteten. Mein Favorit unter den toten Musikern ist möglicherweise Debussy … aber ich bin auch ein riesiger Mozart-Fan, selbst wenn das jetzt abgedroschen klingt.

Bevorzugst du eher die klassische oder die romantische Zeit, auch was das generelle Lebensgefühl betrifft?

Ich glaube, ich bin eher der romantisch veranlagte Typ.

Noch kurz zur textlichen Ebene: "Stop And Stare" beschreibt einen Menschen, der mit der Schnelligkeit der modernen Gesellschaft zurechtkommen muss, was ihm jedoch nicht wirklich gut gelingt. Er hält inne und stellt sich verschiedene Fragen. Bist du der Protagonist dieser Lyrics?

Ja.

Kannst du das vielleicht etwas ausführlicher beschreiben?

Ja, ich bin der Protagonist. Zu der Zeit fühlte ich mich hilflos und festgefahren, hatte keinen Erfolg. Ich war geradezu ein gebrochener Mensch und zudem sehr unglücklich. Ich sah mein Leben vor meinem geistigen Auge vorüberziehen und alles, was ich mir in meinem Leben vorgestellt hatte, schien mir zu entgleiten.

In den Songs bringe ich zur Sprache, wie ich mich gerade fühle. In diesem Fall wurde mir bewusst, dass ich auch dann noch meine Träume verwirklichen kann, wenn ich mal gescheitert bin. Und das ist die Kernaussage des Songs: Wenn du zu Boden fällst, steh' wieder auf und nimm dein Schicksal selbst in die Hand.

Nimm einen Tapetenwechsel vor und suche neue Herausforderungen. Der Song thematisiert einerseits meine Frustration darüber, in einer Sackgasse gefangen zu sein und gleichzeitig mein Verlangen danach, da rauszukommen. Viele können das nachvollziehen und sich in den Song hineinversetzen.

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